Teil 96

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Genau in dem Moment vibrierte mein Handy in meiner Manteltasche. Ich wollte es zuerst nicht herausnehmen, doch als es nach einer kurzen Pause nochmal zu läuten begann, zog ich es seufzend heraus. Es war Charlotte. „Ja?", fragte ich kurz und fast schon ein wenig schnippisch, das letzte mit dem ich mich jetzt beschäftigen wollte waren meine „Pflichten als Kinderärztin". Doch meine Freundin ignorierte meinen Ton und sprach sofort drauflos. Ihre Stimme war ernst. „Ich habe mitbekommen, dass etwas mit Naomi nicht stimmt. Hör mal, wir haben gerade einen Spaziergänger bekommen, er hat irgendetwas von einem blonden Mädchen im Wald geredet und einem Fuchs. Die hatte Reitstiefel an, also frag mich nicht was die da ohne Pferd wollte aber... auf jeden Fall passt die Beschreibung eins zu eins auf Naomi, RTW ist unterwegs, aber falls du mal selbst vorbeischauen willst..." Mein Gesicht wurde ganz weiß. Barilla, die abgehauene Naomi, der Wald in meiner Nähe – es passte alles perfekt zusammen. „Bin auf dem Weg" antworte ich wackelig und legte dann mit steifen Fingern auf. Dann drehte ich mich ohne ein Wort um, lief wieder hinaus zum Auto und ließ somit Sara und ein besorgtes Lehrerteam einfach so stehen. Doch das war es nicht, was hier jetzt zählte. Das einzige oder besser gesagt die einzige, die hier wichtig war, war Naomi.

*Naomis sicht

Der Waldboden ist kalt und nass und über mir schwankten die Bäume hin und her. Mein Kopf pochte und der Wald drehte sich über mir immer und immer im Kreis. Plötzlich beugte sich eine Gestalt über mich und obwohl ich alles nur verschwommen sah, nahm ich den weißen Bart und die Brille wahr. Er redete auf mich ein und fuchtelte wild mit den Händen hin und her. Sein hektisches Gerede hallte in meinen Kopf wieder und machte den Schmerz nicht besser. Plötzlich erschien ein Pferdekopf von der anderen Seite. Barilla! Sie stupste den alten Mann vorsichtig an, welcher dadurch kurz zurückzuckte. Dann schnaubte die Stute und hinterließ ein paar nasse Tropfen auf meiner Wange. Doch ich wollte und konnte mich nicht bewegen, um sie weg zu wischen. Ich versuchte mich zu erinnern, was passiert ist und mein Kopf wurde augenblicklich mit unzähligen, abgehakten Bildern und Momenten geflutet. Der Galopp, die Bäume, das Gebüsch, der Vogel, der Aufschlag. Plötzlich begann auch mein restlicher Körper weh zu tun, mein Unterschenkel brannte und mein Bauch tat einfach nur – weh. Ich wusste nicht, wie ich das anders beschreiben sollte. Ich stöhnte kurz auf und der Mann, der kurz aus meinem Sichtfeld verschwunden war beugte sich besorgt über mich. „Kannst du mich hören?!", erkundigte er sich lauter als nötig und mein Kopf pochte nur noch mehr. Es geht mir gut. Doch der Mann zeigte keine Reaktion. Das Bild hatte sich mittlerweile aufgeklärt und ich konnte ihn jetzt klar und deutlich sehen doch er zeigte keine Reaktion. Er konnte mich nicht hören. Es. geht. mir. gut. Immer noch nichts, er blickte nur verzweifelt auf mich herab. Verdammt. Diesmal beschloss ich mich noch mehr zu konzentrieren. Ich schloss kurz die Augen und atmete einmal tief ein, wobei meine Lunge brannte. Dann öffnete ich angestrengt den Mund, doch alles was herauskam war ein heiseres „ja". Da beugte sich mein Gegenüber – oder in diesem Fall Gegenober falls es das gibt – zu mir herunter und strich über meine Wange. „Es wird alles gut." Seine Stimme war jetzt leiser und ruhiger und entschleunigte meinen hektischen Herzschlag.

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Hey!

Es ist diesmal zwar schon ein Ende in Sicht aber bleibt gespannt. An dieser Stelle einmal danke an alle, die bis hier gelesen haben und die ganze Story mitverfolgt haben! Diese Geschichte hat einfach fast 30 000 Reads, echt krass! Vielen vielen Dank für euren Support, an jeden einzelnen!

𝑀𝑒ℎ𝑟 𝑎𝑙𝑠 𝑚𝑎𝑛 𝑑𝑒𝑛𝑘𝑡...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt