Der erste Wächter

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"Drachenblut..." Der alte Drache sprach langsam. Sein Körper war ein Teil des Waldes, Bäume wuchsen auf seinem Rücken und allein sein grünes Auge war so groß wie Khans ganzer Körper. Nur das Leuchten des Weltenbaumes erhellte die Lichtung. Die Wächter existierten seit dem Ende der Bedrohung. Sie waren ein Teil des Landes - und dieser Teragon vielleicht mehr noch als die anderen.
"Ja. Ich erinnere mich. Einst ein Geschöpf, geschaffen um die Drachen zu führen. In die Schlacht oder eine neue Heimat." Das Auge schloss und öffnete sich. "Er kam mit euch aus dem Land hinter dem Ostmeer. Doch sein Blut blieb auch nach seinem Tod noch bestehen." Die riesige, schwarze Pupille richtete sich auf Lyn. "Nur wenige wissen noch davon. Doch die Flügellosen, die Drachen binden, gehören dazu, wie ich vermute."
"Ja. Die Reiter wissen vom Drachenblut. Und auch, was seine Entdeckung bedeutet.", antwortete sie. Nervös kratzte sie an dem Ring.
Der Wächter schnaubte. Hinter ihnen knickten Bäume um. Dann brummte er und Lyn klammerte sich an Khans Klaue, um vom folgenden Beben der Erde nicht umgerissen zu werden.
"Bitte, edler Teragon. Kannst du diesen Ring entfernen, den sie trägt? Das Drachenblut muss frei sein wie die Drachen, um seine Kraft zu entfalten.", bat Khan und senkte dafür sogar den Kopf vor dem Wächter. Er tat dies nicht, wenn es nicht unbedingt nötig war, doch es war dem Respekt und der Höflichkeit geschuldet, obwohl sie auf der selben Stufe standen.
"Nein, ich kann die Fessel nicht lösen.", antwortete er und Khan war es, als verlöre er nun doch wieder alle Hoffnung. Die Drachen würden sich von niemandem führen lassen, der Fesseln trug. Doch dann fuhr der Alte fort und er horchte auf: "Ich kann es nicht allein. Doch mit dem Segen aller Wächter lässt sich die Magie brechen. Meinen bekommst du."

Ein einzelner, hoher Felsen, der neben seinem Auge aus dem Boden ragte, begann hell zu leuchten. Grünes Licht schloss die Umgebung ein. In Strömen wie Wasser floss es vom Boden zur Spitze des Felsens, wo sich ein kleiner Tropfen Magie bildete.
"Nimm es an dich, Drachenblut.", brummte der Wächter. Ermutigend stupste Khan sie an. Er spürte ihre Unsicherheit, dabei brauchte sie keine Angst vor dem Drachen zu haben. Dieser Teragon war noch ein Mitglied der flügellosen ersten Drachen. Ein genügsamer Pflanzenfresser.
"Keine Angst. Er frisst dich nicht.", flüsterte der Schwarze und beobachtete vorsichtig die gelben Augen, die aus den Schatten die Szenerie beobachteten. "Niemand tut dir etwas."

Sie atmete laut aus, dann nickte sie und trat zu dem Felsen. Direkt unter dem Tropfen hob sie die Hände und er fiel herab.
Grünes Licht hüllte sie für einen Moment ein, sobald die Magie ihre Haut berührte.

Als es verschwand erkannte Khan die feinen grünen Umrisse eines geflügelten Schlangendrachen auf ihrem Rücken. Sein Licht drang durch die dünne Kleidung. Seine Freude behielt der Schwarze für sich. Der Segen des Wächters offenbarte ein Symbol der Schöpferdrachen. Etwas, das nur beim Drachenblut der Fall war. 

Sie verrenkte sich, um das Muster betrachten zu können, dann lächelte sie, sah zu Khan, dann dem Wächter.
Ehrfürchtig senkte sie den Kopf. "Ich danke Euch, Teragon, Wächter der Wälder. Wenn die Fesseln gebrochen sind führe ich die Drachen in die Freiheit." Langsam trat sie zu Khan zurück. Näher als zuvor schob sie sich an ihn und berührte die Schuppen an seinem Bauch. Es war, als müsse sie sichergehen, dass es kein Traum war.

"Tu das, junges Blut, doch zuerst müsst ihr die anderen aufsuchen.", fuhr der Teragon fort. "Der Segen des Ältesten bricht die Magie zuletzt. In der Zeit der Reise musst du lernen die Magie zu beherrschen, die in dir liegt."
"Leena und ich unterrichten sie.", erklärte der Schwarze schnell und legte Lyn vorsichtig eine Kralle auf die Schulter. Er spürte wie ihre Angst schwand und auch die neugierigen Blicke der Waldbewohner weniger wurden.

Der Wächter brummte und wieder bebte die Erde. "Tut das, Ältester, und beginnt mit der Erde. Dieses Element ist nun ihr Stärkstes. Die Verbindung ist stark doch die Kontrolle muss sie erlernen. Jeder Wächter schenkt ihr eine weitere Stärke." Sein Blick richtete sich wieder auf Lyn. "Wenn der Krieg beginnt, so ruft. Die Bewohner meines Waldes werden euch zu Hilfe kommen." Das Auge schwang zum Rand, den Schatten. Nun schien auch Lyn endlich die Beobachter zu bemerken.

Unauffällig tat sie einen Schritt zurück, als zwei der Beobachter hervortraten. Es waren Nachfahren der flügellosen Drachen. Ein kleinerer, miggroßer Drache mit dunkelgrünen Schuppen. Auf dem langen Hals thronte ein länglicher, fast dreieckiger Kopf, dessen Maul mit zwei Reihen spitzer, weißer Zähne besetzt war.
Die Arme waren im Verhältnis so lang wie die der Mig, doch nur mit drei Klauen besetzt. In einer einer der Klauen hielt der Drache eine lange, silberne Klinge.
Der zweite Drache war größer. Dreimal so hoch wie der erste und stand auf dicken, runden Beinen. Klauen und Zähne suchte man vergebens, dafür ragten seitlich an seinem Maul zwei lange, gebogene Hörner hervor. Auch Schuppen zierten seinen Körper nicht. Lediglich eine braune, ledrige Haut. Sein Kopf saß fast ohne Hals direkt zwischen den Vorderbeinen.
"Man nennt mich Grünschuppe, Drachenblut.", stellte der Kleinere sich vor, steckte die Spitze der Klinge in die Erde und verneigte sich vor ihr. "Mein Freund trägt den Namen Steinzahn. Wir führen die Klingen- und die Kraftdrachen in die Schlacht, sobald du uns rufst."

Khan sah hinunter. Lyn rührte sich nicht. Es war jedoch keine Angst, die sie lähmte.
"Es ist mir eine Ehre euch an unserer Seite zu wissen.", antwortete sie mit zitternder Stimme und verbeugte sich ebenfalls kurz. Dann lächelte sie. "Vielen Dank." Sie verneigte sich vor dem Auge des Wächters und Khan hob sie wieder auf seinen Rücken.
"Auch meinen Dank, Wächter des Waldes. Und mein Dank an euch, Grünschuppe und Steinzahn.", dankte Khan. Der Klingendrache nickte ihm noch zu, dann wandte er sich um und trat wieder zwischen die Bäume. Eben noch umgeknickt, waren nun bereits neue an ihre Stelle getreten.

Auf der Lichtung hinter diesen Bäumen wartete bereits Leena.
"Ein merkwürdiger Wald.", bemerkte sie, als Khan ihr von den Begegnungen erzählt hatte, doch weiter fragte sie nicht. Sofort brachen sie wieder auf.

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