Derin

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Als der letzte der drei Drachen fiel wandte Khan seine Aufmerksamkeit wieder dem Vogel und damit Lyn zu. Noch immer rannte sie durch die Gänge, gefolgt von dem Vogel, der von den Jägern unbeachtet blieb.
Der Schwarze sank zu Boden. Ein Feuerstoß verbrannte eine Gruppe Soldaten, die seine Landung für einen Angriff nutzen wollten. Ein Fehler, wie ihnen in den Nebeln klar werden musste.

"Lyn!", knurrte er und sie sah hoch, in die Augen des Vogels.
"Khan?" Irritiert sah sie sich um, doch schnell erkannte sie woher die Stimme kam und lachte. "Du schwörst, dass du mir das irgendwann verrätst."
"Ja, mache ich. Aber jetzt hör zu: ich habe den Vogel bereits ein Stück vorausgeschickt. Am Ende des linken Ganges befindet sich ein Saal. Die Türen sind geschlossen, doch ich kann deutlich gefangene Magie spüren."
Lyn sah nach links, hinein in den Gang, dann zurück zu ihm. Sie nickte. "Ich verstehe. Ich bin vorsichtig Khan. Versprochen."
Er schüttelte den Kopf. Leider wurde diese Bewegung im Gegensatz zu seiner Stimme nicht übertragen. "Darum geht es nicht. Diese Magie ist alt. Womöglich befindet sich ein Drache in ihrer Gewalt. Er kann stärkere Magie als du besitzen." Leise seufzte er. "Wenn der Ring bricht wird die Magie befreit. So alte Magie kann die Festung zum Einsturz bringen."
"Was schlägst du vor?"

Er sah in den Himmel. Tapfer kämpfte Leena gegen zwei Feinde gleichzeitig. Der Anführer der Basilisken eilte ihr zu Hilfe. Ein Biss seines Schnabels durchdrang den Schuppenpanzer eines Gegner. Verletzt verlor er an Höhe worauf sich zwei Wyvern auf ihn stürzten. Leena tötete den letzten allein.
"Zerstöre den Ring zuletzt. Gefangene Magie wird nicht grundlos so genannt. Es ist ein Teil der Natur, abgeschnitten durch falsche Anwendung."
"Erst der Drache, damit die Magie sich sammelt, dann der Jäger.", wiederholte sie. Stolz brummte er und nickte.
Lyn erhob das Schwert. "Ich halte mich daran, Khan. Wir sprechen uns später."
"Gut. Viel Glück."

Sofort rannte sie wieder los, den linken Gang entlang, und er widmete sich einigen silbernen Jägern. Sie hatten es auf fünf gepanzerte Kraftdrachen abgesehen.

*

Am Ende des Ganges lag eine große Tür. Lyn betrachtete sie einen Moment, dann rammte sie den Drachenzahn in das Holz. Eis überzog die Tür in Windeseile, worauf sie nur noch einen gut platzierten Tritt benötigte. Die vereiste Tür zersplitterte unter ihren Klauen und gab den Blick auf eine neue Halle frei.
Schnell ließ Khan den Vogel durch den Raum kreisen und besah sich alles. Gegenüber der Tür lag ein gigantischer Drache. Rote Schuppen bildeten sein Panzerkleid, an den Rändern jedoch waren sie weiß. Goldene Augen beobachteten den Vogel, der sich auf dem Boden niederließ, mittig im Raum, genau vor den Füßen eines schwarzgekleideten Magiers.
Dieser Magier sah unbewegt auf die Tür und den Vogel, regte sich nicht.

Auch Lyn schien einen Moment zu zögern, bevor sie eintrat, die scharfen Krallen kratzten auf dem grauen Boden.
"Derin.", stellte sie fest und umklammerte Eiszahn.
Khan schüttelte den Kopf und schlug einen Jäger aus dem Sattel. Lyn kannte den Jäger offenbar, doch bei ihrer Vergangenheit war das nichts ungewöhnliches.
"So lautet mein Name. Und mit wem habe ich das unfreiwillige Vergnügen?" Seine Stimme war eisig und selbst Khan fröstelte, als er sprach. Langsam hob er den Kopf und sah Lyn an.
Schnell flog der Vogel auf und landete auf ihrer Schulter. Rote Augen sahen unter der Kapuze zu ihnen, der Rest des Gesichts lag im Schatten.
"Lyn.", antwortete sie und hob die Klinge. "Ich bin das Drachenblut."

Stille erfüllte den Raum für gefühlte Ewigkeiten. Der Mann sah sie einfach stumm an und auch Lyn erwiderte den Blick nur schweigend.
Doch dann brach er das Schweigen und ersetzte es durch die Kälte seiner Stimme. "Lyn... Ja, ich erinnere mich." Er hob eine Hand und zog sich die Kapuze vom Kopf. Pechschwarzes Haar über einem fast weißen Gesicht kam zum Vorschein. Khan war nie gut darin, das Alter eines Mig zu schätzen und versagte auch in diesem Augenblick. Nur markante Merkmale würde er behalten können.
"Ich gab einst den Befehl, dich zu mir zu bringen. Dir sollte Feuer nichts anhaben können.", fuhr er fort, schüttelte jedoch den Kopf. "Leider erfuhr ich zu spät, dass man dich verstoßen hatte. Ich hätte es gern verhindert."

"Um mich umzubringen? Persönlich?", fauchte Lyn und Sorge regte sich in Khan. Er vertraute ihr zwar, doch der Magier schien gefährlicher als angenommen.
"Nein. Nicht doch, Kind." Abwehrend hob er die Hände, bedeckt mit schwarzen Handschuhen. Khan knurrte. Er kannte das Material ohne direkt vor ihm zu stehen. Diese Kleidungsstücke waren aus der Flughaut eines Schwarzdrachen gefertigt.
"Ich wollte dich kennenlernen. Eine solch seltene Gabe darf nicht verschwendet werden. Du wärst eine ausgezeichnete Reiterin geworden - aber leider bist du nun mehr Drache als Mig."

"Leena! Ich helfe Lyn! Halte die Drachen aus dem Ring!", brüllte er über das Schlachtfeld. Ein einzelner Ruf, der sich von denen der Kämpfenden unterschied, schallte zurück. Die Rote hatte ihn verstanden.
Sofort bündelte er seine Magie, konzentrierte sich auf den Vogel und jagte sie über die Verbindung.

Graue Wände umgaben ihn, hoch genug, dass er nicht an die Decke stieß. Ein erstickter Laut drang von seiner Seite.
Er erkannte Lyn. An der Wand sank sie herab, Eiszahn rutschte ihr aus den Fingern.
Khan knurrte und sah zum Magier. Er hatte sich nicht bewegt, dennoch hat er sie angreifen und außer Gefecht setzten können.
"Der Wächter der Lüfte.", stellte der Magier fest und sah ihn an. "Das wird interessant."
Magie schlug aus dem Boden um Khan hervor, materialisierte sich in silbernen Ketten und schlag sich um seine Beine. Der Schwarze fauchte und knurrte, zerrte an den Ketten, doch sie ließen sich nicht brechen.

Er erkannte, dass alles eine Falle gewesen war.

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