Kapitel 46

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"Ich lass' für dich das Licht an, obwohl's mir zu hell ist. Hör' mit dir Platten, die ich nicht mag. Ich bin für dich leise -..."

"Boah! Sei leise!", knurre ich mein Handy an. Wieso kommt denn jetzt so ein ... Liebeslied? Ja, es ist ein Liebeslied. Ich sitze auf meinem Bett, bin gerade mit duschen fertig geworden und höre ein wenig Musik. Eigentlich wollte ich so etwas in Richtung Rap hören, aber nein, das sieht mein Handy ja nicht ein, und spielt einfach alle Liebeslieder hintereinander ab. Als hätte ich nicht schon genug Schmerzen!

Ich lege mein Handy beiseite und stehe auf, um etwas essen zu gehen. Jonas und meine Eltern sitzen schon in der Küche.

"Wieso seit ihr denn noch hier?", frage ich ein wenig verwundert und mustere meine Eltern skeptisch.

"Wir müssen beide heute etwas später hin. Hat Jonas dir schon erzählt, dass er jetzt in der selben Bäckerei zwei Wochen arbeitet, wie du?", fragt Mum.

"Äh... Nee?" Ich sehe Jonas an, der grinst.

"Ja, tue ich. Ich habe zu viel Langeweile und ein bisschen Geld kann ja nicht schaden. Und vielleicht treffe ich da ja auch noch die Liebe meines Lebens.."

Sein Grinsen verwandelt sich schlagartig in einen ängstlichen Gesichtsausdruck, als er merkt, was er gerade gesagt hat. "Oh, Sorry, ich -...", setzt er an, doch ich winke ab: "Schon okay. Ich muss irgendwie damit klar kommen."

"Das ist eine gute Einstellung, Schatz", wirft Papa ein und ich lächle ihn dankbar an. Okay, ich lüge zum Teil. Zum Teil aber auch nicht. Ich muss damit klarkommen, ja. Aber ich plane etwas. Und deswegen tue ich jetzt besser so, als wären die Wunden wieder etwas zugewachsen. Ich weiß auch noch lange nicht, ob der Plan aufgeht, aber das sehen wir später.

Um Punkt halb acht steht Dany wieder vor unserer Tür. Ich verabschiede mich kurz von Jonas, da meine Eltern vor ein paar Minuten zur Arbeit gefahren sind und gehe dann raus.

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"Ich habe jetzt schon keine Lust mehr auf Schule", stöhnt Dany in der Pause. Ich bin voll und ganz ihrer Meinung. Wir sitzen mit ein paar anderen aus unserer Klasse in der Kantine und stopfen Brezeln in uns herein. Ja, ich habe heute verdammt dollen Hunger auf Brezeln! Ich glaube, das ist schon meine Dritte, die ich gerade in der Hand habe. Aber sie schmecken einfach wahnsinnig gut!

"Ist irgendwas los, Mia?", fragt Luisa, ein Mädchen aus meiner Klasse.

"Hm? Nee, nee, alles in Ordnung." Ich lächle tapfer und widme mich wieder meiner Brezel. Luisa gibt sich mit der Antwort zufrieden. Gut so. Ich hasse es, wenn Leute ständig nachfragen und immer alles wissen wollen.

Nach der Schule sitze ich mal wieder auf meinem Bett, (ja, obwohl ich eigentlich für eine Englischklausur lernen muss, aber das ist mir im Moment sowas von egal) und schreibe mit Harry auf Whatsapp. Er fragt, ob wir telefonieren oder skypen wollen. Ich schlucke. Ich schwöre, wenn ich seine Stimme höre, fange ich an zu weinen. Dann lieber skypen, dann sehe ich ihn auch. Also schreibe ich es ihm und fahre meinen PC hoch. Ich logge mich bei Skype ein und bekomme sofort einen Anruf von Harry. Etwas zögerlich nehme ich ab und schon breitet sich sein Gesicht auf dem Bildschirm aus. Ich schlucke.

"Hey", flüstere ich, kaum hörbar. Harry sitzt irgendwo in seiner Wohnung, schätze ich mal. Man sieht nur wenig vom Hintergrund, da sein Gesicht den meisten Teil des Bildes einnimmt. Ich schniefe kurz und lächle.

"Hi, wie geht's dir so?", fragt er in seiner absolut unfassbar, rauen, wunderschönen Stimme, die mich immer wieder um den Verstand bringt.

"Es geht. Und dir? Wo bist du gerade?"

"Ja, mir auch... Ich bin Zuhause in unserer Wohnung. Soll ich sie dir mal ein bisschen zeigen?"

"Klar, gerne."

Harry nimmt den Pc, dreht ihr so herum, dass ich in den Raum sehen kann und macht mit mir dann so eine Art Roomtour. Es ist eine sehr schöne Wohnung, die wirklich nahe am Big Ben liegt, wie ich aus dem Fenster sehen kann. Wie gerne wäre ich jetzt dort. Bei ihm. In seiner Wohnung. Naja, gut, die von seinem Dad, aber egal. Wir reden noch ein bisschen weiter und ich habe Mühe, meine Tränen zurückzuhalten. Wenn ich jetzt wieder anfange zu weinen, dann ist alles vorbei. Dann breche ich entgütlig zusammen. Und das will ich nicht. Ich bin stark. Das hat Harry mir auch immer gesagt.

Nach ungefähr drei Stunden dauerskypen, legen wir dann irgendwann auf. Natürlich nicht, ohne vorher zu sagen, wie sehr wir uns lieben und vermissen. Dann wird der Bildschirm schwarz. Es wundert mich ehrlich gesagt, warum wir so eine gute Verbindung ins Ausland haben. Nomalerweise ist das sonst immer so, dass das Bild total verpixelt ist. Naja, liegt wohl daran, wohin man gerade skypt. Ich seufze und stelle den Pc beiseite.

Dann setze ich mich an meinen Schreibtisch und versuche endlich doch mal für meine Englischklausur zu üben. Dabei frage ich mich, warum ich eigentlich für Englisch lerne?! Ich kann Englisch gut, und die Vokabeln und Grammatik sind auch nicht gerade schwer. Na okay, trotzdem kann das nicht schaden.

Harry hat erzählt, dass seine Ausbildung irgendwie total langweilig ist und er gerne wieder zurück nach Deutschland möchte. Aber es geht nicht. So sehr er auch will. Seht ihr? Schon wieder schweifen meine Gedanken zu Harry. Ich denke ununterbrochen an ihn. Ist das so gut? Ich weiß es nicht. Irgendwann werden wir eine Lösung finden. Und ich werde alles dafür tun. Ich vermisse ihn. Ich vermisse ihn doller, als alles andere.
Ich erinnere mich noch an unsere erste Begegnung:

Kaum biege ich um die Ecke unserer Straße, renne ich, tollpatschig wie ich bin, in jemanden herein.

"Oh sorry!", entschuldige ich mich sofort und nehme die Kopfhörer aus den Ohren.
Dann schaue ich meinen Gegenüber an.
Und die Welt um mich herum bleibt stehen.

Ich nehme nichts und niemanden mehr wahr. Ich schalte alles ab.

"Meine Schuld", kommt von gegenüber.

Vor mir steht ein Junge. Ihr denkt jetzt vielleicht, 'okay, ein Junge. Und jetzt?'

Aber es ist nicht irgendein Junge. Es ist der schönste Junge dem ich je begegnet bin. Er ist hübscher als Hendrik. Tausend mal hübscher.

Seine grünen Augen mustern mich. Sein Gesicht ist umrahmt von braunen, etwas längeren Locken. Er ist größer als ich, aber nur fünf, sechs Zentimeter. Ich bin immerhin schon 1,75 Meter.

Als er lächelt, bilden sich kleine Grübchen auf seinen Wangen. Das sieht total süß aus. Dieser Junge ist mir sympathisch. Sehr sympathisch.

Dann unterbricht der Lockenkopf die Stille mit den Worten:

"Ich bin Harry."

Harry. Harry. Harry. Was für ein schöner Name. Ich mag englische Namen total .

Okay, Mia, sag jetzt auch etwas, sonst denkt er, ich habe einen Knall!

"Äh, Mia", sage ich dann leise und reiche ihm kurz die Hand.

Er nimmt sie und hält sie etwas länger fest als nötig.

Seine Hand ist warm und weich. Für einen Jungen hat er schöne Hände.

Diese Momente werde ich nie vergessen. Hätte ich damals gewusst, was diese Begegnung für Folgen hat,... Mia! Höre auf, über das alles nachzudenken! Es zerstört mich doch nur noch mehr. Meine Güte, ich hang noch nie so sehr an jemanden. Noch nie!

Abruptly ➳ Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt