Von Verlust und Zusammenhalt

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Das Feuer knisterte leise und verschlang langsam das Holz. Es war die dritte Nacht, die sie ruhten, denn obwohl Khan die Strecke in wenigen Stunden geschafft hätte, passte er sich an Leenas Tempo an.
Sie war kleiner und ihre Flügel trugen sie nur einen Bruchteil der Strecke pro Schlag. So zog sich ihre Reise.
Lyn lehnte an seiner Brust und beobachtete das Feuer. Leena lag gegenüber, der Kopf auf den Klauen ruhend und beobachtete Lyn.

Es war nicht zu übersehen, dass die Mig sie faszinierte, auch wenn Lyn sich mit jedem weiteren Tag mehr zurückzuziehen schien. Schüchterte Leenas Anwesenheit sie nun doch ein?
"Sag mal, Lyn, warum hast du dich den Jägern angeschlossen?", fragte die Rote und brach die Stille. Lyn zuckte vor Schreck zusammen und der Zweig, mit dem sie im Feuer gestochert hatte, fiel ihr aus der Hand.
Beruhigend hauchte er ihr warme Luft über den Kopf. Als stummen Dank strich sie über seine Schuppen.

"Das ist kompliziert.", begann sie und sah wieder zum Feuer. "Früher hätte ich gesagt, weil ich sie bewundere und mit einem Drachen zu fliegen reine Freiheit ist..."
"Jetzt nicht mehr?"
Lyn schüttelte den Kopf und sah auf. "Die Reiter mögen sich als Beschützer aufspielen, doch wenn ihr Blick unaufmerksam ist schlachtet mein Volk sich ab. Ich dachte, wenn ich ein Reiter wäre dann könnte ich es verhindern. Etwas verändern und meinen Leuten helfen."
Er bemerkte Leenas fragenden Blick, doch wusste er selbst nicht wovon sie sprach. Zumindest nicht sicher. Doch er begann etwas zu ahnen und blinzelte.

"Was meinst du? Bist du in so etwas hineingeraten?", fragte die Rote weiter. Sie hob den Kopf ein Stück, wodurch sie Lyn von einer erhöhten Position betrachten konnte.
Langsam nickte sie und fuhr mit leiser Stimme fort: "Ich war noch ein Kind. Ein anderes Dorf griff uns an. Sie töteten wen sie zu fassen bekamen. Viele starben durch die rostigen Harken, Beile und Heugabeln, andere erstickten in den Flammen, wenn sie Schutz in den Häusern suchten. Sie haben alles vernichtet und die Reiter hat es nicht interessiert."
Beinahe unmerklich bebte der Boden. Zu schwach, um von Leena und Lyn wahrgenommen zu werden, doch Khan spürte, wie die Magie sich ihren Weg bahnte. Ausgelöst wurde sie von Lyns Gefühlen. Unkontrolliert zwar, aber enorm stark.
"Wie hast du es geschafft? Warst du in einem Haus eingeschlossen? Oder hast du dich versteckt?"
Lyn schüttelte den Kopf. Ihre Magie wurde schwächer. "Ich bin gerannt, meine Mutter hat versucht mit mir zu fliehen. Doch sie haben uns bemerkt. Sie hat mich losgelassen und in den nächsten Fluss geworfen. Die Strömung hat mich fortgetragen aber sie habe ich nie wieder gesehen."
Besorgt sah Khan in den Himmel. Wolken schoben sich vor das Sternenzelt und aus der Ferne hörte er das Grollen des Donners. Luft und Wasser vereinten sich über ihnen. Ausgelöst von Lyns Gefühlen bildete sich ein Sturm. Das Auge würde direkt über ihnen liegen.

"Das tut mir leid.", murmelte Leena und sah zu Khan. Auch sie bemerkte endlich das aufziehende Gewitter. "Falls es dir hilft: auch ich habe meine Familie verloren. Wie fast alle Drachen die für uns kämpfen gehöre ich zu den Opfern der Jäger. Ich bin die einzige Überlebende unserer Gruppe."
"Oh. Das wusste ich nicht.", entschuldigte das Drachenblut schnell, doch die Rote schüttelte nur den Kopf.
"Konntest du nicht. Aber Khan hat auch mich gerettet. Ich verdanke ihm sehr viel."

"Tatsächlich?" Lyn sah auf, als die Wolken sich auflösten, und Khan sah hinunter. Die violetten Augen erschienen gelb, im Licht des Feuers.
"Ja. Ich habe die Reiter von den Resten der Gruppe vertrieben. Aber Leena war die einzige die noch lebte. Ich konnte sie nicht einfach zurücklassen, da habe ich sie mitgenommen und bei einer Freundin in Obhut gegeben."
"Ja. Fayr hat mich aufgezogen wie ihr eigenes Junges. Und Khan hat uns regelmäßig besucht. Er sagt immer, ich sei wie eine Tochter für ihn." Leena knurrte sanft und schüttelte den Kopf.
Khan brummte nur und stupste Lyn an. "Stimmt. Nicht mehr und nicht weniger."

Lyn lachte gelöst. "Und Fayr? Was wurde aus ihr?"
"Sie lebt in der Zuflucht und kümmert sich um Waisen. Du wirst sie bei unserer Rückkehr bestimmt kennenlernen.", versprach Leena.
Die Mig nickte eilig, dann sah sie wieder hoch. "Jetzt fehlt nur noch deine Geschichte, Khan. Also, wie wurdest du ein Wächter?"
Der schwarze schüttelte den Kopf. "Nicht heute. Ein andermal, versprochen. Lyn, du solltest jetzt schlafen. Morgen erreichen wir den Wald."

KeeperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt