38.

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Ich kniete auf dem Boden, wo ich mich hatte fallen lassen. Mein Mund war geöffnet und formte einen erstickten Schrei. Tausende Tränen kullerten mein Gesicht, bis zu meinem De­kolle­té entlang. Meine Augen waren zusammen gepresst, doch ich konnte diese Flut der Tränen dadurch nicht verhindern.

Auf einmal hörte ich gedämpfte Schritte hinter mir. Ich erfuhr, dass es Jackson war, als er sich zu mir hinunter beugte. Er sah noch verschlafen aus, aber auch völlig überfordert.

"Was ist los Luc?", er strich mit seiner warmen Hand meinen Rücken entlang um mich zu trösten.

"Ich... ich kann nicht mehr Jackson.", flüsterte ich.

Es entsprach der Wahrheit. Ich konnte und wollte nicht mehr. Ich hätte mir zu sterben tausendmal schöner vorgestellt. Eine Pause. Ich brauchte so dringend eine Pause.

"Warum kannst du nicht mehr? Wer hat dich so sehr verletzt, dass du deine Fassade verlierst und dich auf dem Boden krümmst?", er war bereits sauer auf ihn. Dabei wusste er nicht mal, dass es sein bester Freund war, der mich so erledigt hatte.

"Lucy sag es mir und ich füge demjenigen denselben Schmerz zu.", forderte er.

"Nein, jetzt nicht.", der Gedanke an Alec ließ mich wieder weinen.

Ich würde ihm nicht verraten, dass er es war. Niemals. Auch wenn ich ihn grade mehr hasste, als ich mich selbst je gehasst habe. Und glaubt mir, dieser Hass ist bei einer Suizidgefährdeten Person sehr groß. 

Nun nahm mein Bruder mich in den Arm, wodurch ich mich langsam beruhigte. Ich wollte Ihm nicht die Macht darüber geben, wie ich mich fühlte und erst recht nicht nach dem ganzem hier. Dann hob mich Jackson hoch und trug mich in mein Zimmer. Er legte mich mein Bett, als wäre ich federleicht und legte sich zu mir. Als er uns zugedeckt hatte, flüsterte er mir beruhigende Worte zu. Dort in seinen Armen, die um mich geschlungen waren, schlief ich ein, um in ein schwarzes, tiefes Loch zu fallen. 

***

Ich wollte nicht mehr aufwachen, trotzdem tat ich es. Es enttäuschte mich, als ich feststellte, dass mein Bruder nicht mehr bei mir war. Doch dann fiel mir noch etwas anderes ein; heute war Schule! 

So ein Mist! Nein. Ich würde nicht hingehen, dass stand fest. Nicht, solange er auch dort war. Okay, vermutlich konnte ich schlecht die Schule wechseln. Aber heute würde ich mir das sicher nicht antun.

Wie erwartet, merkte ich, dass ich nicht wieder einschlafen konnte, also stand ich auf um in die Küche zu gehen. Nicht fürs Essen, nein. Danach war mir grad überhaupt nicht. Ich schnappte mir mein Handy von der Kücheninsel, um direkt wieder in mein Zimmer zu gehen.

Irgendwie hatte ich Angst davor, zu sehen wie viele Nachrichten er mir geschickt hatte. Jedoch hatte ich es auch nicht dafür geholt, sondern um zu sehen, ob mir mein Bruder geschrieben hatte. Dieses hatte er getan, um mich zu informieren, dass ich heute zuhause bleiben würde. 
Es war nicht mal eine Frage gewesen, er hatte es so beschlossen. Ich schmunzelte innerlich-, da ich physikalisch nicht fähig war dieses umzusetzen, -darüber, wie gut mich mein Bruder doch kannte. Außerdem war ich ihm dankbar für gestern, und zwar unendlich.

Gott meinte es nicht gut mit mir und ich konnte die überbleibenden Bomben-Nachrichten von Alec nicht einfach übersehen. Schade auch. Ich ging auf unseren Chat. Es waren über hundert Nachrichten gewesen, wo er sich entschuldigt hatte, mir sagte wie sehr er mich brauchte und, dass er mich nicht einfach so aufgeben würde. Wäre es nicht so eine beschissene Situation gewesen, hätte ich es sogar süß gefunden. Aber es reichte mir. Keiner würde je wieder so nah an mich herankommen wie er es gekommen war. Damit hatte ich abgeschlossen. Das Kapitel 'Jungs' fertig gelesen. 

Natürlich blockte ich ihn erstmal und schrieb nichts zurück. Warum auch? Also ich finde er hatte sich genug erklärt. Und für seine Ehrlichkeit dankte ich ihm auch. Das änderte jedoch nichts an den Tatsachen. 

So war es jetzt. Ich fühlte mich leer und die letzte Neugierde auf Liebe und Abenteuer war nun auch in mir verschwunden. So leer wie ein schwarzes Loch. Das einzige was noch existierte, war mein Bruder, meine Mutter und ein Funken Hoffnung auf eine angenehmere Zukunft.

Ob das für mich überhaupt möglich war?

Würde es irgendwann leichter werden?

Oder musste ich meine letzte Kraft aufbringen und mich neuen Herausforderungen stellen?

Ich denke, dass wusste keiner. Ich musste es wohl oder übel heraus finden.

His love, my anxietyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt