Epilog

27 1 0
                                    

Er sah sie bereits von weitem. Auch ohne die glitzernden Schuppen hob sie sich deutlich von der braunen Erde der Klippe ab.
Er fand sie seit vielen Monden immer wieder an diesem Ort, das Meer betrachtend.

Schweigend landete er hinter ihr und folgte ihrem Blick. Das Wasser lag ruhig und dunkel da. Nur seichte Wellen schlugen an die Küste. Weit draußen erkannte er den Schaum, den die Wasserdrachen bei ihren Reisen aufwirbelten. Die kleinen Wassertropfen, die dabei in die Luft abgegeben wurden brachen das Licht. Das Meer schien an dieser Stelle immer, als funkelten die Sterne herauf.

"Ich bin die Letzte..."
Besorgt sah er zu Lyn hinunter. Die Flügel hingen kraftlos herab, die weißen Flughäute beinahe durchsichtig.
"Ja. Doch du bist auch eine von uns.", erinnerte er und legte den Kopf neben sie auf den Boden.
"Aber es gibt nichts mehr für mich zu tun." Sie drehte sich zu ihm. "Das Drachenblut erscheint, wenn die Drachen es brauchen. Doch was geschieht danach?"

Er brummte. Sie hatte recht. Es hatte zwar nicht viele Drachenblute gegeben, doch waren sie immer in der letzten Schlacht gefallen. Vom ersten, das durch durch seine Hand fiel, bis zu Lyns Vorgänger in einer Zeit, bevor die Mig Aqana erreichten.
"Nun, vielleicht bedeutet es, dass es noch nicht überstanden ist.", überlegte er. "Vielleicht wird bald etwas anderes geschehen, vor dem du uns retten musst."
"Vielleicht..." Sie seufzte. "Vielleicht wird das Drachenblut auch nicht mehr gebraucht." Sanft strich sie über seine Schuppen. Eine Träne glitzerte in ihrem Auge.
"Vielleicht ist es besser meinem Volk zu folgen...", flüsterte sie, so leise, dass es kaum zu hören war. Doch Khan entging es nicht.
"Nein, das wirst du nicht.", knurrte er und zog sie vom Rand der Klippe weg. "Doch... ich kann dich nicht zwingen zu bleiben." Er sah zu den Wasserdrachen. "Es gibt einen Grund, warum du das Schicksal der früheren Drachenblute nicht teilst. Es ist wohl an der Zeit dich ziehen zu lassen."

Überrascht sah sie ihn an. "Ziehen lassen? Was meinst du?"
Er hob den Kopf und deutete auf das Meer. "Von dort kamen unsere Völker vor langer Zeit. Du kannst dich auf die Reise machen um sie zu suchen. Es gibt möglicherweise noch andere. Andere Drachen. Andere wie die Mig. Du hast die Freiheit zu gehen, wohin du willst. Und vielleicht findest du den Ort, von dem Nier und Devian kamen."
"Freiheit...", flüsterte sie, dann lachte sie. "Ja. Fliegen bedeutet Freiheit. Ketten und Bindungen sind nichts für einen Drachen."
Er ließ sie los und sie breitete die Schwingen aus. Bis zum Rand der Klippe trat sie vor. Doch dann zögerte sie und drehte sich wieder um.
"Aber... wenn ihr bedroht werdet und ich nicht hier bin... Ich könnte niemals davon erfahren."

Er schüttelte den Kopf und hob einen Flügel. Eben noch versteckt vor ihren Augen lag ein kleines Bündel dort, eingeschlagen in weißes Tuch.
Daneben lagen der goldene Schild und die weiße Drachenzahnklinge.
"Hier. Du wirst uns nicht vergessen, das weiß ich. Und sollte etwas geschehen, so kannst du uns jederzeit hiermit erreichen." Er reichte ihr ihr ein langes Band. Vier Drachenzähne hingen daran, kaum größer als ihre Handfläche. "Ein Geschenk der Wächter. Berühre sie und wir werden miteinander sprechen."
"Vielen Dank. Euch allen." Vorsichtig nahm sie das Geschenk aus seiner Hand, verband die Enden und legte es sich um den Hals.
Er nickte und sie holte sich den Rest.
Die Klinge hatte sich nicht verändert, doch sie hielt inne, als sie den Schild betrachtete.

"Khan... Dieses Zeichen..." Sie fuhr der filigranen Figur des geflügelten Schlangendrachen nach.
"Das Zeichen Aqanas. Das Zeichen der Schöpfer." Er brummte. "Und nun, das Zeichen des Drachenbluts. Vergiss nicht, dass du diese beiden Dinge niemals verlieren kannst. Die Magie Mortaghs bindet euch aneinander."
"Ich vergesse es bestimmt nicht." Der Schild leuchtete auf, als ihre Magie ihn verkleinerte, sodass er wieder als Ring an ihren Finger gesteckt werden konnte. Sie verfuhr mit dem Schwert ebenso, verstaute es jedoch im Bündel.

"Ich danke dir. Ich danke allen Drachen Aqanas." Die Verwandlung in das wahre Drachenblut vollzog sich vor seinen Augen und die Hand, in der sie eben noch das Bündel gehalten hatte, wurde zu einer leeren Klaue. "Ich breche sofort auf. Ich will keine Zeit verlieren."
"Tu das Lyn. Ich werde allen berichten, dass du auf Reisen bist."

Sie trat von der Klippe ins leere, schlug mit den Flügeln und hielt in der Luft. "Auf Wiedersehen, Khan. Ich verdanke dir alles."
Er nickte zum Abschied und sie flog los.

Lange sah er ihr nach. Nach zwei Tagen verlor er sie aus den Augen, dann erst wandte er sich vom Meer ab.
"Sei vorsichtig, Lyn, und viel Glück.", flüsterte er. Nun erhob auch er sich in den Himmel. Seinen Weg bestimmte der Wind und trug ihn nach Osten. Die flügellosen Drachen würden die Wälder wieder verlassen und auch er wollte dies nicht verpassen.

- E N D E -

KeeperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt