Namensmagie

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Dunkle Wolken zogen über den blauen Himmel, davor bunte Drachen, die ihre Reiter ins Landesinnere trugen.
Ein einzelnes Gebäude erhob sich aus der Ebene. Dunkle Steine bildeten die Ringe, darin verborgen eine gewaltige Festung.

"Was denkst du, Wächter?", brummte der Wyvern neben ihm und Khan wandte den Blick zum Himmel. Fixierte und verfolgte die winzigen, kaum wahrnehmbaren Reflektionen der Basiliskenfedern.
"Ich überlege, ob es funktioniert. Wenn die Wolken Regen bringen, dann können die Basilisken ihr Gift nicht nutzen..."
"Außerdem schwächt der Regen unser Feuer.", schnaubte der Wyvern. "Ist es ein Zauber der Jäger?"
Der Wächter schüttelte den Kopf. "Nein, ich denke nicht. Das Wetter können sie nicht kontrollieren. Lyn... sie könnte als Einzige einen Sturm entfachen."

"Sturm." Der Wyvern lachte. "Ja, ein Sturm wird es sein. Ein Sturm aus Klauen und Schuppen, Zähnen und Feuer."
"Federn und Nebel." Leena trat neben den Wyvern und sah ebenfalls in den Himmel. "Die Basilisken sind bemerkenswert, nicht wahr? Dass sie ihre Federn derart spiegeln lassen."
"Ja, ein Fähigkeit, die sie eines Tages mit uns teilen sollten."
"Hoffe, dass du diese Fähigkeit nie brauchst, Wyvern.", murmelte die Rote und er wandte den Blick zu ihr. "Die Fähigkeit ungesehen durch die Lüfte zu reisen haben sie während ihrer Verfolgung erlernt. Zur Zeit des dritten Drachenbluts. Khan, du erinnerst dich."
"Ja. Eine Gabe, um nicht zu verhungern. Ohne den Handel, der danach entstanden ist, wären sie auf den fliegenden Inseln gestorben." Khan sah wieder hinauf. "Trotzdem scheint ihr Verhalten auf viele arrogant zu wirken. Sie verstecken sich aber nicht grundlos in einer derartigen Höhe. Die Verfolgung hat sie dezimiert. Es ist ihre Art, sich zu schützen."

"Wenn ihr das sagt.", schnaubte der Wyvern. "Mein Volk hat diese Zeit also verpasst."
"Ja, aber das ist nicht schlimm. Immer wieder kommen neue Drachen in dieses Land." Leena senkte den Kopf, ließ ihren Blick über das Land schweifen. "Aus dem Himmel, über das Meer. Drachen gibt es weit und fern. Der Weg führt stets hierher..." Ein leises Summen unterlegte ihre Worte.
Khan lauschte stumm den Lied, den Blick auf der Festung ruhend. Keinen Drachen wollte er verpassen um die Stärke des Feindes zu kennen.
Wigendes, schwarzes Gras legte sich über sein Blickfeld, verschwamm mit der Realität. Die Drachen flogen noch immer in Heerscharen zur Festung, doch gleichzeitig verschwand die Welt. Wie Wellen schlugen die Schatten an die Berge, brachen aus ihnen hervor. Draco rannten über die Ebene, immer weiter hin zur Wüste. Blitzende Schwerter der Klingendrachen funkelten im Licht des Mondes, doch auch dieses wurde dunkler mit jedem Tag.

Das Knurren des Wyvern riss ihn aus seinen Gedanken und irritiert sah er zur Seite. Der Wyvern schüttelte den Kopf, doch Leena setzte das Lied unbeirrt fort.
"Schatten bannen, Licht erstrahlen. Die Natur die Macht der Drachen...", sang sie und er wandte den Blick wieder zur Festung.
"Ich bin bei fast tausend.", flüsterte er. Im Lied wollte er die Rote nicht unterbrechen. "Es sind weniger als erwartet."
"Ja. Aber das ist auch erst der erste Tag. Es werden mehr kommen.", antwortete der Wyvern. "Wir dürfen nicht aufhören zu zählen."
"Ich weiß, ich weiß. Solange, bis kein Drache mehr am Himmel ist und diesen Weg nimmt."

Einen Moment schwiegen beide, dann fragte der Wyvern. "Sag, Wächter, was geschieht, wenn diese Schlacht gewonnen ist? Werden die Jäger bestraft? Verbannt oder gefressen?"
"Hm." Khan dachte nach. Soweit hatte er noch keine Pläne. Er wollte nicht abertausende Unschuldiger töten, doch ganz verdenken konnte er die Pläne des anderen nicht.
Ihr Blut würde das Land jedoch für lange Zeit tränken und die Ebenen hatten keinen eigenen Wächter, der den Schaden minimieren konnte.
"Es wird sich herausstellen.", entschied er als Antwort und sah zu ihm. Goldene Augen in goldenen Schuppen glitzerten im Licht. "Sag, wie nennt man dich eigentlich? Ich habe noch nie einen Wyvern einen Namen benutzen hören."

Der Wyvern brummte. "Das hat einen einfachen Grund. Namen sind eine Ehre. Wenn man ihn verliehen bekommt und auch, wenn man ihn jemandem anvertraut. Mein Volk hat die Macht der Namen noch nicht gemeistert, Wächter, daher nennen wir sie nur selten." Der Blick des Goldenen ging in den Himmel. "Natürlich tragen wir alle Namen, doch wer sie sonst kennt, der hat Macht über uns."
Khan nickte. Die Magie, die dem Namen eines Drachen innewohnt, war ihm natürlich nicht unbekannt und der Wyvern sprach die Wahrheit. Doch war er immer der Ansicht, die Wyvern hätten dies bereits lange überwubden. Seit ihrer Ankunft waren immerhin schon viele Bedrohungen über das Land gefegt.
"Natürlich. Dann sollen wir euch also einfach Wyvern nennen? Jeden?"
"Ja. Das ist am einfachsten."

"Drachen gibt es weit und fern. Kein Land wird ihnen Heimat sein. Das Reich der Segen, Wächter vier. Das Reich der Drachen, Heimat hier.", endete das Lied. Er sah an dem Wyvern vorbei. Leena hielt wie er zuvor den Blick starr auf die Festung gerichtet, doch die Melodie des alten Liedes summte sie immer noch. Es vertrieb die Stille, die die Nacht mit sich brachte.

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