"Ich sollte euch wohl endlich mehr über mich erzählen.", brummte der Schwarze und wurde langsamer. Er kannte dieses Gebiet und hielt geradewegs auf einen alten Tunneleingang der Felsdrachen zu.
"Eigentlich nur Lyn. Ich kenne deine Geschichte.", erinnerte Leena, doch Khan schüttelte den Kopf.Der Eingang zur Mine war groß genug, dass er selbst genug Platz fand. Hinter ihm erstreckte sich nichts als Schwärze und in den Augen seiner Begleiter musste er davor verschwinden. Diesen Ort hatte er nicht zufällig gewählt.
"Nein, auch du kennst nicht alles." Lyn kletterte von seinem Rücken und setzte sich auf den fast schwarzen Stein, Leena direkt hinter sich. "Doch diese Geschichte zu erzählen dauert zu lange, darum möchte ich sie mit euch teilen. Schließt die Augen und seht meine Geschichte..."Schwere Schritte hallten von den Wänden des Saales zurück. Niemand befand sich darin. Nur dunkle Schatten waberten über den Boden, verschluckten das Licht in sich, doch nicht den Schall.
In der Mitte des Saales stand ein Thron. Gewaltig und aus den Knochen besiegter Feinde gefertigt. Feinde in Gestalt der mit Schuppenpanzer bedeckten Draco. Kleine und große Knochen neben und übereinander aufgeschichtet.
Dieser Thron war das Zentrum der Schatten. Von ihm gingen sie aus und wucherten wie Ranken. Und auf dem Thron saß eine Gestalt. Ganz in schwarz gekleidet war sie.Die Schritte verstummten, als der, von dem sie ausgingen stehen blieb und sich ehrfürchtig vor der zweiten Gestalt auf ein Knie stützte.
"Die Draco fallen. Sie fliehen in den Osten, in die Wälder und die Wüste im Süden.", sagte jener, der in den Saal gekommen war.
Die Gestalt nickte. "Sehr gut. Dieses Land wird unsere neue Heimat. Lasst die schatten sich vermehren. Das Land darf niemals mehr das Licht sehen."
"Ja, mein König."Die Umgebung verschwand und wurde durch eine neue ersetzt.
Er stand auf einem hohen Berg, unter ihm lagen die Ebenen, der Himmel war von dunklen Wolken bedeckt. Schatten überzogen das Land und verschlangen die Draco, die sie berührten. Ihnen blieb nichts weiter als die Flucht - doch wohin konnten sie schon fliehen. Die Wüste war das Ende ihres Weges.
Zufrieden über die Erfolge stieg er von dem Berg herab und ging ins Gebirge zurück. Genau in der Mitte lag der Palast. Vor Urzeiten, vor ihrer Ankunft, in den Fels geschlagen und bewacht von den Schatten. Der Mittelpunkt des neuen Reiches. Eines Reiches, in das kein Lichtstrahl der beiden grellen Sonnen fiel.Wieder veränderte sich die Kulisse.
Der Draco war gewaltig. So hoch wie ein Berg, die Schuppen sandgelb. Er brüllte und schlug nach seinem Feind, doch dieser wich unbeeindruckt zur Seite aus.
Ja, dies mochte vielleicht der älteste der Draco sein, doch für ihn war er kein Gegner. Die schwarze Klinge summte, als er sie durch die Luft zog. Schatten brachen aus und setzten sich an den Schuppen fest. Der Draco brüllte vor Schmerz, als sie sich durch den Panzer fraßen und rotes Blut hervorbrachten.
Doch ein schneller Schlag des kleineren grünen Draco, der neben dem Riesen kämpfte, durchtrennte die Verbindung und die Schatten verflogen.
Er knurrte und sprang nach vorn, die Spitze auf die nun offenen Wunden gerichtet. Der Grüne hatte angegriffen, seine Klaue ruhte auf dem Boden. Er würde ihn nicht aufhalten. Nicht diesmal.
Das tat er auch nicht. Es war eine rote Klaue, die ihn traf. Die Klinge durchdrang die Schuppen jedoch nicht weit, während er fortgeschleudert wurde.
Knochen zerbrachen hörbar, als er gegen die Felswand prallte und sein Blickfeld sich eintrübte...Die Szenerie wechselte.
"Ihr könnt mich nicht töten! Niemand kann das! Auch keine Schöpfer!", brüllte sein König. Der schwarze Mantel ganz aus Schatten wirbelte um ihn herum, die schwarze Haut schluckte das Licht der Sonnen.
"Wo Licht ist ist auch Finsternis.", brummte der sandgelbe Draco. Die Draco in der Luft stießen gleißend helle Flammen aus. Es war wohl ihre Zustimmung.
"Doch jede Finsternis muss irgendwann dem Licht weichen.", fuhr der Rote fort. Er blutete aus vielen Wunden und es fiel ihm deutlich schwerer zu sprechen. Der Grüne lag neben ihm, die Augen halb geschlossen. Der Rote war stärker, doch starben sie nun doch beide. "Wie die Nacht dem Morgen weicht."
"Eure Zeit ist nun gekommen.", endete eine Stimme aus dem Himmel.
Ein kleiner strahlend weißer Draco mit übergroßen Schwingen hatte gesprochen. In einer Klaue hielt er den riesigen gebogenen Zahn eines der Draco, an seinem Arm hing ein großer, goldener Schild aus einer Schuppe.
"Dafür müsst ihr uns schon töten.", rief er zurück, die schwarze Klinge auf den kleinen gerichtet. Er war es der die Draco zusammengeführt hatte. Er war ihr Anführer. Sein Tod würde seinem König neue Kraft geben.
"Dann sei es so.", bestimmte der Weiße und schoß zu Boden, genau auf seinen König zu.Nebel legte sich über die Geschehnisse.
Rotes Blut vermischte sich mit schwarzem. Der Anführer war tot, doch die Klingen hatten beide Kontrahenten durchbohrt.
Nebel umschloss seinen Geist und blieb. Sein Körper war tot, sein Geist gefangen in den Nebeln der unbekannten Welt. Er tat den ersten Schritt und ging tiefer in die Nebel hinein.
Der Anführer war tot, doch sein König hatte wieder seine Macht erlangt. Damit hatte er seine Pflicht erfüllt und war für seine Ziele gestorben...Sie verließen die Erinnerungen und Leena sah ihn an. Nachdenklich. Dann sagte sie: "Du warst der Bedrohung treu. Bis zum Schluss." Sie sprach leise. Sie mochte vielleicht nur die Geschichten der damaligen Zeit kennen, doch die Angst vor den Schatten war im Blut jedes Drachen. Ihr Volk hatte gute Gründe, nicht nachts zu fliegen, sondern nur unter dem Licht der Sonne. Einzig das Feuer gab ihnen die Sicherheit, wenn sie doch entgegen ihrer Natur handelten.
"Ja. Damals... war vieles anders. Aber ich habe im Tod erkannt, dass die Vernichtung der Drac... Drachen die Welt nicht besser gemacht hätte." Er schüttelte den Kopf. "Ich hoffe ihr beide könnt mir das verzeihen.""Khan..." Mitfühlend legte Lyn die Hand an seine Nase. Die Wärme durchdrang seine Schuppen. Rotes und schwarzes Blut. "Natürlich verzeihen wir dir. Im Leben gibt es Höhen und Tiefen. Ich habe immerhin versucht Drachen zu zähmen, sie gejagt. Trotzdem hast du mir geholfen."
"Lyn hat recht." Die Rote hatte sich offenbar wieder gefangen. "Jeder hat schon schlimmes getan. Selbst ich und ich bin nicht stolz darauf. Aber nun bist du Khan, der Wächter der Lüfte, der Älteste der lebenden Drachen. Die Bedrohung ist Vergangenheit genau wie dein früheres Leben. Du bist ein Drache und unter dem Drachenblut kämpfen wir vereint."
Glücklich brummte er. Das Vertrauen der beiden tat ihm gut. Er nickte. "Danke. Das bedeutet mir sehr viel." Sein Blick schweifte hinter sie in die Berge. "Wollen wir aufbrechen? Man erwartet uns in der Zuflucht.""Willst du mir nicht erst deinen Segen geben?", erinnerte Lyn. Leena nickte. "Sie werden keinen Mig akzeptieren. Geschweige denn einen, der eine Fessel trägt."
"Stimmt. Da war noch etwas." Grollend lachte er. "Aber nicht hier. Wir brauchen eine weite Fläche. Kehren wir in die Wüste zurück."
"Und ich komme mit." Leena breitete bereits die Flügel aus. "Das Ende der Reise werde ich sicher nicht verpassen."
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Keeper
FantasyIn einer Welt, in der Drachen über den Himmel ziehen wie Vögel, war es immer Lyns Wunsch einmal mit ihnen zu fliegen. Dass die Idylle jedoch nur Illusion ist, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. In einer Welt, in der Drachen über den Himmel ziehen wi...