FELIX POV
„Felix." „Was ist?" schaue ich meinen Bruder an und Leo hört auch auf zu erzählen. „Mia und Lenny hatten einen Unfall direkt vor dem Büro." „Was?" höre ich mich und Leo gleichzeitig sagen und sehe, wie er seinen Arbeitsplatz verlässt und mich mitnimmt. Über FaceTime sehe ich aus dem Fenster und kann Polizei, Krankenwagen und mein kaputtes Auto sehen. „Wer wird dort alles rausgezogen?" „Mia, Lenny und die anderen kenne ich nicht." höre ich Leo zu. „Was ist das für ein Auto?" „Ein weißer Polo." und mir wird schlecht. „Sag Becky, dass wir die Termine verschieben." „Dein nächster Auftritt ist erst in zwei Tagen. Wir können los." und ich werfe alle meine Sachen nur in meine Tasche.
Viel zu spät kommen wir in Berlin an und Julian lässt mich am Krankenhaus raus, wo Tommi auf mich wartet. „Warst du schon oben?" „Nein. Sie lassen mich nicht rein, weil wir nicht verwandt sind." „Aber ihr lebt doch zusammen." „Felix ich hab alles probiert." und ich nicke nur, gehe auf den Empfangsbereich zu und frage nach Mia Hansen. „Sie liegt im vierten Stock." und ich deute Tommi an mir zu folgen. „Vierter Stock." „Das ist die Radioonkologie." liest Tommi vor. „Die was?" „Krebsvorsorge." und er wird zum Ende des Wortes immer leiser. ‚Das kann nicht wahr sein.'
Wir kommen auf der Station an und ich sehe eine Schwester, die aus einem der Zimmer kommt und den Kopf schüttelt. „Entschuldigung. Wir würden gern zu Mia Hansen und ihrem Bruder." „Und sie sind?" „Die Lebensgefährten." „Dann aber schnell, eigentlich ist die Besuchszeit schon lang vorbei." und wir gehen zu der Tür rein, aus der sie gerade gekommen ist.
Als ich eintrete sehe ich Lenny auf seinem Bett liegen und mit der Fernbedienung durch die Kanäle zappen, aber Mia ist nirgends zu sehen. „Hey Lenny." „Hi. Haben sie euch noch reingelassen?" „Mehr oder weniger. Wo ist Mia?" „Hier." höre ich eine Stimme hinter mir und drehe mich um. Ihr Gesicht ist blass und ihre Haut fahl. Das Bein ist eingegipst und sie geht mit ihren Krücken zum Bett. „Warum liegt ihr nicht auf einer normalen Station?" setze ich mich zu ihr aufs Bett und ignoriere das knutschen von Tommi und Lenny. „Mia hat sich mit ihrem Rollstuhl mehrmals zu Ali und Jess geschoben und Terror gemacht. Außerdem wird ihr Blut auf Leukämie getestet. Ich darf morgen aber schon wieder raus." „Vielleicht schaffen sie dich morgen auch in einem Sarg hier raus." zischt Mia und zieht sich die Decke über die Brust. ‚Ruhig bleiben. Sie ist gesund und würde das überstehen.' beginne ich mein Mantra und wiederhole es immer wieder.
„Leukämie?" „Ist nur ein Verdacht. Ich hab keine Symptome oder so." Ich nicke nur und streiche ihr über das Haar. „Was hast du sonst noch?" „Gehirnerschütterung, glaube zwei angeknackste Rippen, ein gebrochenes Bein und mein Kreislauf sackt weg. Dafür hab ich das und ärger die Schwestern damit." zieht sie den Schlauch aus ihrer Nase und hält diesen zu, bis es piepst. „Lass das." schüttel ich mit meinem Kopf und kann nicht verstehen, warum sie so entspannt ist.
„Wo liegen Ali und Jess?" „Auf der normalen Station, aber Jess hat wohl mehr abbekommen und musste nach meinem zweiten Besuch verlegt werden." „Und die Polizei?" „War da und hat uns schon befragt, aber ich werde die beiden nicht anzeigen." „Was?" und ich falle von meinem nicht vorhandenen Glauben ab, als ich das höre. „Was geben sie dir, was dich so krass benebelt?" „Nix. Morphium habe ich abgelehnt und die Tabletten sind nicht so krass. Da würde ich lieber einen rauchen." „Mia!" und sie verdreht ihre Augen.
„Wir reden einfach morgen nochmal wegen der Anzeige. Ich bin froh, dass nicht noch mehr passiert ist." und sie nickt. „Dein Auto kann ich dir ersetzen." „Das wird sicherlich die Versicherung übernehmen." „Aber du bist nicht selbst gefahren." „Mach dir darüber keinen Kopf." lächel ich sie an und kann und will sie mir noch nicht ohne Haare vorstellen.
Ein leises klopfen kündigt die Krankenschwester an und wir starren alle zur Tür. „Der Arzt macht nochmal seine Runde und ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn sie noch da wären." „Danke." sagt Tommi, verabschiedet sich von Lenny und ich küsse Mia. „Lässt du mir deinen Pulli da oder kannst du mir morgen was vorbeibringen?" Ich nicke nur und schicke ihr noch einen Luftkuss beim Verlassen des Zimmers. „Du und Luftküsse?" „Lass mich." ignoriere ich den Blick von Tommi.
Die Fahrt zurück mit Lennys Auto ist ruhig und ich gehe mit hoch in Mias Wohnung, packe ihr eine Tasche mit allem was sie braucht und verabschiede mich dann von Tommi. In meiner eigenen Wohnung beantworte ich ein paar Nachrichten und setze mich dann auf die Couch. Um meine Gedanken irgendwie zu ordnen, schreibe ich erst alles auf und nehme mir dann mein iPad und gebe Leukämie bei Google ein.
Erst wird mir erklärt was es ist, wie das Blut aussieht und ich überlege ob Mia in den letzten Monaten vermehrt Nasenbluten hatte, aber kann mich an keine Situation erinnern.
Danach lande ich auf der Seite der Apothekenumschau, aber gehe wieder zurück und finde eine Online Arzt Seite, die alle Informationen aufschlüsselt.
„Mögliche Symptome, Ermüdbarkeit, Hautblässe, verminderte Leistungsfähigkeit." lese ich vor mich hin und überlege ob Mia irgendwas davon hat. „Meist im Alter von 60 bis 70 Jahren. Also eigentlich nicht ihr Alter, aber es kann lang unentdeckt bleiben. Chemotherapie, Strahlentherapie... Fuck." lese ich weiter und werde von verschiedenen Formen der Leukämie aufgeklärt. „Möglichst schnell mit Chemotherapie beginnen." und ich lege das iPad weg. „Nein sie wird nicht krank. Sie ist kerngesund." laufe ich durch meine Wohnung, aber auch die zwei Zigaretten auf meiner Terrasse beruhigen mich nicht.
„Morgen wird alles anders aussehen." gehe ich ins Bad putze Zähne und lege mich danach mit Micha ins Bett. „Nein. Diesmal nimmst du mir nicht das weg, was mir am meisten bedeutet." bekommt der Bär einen kurzen Kuss und ich liege die halbe Nacht wach, bis mich doch die Müdigkeit übermannt.
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Blaue Stunde
FanfictionDie Blaue Stunde ist ein physikalisches Phänomen in der Abenddämmerung. In dieser knappen Stunde nach Sonnenuntergang und vor Eintritt der Dunkelheit ist der Himmel schon tiefblau gefärbt, die Umgebung aber noch vom Restlicht erhellt. Wenn sich Tag...