Aufbruch der Letzten

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"Sie brechen bald auf, Khan. Willst du uns zur Küste begleiten?", fragte Leena.
Er sah auf. Sie stand im Eingang zu seiner Höhle, die Sonne im Rücken. Die Roten Schuppen warfen gleichfarbige Lichtpunkte an Wände und Decke der Höhle. Sie sah wunderschön aus, daran gab es keinen Zweifel. Doch mit dieser Schönheit war auch Trauer verbunden. Trauer, wiedererweckt durch die Geschehnisse in der Festung.
"Du hast noch nicht mit mir darüber gesprochen. Ich will dich nicht zwingen, Leena, aber ich fühle, dass du mich verachtest deswegen.", entgegnete er, ohne auf ihre eigentliche Frage einzugehen.

Sie seufzte und trat in die Höhle ein. Kurz sah sie sich um, bis ihr Blick an einem Haufen Stoff hängen blieb. Bedrückt senkte sie den Kopf. "Was willst du hören, Khan? Dass du keine Schuld trägst? Das weißt du selbst, auch wenn du es dir nicht eingestehen willst. Du wusstest nicht, dass er dort war. Woher auch? Niemand hätte es ahnen können. So viele Jahre..." Sie schüttelte den Kopf. "Ich hasse dich nicht, Khan. Du trägst keine Schuld."

"Natürlich tue ich das. Ich bin auf eine Falle hereingefallen. Ich war von den wichtigen Dingen abgelenkt. Dein Vater war dort, weil er Lugen geglaubt hat. Und Lyn..."
"Wag es nicht das Thema zu wechseln!", schnitt sie ihn ab. "Es war ihre Entscheidung. Auch daran hättest du nichts ändern können. Außerdem hat kein Wächter etwas bemerkt. Ihr seid zu viert und alle sind auf dieselbe Ablenkung hereingefallen. Und um ihn brauchst du dir keine Gedankenzu machen. Ich habe schon lange damit abgeschlossen."
Er schwieg und drehte den Kopf zur Seite, bis auch sein Blick auf dem Stoff zur Ruhe kam. Es war Lyns Nachtlager gewesen. Dies waren die Dinge, die er einem Händler gestohlen hatte. Er erinnerte sich, wie er sie am gleichen Abend von der Bergwand gesammelt hatte, weil sie fliehen wollte, jedoch fast erfroren wäre. Am nächsten Morgen hatte er ihr dann von den Nebeln erzählt und sie hatte beschlossen fortan bei ihm zu bleiben.

"Leena? Denkst du er hat etwas gewusst? Denkst du, er hat Lyn vom Drachenblut erzählt, während Devian sie einfach töten wollte?" Ein Bild drängte sich in seine Erinnerung. Ein zerstörtes Versteck, tote Drachen und Drachlinge, deren Körper man auf Pfähle gesteckt hatte.
"Vielleicht.", brummte sie. "Vielleicht hat er es. Aber wir werden ihn nie danach fragen können. Und Lyn hat leider stets nur eine Stimme gehört."
"Eine Stimme?" Er horchte auf. "Davon hat sie mir nie erzählt. Woher weißt du das?"
"Sie hat es mir anvertraut. Heimlich, kurz vor der Schlacht. Sie bat mich, den Drachen, der ihr die Geschichten erzählt hat, zu verschonen. Sie wusste aber nicht wer es war."
Khan nickte. Natürlich war es möglich, keine Frage. Doch warum hatte sie Leena darum gebeten und nicht ihn auch? Er hätte ihrem Freund doch ebenso gegenüber stehen können.

"Khan, zurück zu dem Grund, warum ich hier bin. Begleitest du mich?"
Er sah an ihr vorbei, hinaus aus der Höhle gegen das Licht der Sonne. "Ist es notwendig?"
Sie stellte sich in sein Blickfeld. "Die Vertreibung wurde von allen beschlossen. Die Schatten mögen nun Geister sein, wie die anderen sie nennen, aber niemand weiß, ob es nicht noch weitere wie sie gibt. Reste, die die Herzen der Mig vergiften. Magie, die ihnen noch zugänglich ist."
"Und meine Anwesenheit?"
Sie brummte. "Eine Bitte einer Freundin. Die Mig wissen nichts von Lyn und ihrer Rolle in der Vernichtung der Jäger. Sie denken, das Ende sei dein Werk gewesen. Warum sie also nicht in diesem Glauben lassen? Wenn sie dich sehen werden sie sicher schneller ablegen."

Er seufzte und streckte die Beine. "Ja. Machen wir es nicht schwerer als es schon ist. Beenden wir dieses dunkle Kapitel in der Geschichte."
Die Rote nickte und verließ die Höhle. Langsam und träge folgte der Schwarze, trat hinaus und spürte den kühlen Wind, der um den Gipfel des einsamen Berges pfiff. Es war dieser Wind, der den Schnee um seine Höhle erhielt und der heute die Wolken zu Boden drückte. Zumindest hinab bis auf die Höhe seines Eingangs. Die Besonderheit dieses Ortes mitten in der Wüste.

"Khan. Konzentriere dich.", bat Leena. Sie flog ein paar Meter entfernt auf der Stelle.
"Noch eine Frage: wo ist Lyn jetzt?"
"Sie ist dort, wo sie ist. Beim Grab der Götter. Wahrscheinlich wartet sie auf dich." Leena schüttelte den Kopf. "Du musst es endlich über dich bringen. Es ist Lyn, das Drachenblut, und du mochtest sie. Zumindest hast du das gesagt. Also bitte. Sie wird dich genauso wenig hassen, wie ich."
"Und die Schuppen?"
Leenas Ausdruck wurde kühl. "Nichts. Nur Flügel. Sie ist zwar das Drachenblut, doch über den Zustand kann ich nichts sagen. Immerhin haben die Schatten uns ihren Körper gelassen." Schnell schüttelte sie den Kopf. "Nun komm doch. Sonst sind sie fort bevor wir sie gesehen haben."

Er sprang von der Plattform und flog ihr hinterher. Nach Westen, zu jener Küste an der die Mig einst das Land betreten hatten. Nun würden sie es verlassen.

KeeperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt