Ein Vogel schrie und weckte ihn. Blinzelnd öffnete er die Augen und erkannte wieder nur das Zwielicht des Waldes. Wenig Licht drang durch das Blätterdach, doch genug dass er alles ereknnen konnte. Langsam hob er den Kopf und Gähnte. Der Boden war weich gewesen, zu weich für seine Verhältnisse und er vermisste seine Höhle. Den steinigen Boden seines Schlafplatzes.
"Morgen.", brummte Leena, worauf er den Kopf zu ihr wandte. "Guten Morgen.", grüßte er, hob die Flügel und faltete sie auf seinen Rücken.Dann sah er nach unten, dorthin wo Lyn schlief - oder schlafen sollte! Sofort war er hellwach und sah sich um, schärfte seine Sinne, doch sie war durch nichts auszumachen. Nicht einmal einer Duftspur konnte er folgen. Es war, als wäre sie nie dagewesen.
"Lyn!", rief er laut, worauf jedoch nur Vögel antworteten die aufgeschreckt durch den Lärm aufflogen und dabei empört kreischten. Er hatte sie wohl geweckt.
"Trotzdem versuchte er es ein weiteres Mal. "LYN!" Er rief lauter und sah in den Wald. Noch immer standen die Bäume dicht gedrängt und kein Band führte ihn."Jetzt sag nicht, du hast Lyn verloren.", knurrte Leena und begann ebenfalls zu rufen. Sie steckte den Kopf zwischen die Bäume musste sich jedoch sofort wieder zurückziehen, da Ranken nach ihr schlugen, versuchten sie zu fesseln.
"Sie ist weg. Das heißt nicht, dass ich sie verloren habe.", verteidigte sich Khan und trat auf den Rand zu. Gefährlich knurrte er. Die Ranken schlugen nicht nach ihm, dafür bildeten die Bäume einen kurzen Durchgang, breit genug für ihn.
"Ich suche sie. Bleib hier, falls sie wiederkommt.", bestimmte er mit Blick zu der Roten, die überrascht auf den Weg vor ihm sah.
"Äh, gut." Sie schüttelte den Kopf und wandte den Blick wieder zu ihm. "Aber wäre es nicht einfacher, sie aus der Luft zu suchen?"
"Sinnlos. Du hast die Magie doch gespürt. Sie lässt uns nicht näher an den Baum." Er sah nach oben. "Außerdem können wir nicht bis zum Boden sehen. Es gibt zwar freie Flächen, aber die sind wie hier mit Blättern bedeckt."
Die Rote schnaubte und senkte den Kopf. "Stimmt. Gut, ich warte. Pass auf dich auf, Khan. Und beeil' dich. Der Wald mag mich nicht."Khan nickte und betrat den Gang. Das Zwielicht ließ ihn zwischen den Bäumen verschwinden, die schwarzen Schuppen wurden Teil der Schatten. Mit jedem Schritt drang er tiefer in den endlosen Wald ein.
Hinter ihm näherten sich die Bäume wieder an, bis sie erneut undurchdringlich wie eine Mauer standen. Vor ihm gaben sie mit jedem Schritt nach und bewegten sich zur Seite. Um ihn herum entstand eine Blase, doch sie war nur knapp groß genug für ihn.
Wieder glitten seine Erinnerungen in die Vergangenheit. Er war kleiner, viel jünger. Der Teragon hatte ihn nach seinem Schlupf unterrichtet, die Geheimnisse der Welt weitergegeben. Er verbrachte viele tausend Jahre zwischen diesen Bäumen - ein Grund, warum sie sich ihm fügten. Doch er kannte auch die Gefahren, die der Wald barg. Magische Fallen, Schlingpflanzen und gefährliche, fleischfressende Pflanzen. Dazu der eigene Wille des Waldes, der bereits vor dem Wächter alt war. Die Schatten des Königs hatten einst einen Großen Teil der Drakar an diesen Ort getrieben. Der Wald hatte ihre Not gesehen und sich gegen die Schatten gestellt. Dies war auch der Grund, warum die frühen Drachen zurückschlagen konnten.Der Wald war gefährlich, rief er sich immer wieder ins Gedächtnis. Es geschah häufig, dass jene, die ihn betraten nicht mehr verließen. Der Wald verschlang sie und wuchs weiter.
Ein Schauer jagte unter seinen Schuppen hindurch, als er an Lyn dachte. Wenn sie in den Wald gegangen war konnte er sie auch im Maul der Pflanzen oder erwürgt von Ranken finden. Ein Bild, das ihn die Ewigkeit verfolgen würde. Doch auch sie nicht zu finden würde er nicht leicht verarbeiten. Das Wissen, das Drachenblut verloren zu haben und die Jäger nicht bekämpfen zu können...
Er schüttelte den Kopf. Er würde es sich nie verzeihen - und Leena auch nicht. Immerhin hatte die Rote alle Hoffnung in Lyn gesetzt, obwohl ihr Schicksal noch nicht einmal sicher war.
Stumm betete er zu Mortagh, dass er sie beschützen solle, Raju, dass sie ihr Kraft gab. Adea, dass sie sie den Nebeln fernhielt und den Wächter, dass er sie lediglich zu sich führte.Der Schwarze sah auf den Weg. Ein goldenes, leuchtendes Band lag auf dem Boden, wie ein Faden, der ihn führte. Er erinnerte sich an das Band. Das Selbe hatte ihn einst aus dem Wald herausgeführt.
Er war erleichtert und neuer Mut durchströmte ihn. Sein Dank galt den Göttern und dem Wächter. Das Band führte zu dem, was man finden wollte - und Gold zeigte ein lebendes Wesen an.
Sofort lief er schneller und die Bäume machten weiter Platz. Es dauerte nicht lang, bis er auf einer weiteren Freifläche stehen blieb.Vorsichtig betrat er sie, folgte dem Faden in die Mitte. Lyn saß auf dem Boden, mit dem Rücken zu ihm und sah nach vorn, tiefer hinein in den Wald.
"Lyn? Geht es dir gut?", fragte er vorsichtig und senkte den Kopf neben ihr. Überrascht sah sie zu ihm. "Khan?" Sie lachte. "Wie schön, dass du wieder da bist. Ich dachte schon, ihr wärt ohne mich weiter."
"Ohne dich? Niemals. Außerdem warst du weg, als wir aufgewacht sind. Einfach verschwunden. Nicht einmal eine Duftspur gab es, der wir hätten folgen können."
Sie legte den Kopf schief, nachdenklich sah sie ihn an. "Ach ja?" Sie nickte. "Also, ich bin hier aufgewacht. Ohne euch. Khan? War das vielleicht die Prüfung? Dass wir uns wiederfinden?"
Er brummte. "Ja, wahrscheinlich. Wollen wir nun zum Wächter?"
"Natürlich. Darum sind wir hier." Sie stand auf und gemeinsam traten sie durch die Bäume um den Weltenbaum endlich zu erreichen.
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Keeper
FantasyIn einer Welt, in der Drachen über den Himmel ziehen wie Vögel, war es immer Lyns Wunsch einmal mit ihnen zu fliegen. Dass die Idylle jedoch nur Illusion ist, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. In einer Welt, in der Drachen über den Himmel ziehen wi...