Herr der Wellen

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Nach drei weiteren Nächten am Rand der Wüste und außerhalb der Reichweite der Mig, erreichten die drei Reisenden die Küste.
Das Land fiel hier flach ins Meer ab und selbst auf Seiten der Ebenen zog sich ein breiter Sandstrand über die Länge des Landes.

Kaum waren sie gelandet, sprang Lyn bereits von Khans Rücken, lief lachend über den Sand und sprang in die Wellen, die sacht darüber spülten.
"Hast du noch nie das Meer gesehen, Drachenblut?", rief Leena und folgte ihr. Khan betrat den Strand zuletzt, hielt sich jedoch fern vom Meer. Er misstraute dem salzigen Wasser, seit die Bedrohung dorthinein getrieben wurde. Es mochte damals zwar weiter im Norden gewesen sein, doch auch hier konnte seine Magie noch Wirkung zeigen, die schwachen verderben - falls sie sich im Wasser gehalten hatte.
"Khan!" Lyn winkte, dann stupste Leena sie an und schleuderte sie weiter ins Wasser, als sie es selbst geschafft hätte. Kurz stieg Angst in ihm auf, doch im nächsten Moment stand das Drachenblut auf einer Wassersäule und lachte.
"Leena, Lyn, lasst den Quatsch. Ihr wisst nicht, was im Wasser lauert.", warnte er ungehalten und grub die Krallen in den Sand.
"Ach komm. Das ist doch nur Wasser.", widersprach die Rote. "Du hast doch nicht etwa Angst, oder?"
Er schnaubte. "Nein, ich bin nur vorsichtig. Und jetzt raus da. Wir haben eine Mission."

Er sah, wie Leena den Kopf schüttelte, ins Wasser watete und Lyn vorsichtig von der Wassersäule hob. Im gleichen Moment verschwand diese und die Drachin trug das Drachenblut zurück an Land.
Ihre Kleidung war vollkommen durchnässt und Sand haftete sofort daran. Ihr Haar schien ebenfalls ein wenig dunkler geworden, durch das Wasser und hing ihr platt über den Rücken.
"Spielverderber.", brummte sie, nahm die Haare in beide Hände und wrang sie aus. Wie ein Wasserfall durchnässte es den eben noch trockenen Sand.
"Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wenn die Jäger von unseren Plänen etwas bemerken, dann greifen sie an. Dann sind wir am Ende."

"Ist gut." Abwehrend erhob sie die Hände. "Dann gehen wir zum Wächter. Wo ist er?"
Khan sah zum Meer, dann zu Leena. "Ein Stück weiter. Aber du bleibst besser hier. Ich kann dich nicht tragen, wenn wieder ein Zauber den Weiterflug verhindert."
Die Rote schnaubte. "Gut, bleibe ich hier. Aber erzählt mir was passiert ist, ja?"

Er nickte, nahm Lyn in seine Klaue und hob ab, flog über das Meer, bis es ruhiger wurde und verlangsamte dann sein Tempo.
Dafür brüllte er einmal laut und die eben noch spiegelglatte Oberfläche kräuselte sich. Kurz darauf erhob sich eine Insel aus den Fluten, blaue Schuppen bedeckten sie und ein einzelner, leicht gebogener Stachel thronte in der Mitte.
"Ich darf vorstellen: der Wellen-Teragon. Wächter der Meere." Khan sank ab, ließ sich auf den Schuppen nieder und entließ Lyn aus seiner Klaue. Unterdessen hob der Wächter den Kopf aus dem Wasser und die scharzen, pupillenlosen Augen fixierten die Besucher.
"Khan.", brummte der Wächter. "Und das Drachenblut. Sehr erfreut." Die Schlange blinzelte nicht. Ohne weitere Erklärungen sagte er: "Ich weiß warum ihr hier seid und du erhältst meinen Segen. Geh zum Stachel."

Lyn trat unter die Krümmung und auch dort bildetete sich ein leuchtender Tropfen Magie. Dieser jedoch war in einem kräftigen Blau. Sie hob die Hände und fing den Tropfen.
Ein weiteres mal leuchtete das Symbol auf ihrem Rücken auf, blau wie das Wasser - oder die Schuppen des Wächters.
"Drachenblut ist etwas besonderes.", erklärte er nun und sah Lyn an. Sie hielt sich an Khan fest, denn es fiel ihr offenbar schwer, auf dem Rücken des gigantischen Drachen zu stehen - oder sie war sich ihrer Standfestigkeit nicht sicher. "Das Drachenblut war keineswegs natürlichen Ursprungs. In der alten Heimat der fliegenden Drachen war es das Ergebnis eines Experiments. Die Bewohner wollten sich selbst die Macht der Drachen verleihen. Das Drachenblut, welches hierher kam und die Drachen führte, war eine Zucht."
"Verstehe ich das richtig? Lyn ist ein Experiment?", hakte er nach.
Der Wächter verneinte. "Nein. Nicht mehr. Nun ist das Drachenblut Teil dieses Landes." Die Schlange brummte. "Doch die wahre Magie, die du erwecken wirst, kann ungeahnte Formen annehmen. Viele Generationen sind bereits vergangen. Kein Wächter kann fliegen außer dem Ältesten. Drachen konnten nicht immer fliegen. Die Drachen dieses Landes liefen auf dem Boden, durchpflügten die Berge, schwammen durch die Seen. Die Drakar waren es. Sie ähnelten Drachen, wie ihr sie kennt, doch sie liefen auf zwei Beinen und trugen keine Flügel, andere waren wie ich. Vor ihnen waren sie größer, liefen auf vier Beinen und fraßen das Gras und die Blätter der Bäume." Der Wächter sah in die Ferne in Richtung des ewigen Waldes. "Noch immer leben viele unter dem Schutz des Wald-Teragon - doch viele sind auch fort."
"Das ist uns bereits bekannt. Die Klingen-und Kraftdrachen sind es.", antwortete Lyn, worauf der Wächter knapp nickte. "Es ist jedoch auch schön, mehr über mich zu erfahren. Vielen Dank für Eure Hilfe und Euren Segen, Wächter der Meere."
"Aqagon. So nennen wir die Drachen der Meere.", verbesserte die Schlange und nickte. Khan hob Lyn diesmal wieder auf seinen Rücken, bedankte sich ebenfalls und erhob sich in die Luft. Ohne weitere Worte verschwand der Wächter in den Fluten.

"Merkwürdig.", bemerkte Lyn. "Redselig, aber nicht sehr höflich. Und viel zu ungeduldig."
"Verzeih es ihm, Lyn. Er hat nicht oft Gäste und zieht stets seine Runden um das Land herum. Er weiß vielleicht als Einziger, was hinter dem Wald ist." Er lachte. "Außerdem sind Wasserdrachen nie sehr geduldig. Es widerspricht ihrer Natur."
"Na schön. Dann zurück zu Leena und weiter zum nächsten Wächter. Meine Geduld wird auch langsam knapp."
Khan stimmte zu und hielt wieder auf das Land zu, wo Leena wartete.

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