Körper - Geist - Seele

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Sterne funkelten am schwarzen Himmel, der Mond war verschlungen von den Schatten und nicht zu sehen. Leena war bereits eingeschlafen, während er noch den Himmel beobachtete.
Es erinnerte ihn an sich selbst. Die einen fürchteten die Nacht, andere erkannten, dass es keine Gefahr darin gab. Auch wenn kein Drache des Nachts flog, so gab es doch viele, die zumindest die strahlenden Punkte beobachteten.
Vor zwei Tagen hatten die Drachen ihren Plan geschmiedet. Morgen würde Leena die Basilisken aufsuchen.

"Khan?"
Er wandte den Blick zu Lyn. Lang ausgestreckt lag sie neben seinem Bein und sah zu ihm auf. In den violetten Augen spiegelten sich die Sterne und ließen sie erscheinen, wie Amethyste.
"Kannst du nicht schlafen?"
Khan schüttelte den Kopf. "Das ist es nicht. Ich brauche nur weit weniger Schlaf als ihr."
"Obwohl du mich den ganzen Tag getragen hast?"
Amüsiert brummte er leise. "Das spüre ich kaum. Aber warum bist du noch wach?"

Sie setzte sich auf und legte den Kopf in den Nacken. "Ich habe die Sterne beobachtet. Es ist Neumond, da kann man sie am besten sehen."
"Stimmt. Aber das ist nicht der einzige Grund, oder?"
Sie sah zu ihm, schwieg, sah dann wieder in den Himmel.
"Die Magie und die Nebel... das ist nicht das gleiche, oder?"

"Nein. Wie kommst du darauf?"
"Du hast mich an Anfang gewarnt, dass Drachen in der Magie ertrinken können. Sie sollen dann nie in die Nebel gehen können.
Aber in die Nebel kommt man nur, wenn der Körper zerstört wird.", erklärte sie und zeichnete mit dem Finger kleine Kreise auf den Erdboden.
"Das stimmt."
"Aber... warum ist das so? Das interessiert mich."

Er brummte und zog mit der Kralle eine dünne Furche in den Boden. "Der Geist taucht in die Magie ein, trägt sie nach außen und gibt uns Kontrolle darüber.
Die Seele macht unseren Charakter aus, unsere Wünsche und Träume.
Der Körper hält all dies in der Welt zusammen." Zwei Kreise in einem großen, dritten Kreis zogen sich über den Boden.
"Eigentlich gehören wir alle in die Nebel. Geist und Seele sind nur für die Existenz des Körpers von dort getrennt. Wenn man stirbt werden sie befreit und nur die Magie, die dem Körper innewohnt bleibt zurück.
Doch Geist und Seele können nur gemeinsam in die Nebel gehen. Wenn eines fehlt, dann gibt es keine Rückkehr."

"Also kann die Seele nicht zurück, wenn der Geist in der Magie ertrunken ist.", folgerte sie und nickte. Ihre Augen glitzerten leicht. "Und wenn ein Drache gezähmt wird?"
"Dabei entsteht das gleiche Problem. Doch es wird die Seele, nicht der Geist beschädigt."
Sie schwieg und lehnte sich an ihn.

"Die Steine, die du in der Schatzkammer gesehen hast, nennen wir Herzsteine.", fuhr er fort. "Sie bilden sich, wenn ein Drache im Kampf stirbt. Jedoch nur wenn dieser nach bestimmten Regeln ausgetragen wird. Darin sammelt sich die Magie und das Wissen des Toten. Durch die Entfernung wird der Körper zerstört und Geist und Seele können gehen."

"Heißt das, die Steine bilden sich erst mit dem Tod?"
"Genau. Aber nur wenn die Regeln eingehalten werden."
"Hmm." Sie kratzte mit den Fingern über den Boden. "Und wenn die Steine zerstört werden?"
"Dann entweicht die Magie und das Wissen. Es gibt jedoch keine schlimmeren Auswirkungen. Für gewöhnlich überträgt der Sieger die Magie direkt auf sich. Er wird stärker und erlangt das Wissen des Gegners. Oder man entscheidet sich dagegen. Ich sammle die Steine, weil ich nichts damit anfangen kann."

"Mir ist etwas aufgefallen, als ich in deiner Schatzkammer war. Diese Steine... sie sind selbst in meinem Verständnis klein. Die kleinsten passen gerade auf meine Hand, der größte ist halb so hoch wie ich."
Khan nickte. "Ja. Die Steine sind größer, je älter der Gegner ist. Du weißt ja, dass Drachen ihr Leben lang wachsen, wenn es im Alter auch langsamer geht. Außerdem haben auch wir die Möglichkeit eines Tages friedlich einzuschlafen und in die Nebel zu gelangen. Auch dann bilden sich die Steine.
Dass meine teilweise so klein sind liegt an den Jägern. Häufig kommen verwirrte Jungdrachen zu mir, deren Bindung noch nicht vollständig ist. Sie fordern mich zum Kampf heraus und verlieren unweigerlich."

"Bis zu welchem Alter sind es Jungdrachen?", fragte sie weiter und leise lachte er.
"Es klingt, als würdest du mich aushorchen. Woher stammt das plötzliche Interesse an diesen Themen?"
"Naja..." Sie sah zu Leena und senkte die Stimme. "Wenn ich sie führen soll, sollte ich doch auch mehr wissen. Das Wissen der Jäger war ja leider nur beschränkt."
Der Schwarze schnaubte zustimmend. "Ist dir das erst jetzt bewusst geworden? Du hättest mich das schon die letzten Monate fragen können. Fast ein ganzes Jahr hast du immerhin bei mir gelebt."

Lyn nickte schwach. "Ja, ich weiß. Aber erst durch diese Reise... durch das Treffen mit den Wächtern ist mir das wirklich klar geworden. Ich dachte immer, das alles sei nur ein schöner Traum. Ein Traum, aus dem ich irgendwann aufwache. Vielleicht in er verschlossenen Zelle oder in einer Kiste unter der Erde..."
"Nicht weinen." Er stupste sie sanft an, während sie sich die Tränen aus den Augen strich. "Du hast recht. Es ist alles echt, kein Traum. Und ich werde dir gerne jede Frage beantworten, die du hast." Vorsichtig bließ er ihr warme Luft ins Gesicht. "Schlafen kannst du auch während des Flugs, nicht wahr?"
"Ja." Lyn schniefte noch einmal, dann setzte sie sich gerade hin. "Also: die Alterseinteilung von Drachen."

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