Der erste Schritt

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"Ist das Blut?" Lyn starrte fassungslos auf die Klaue.
"Ja. Ich wurde angegriffen und musste mich verteidigen." Er legte die Waffen neben sie auf den Boden. "Und du solltest das auch lernen. Außerdem möchte ich dich einem Test unterziehen."
"Ein Test?" Sie nahm einen ihrer Stofffetzen, mit denen sie die Höhle saubermachte und begann die blutverschmierten Schuppen zu reinigen. "Was für ein Test? Und warum überhaupt?"
"Drachenblut, erinnerst du dich? Das ist nicht nur ein Titel oder eine Beschimpfung, Lyn."
"Ich weiß. Drachenblut soll die Kräfte der Drachen haben." Sie sah hoch. "Aber ich kann weder fliegen noch Feuer spucken."
"Speien.", korrigierte er. "Und das sind nicht die einzigen Kräfte der Drachen. Das da sollte dich zum Glück nur in Angst versetzen."
"Der Ring? Was meinst du?"
Er brummte. "Ich habe gestern viel über dich nachgedacht. Und diesen Ring. Seine Magie verhindert tatsächlich nur, dass er entfernt wird, ansonsten hat er keinen Einfluss auf dich..."
"Ich kann nicht zaubern, falls du darauf hinaus willst. Die Reiter haben versucht es mir beizubringen, aber es hat nichts genutzt.", unterbrach sie und wischte weiter das Blut ab. Sie wurde jedoch wütend und polierte nur eine der Schuppen.
"Ganz ruhig." Er schnaubte und bließ ihr warme Luft ins Gesicht. Ihre Haare flogen zurück und fingen das Licht der Sonne. Einen Moment schienen sie zu leuchten. "Drachen und Reiter nutzen unterschiedliche Arten der Magie. Du brauchst die Wege der Drachen um Magie zu nutzen."
"Vorausgesetzt ich bin dein Drachenblut."
Khan schüttelte den Kopf. "Darum der Test. Machst du mit?"
Sie ließ den Fetzen sinken und sah ihn an. Er konnte ihre Stimmung jedoch nicht lesen, nichteinmal erraten. "Gut, ich mache deinen Test. Aber erwarte nicht zuviel. Die Drachen hatten ihre Gründe, um zu verschwinden. Und davor machst du dich sauber. Ich bin gerade erst mit der Hauptkammer fertig."
*
"Schließ die Augen. Konzentriere dich auf dein Innerstes. Er beobachtete sie. Sie saß auf dem Boden der Höhle, genau in der Mitte des Hauptraums. Khan selbst lag am Rand.
"Das ist unglaublich.", meinte sie. Der Drache brummte. Seinen Test hatte sie fast bestanden.
"Du siehst also etwas? Beschreib es mir."
"Es ist wie eine gigantische Höhle, alles ist schwarz. Aber durch den Boden ziehen sich kleine Bäche. Sie sammeln sich unter mir in einem See - nein, nur ein Teich. Ich stehe auf einer Insel nur knapp über dem Wasser."
"Sehr gut. Damit hast du die Magie der Drachen entdeckt.", erklärte er und sie öffnete wieder die Augen.
"Kann ich jetzt zaubern?"
Er brummte. "Magie nutzen.", korrigierte er sie. "Und nein, noch nicht. Erst musst du es schaffen die Insel zu verlassen und in die Magie einzutauchen. Dabei kann ich dir aber nicht helfen. Jeder muss seinen Weg finden. Du kannst gerne jederzeit für dich üben. Aber wenn du die Magie berührst, geh noch nicht weiter. Es gab schon Drachen, die in den Flüssen ertrunken sind."

"Ertrunken? Was meinst du?"
Er schnaubte. "Wenn ein Jungdrache diese Übung absolviert sieht er das selbe wie du gerade. Er steht auf einer Insel über dem See der Magie. Sie müssen immer ihren Weg finden, die Magie zu berühren und einzutauchen. Aber manche sind zu voreilig. Ohne Anleitung stürzen sie sich beim kleinsten Erfolg in die Fluten - und ertrinken. Die Magie lässt ihren Geist nicht mehr gehen und der Geist des Drachen verkümmert. Sie werden dumm, schwach und sterben häufig nur wenige Monate später. Mit totem, leeren Blick starren sie geradeaus, ohne Regung. Sie vergessen zu fressen, zu trinken und irgendwann zu atmen. Es ist ein grausamer Tod." Er schluckte und sah zur Wand. "Gerade aus dem Grund, dass ein ertrunkener Drache niemals in die Nebel einziehen wird. Sein Geist ist ein Teil der Magie."
"Khan? Hast du das schonmal erlebt?", fragte sie vorsichtig nach. Langsam nickte der Schwarze. "Ja. Zu oft. Darum will ich, dass du vorsichtig bist."
Lyn nickte, dann sah sie aus dem Eingang. Er folgte ihrem Blick. Die Sonne ging unter und färbte den Himmel rot.

"Rot wie Blut.", murmelte sie. Ihre Stimme war leise, beinahe bedauernd. Ging ihr der verlorene Geist so nah?
"Rot wie Blut.", bestätigte er. Blut gab das Leben, war das Leben. Blut war so wichtig in der Welt wie das Licht der Sonne. Jedoch nur, solange man es nicht sah. Er brummte leise. Vergossenes Blut war sinnlos. Es versickerte in der Erde und machte sie krank. Blut war so wichtig wie der Geist.
"Lyn, morgen möchte ich, dass du mir alles erzählst, was die Jäger über die Drachen wissen."
"Gut." Sie sah mit leicht glänzenden Augen zu ihm auf. "Aber du erzählst mir, was die Drachen über die Mig wissen."

KeeperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt