Kapitel 37 - Fragile

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MIA POV

Ich wache auf, als sich Felix in mein Zimmer schleicht und gegen einen Stuhl läuft. „Scheiße." „Mach doch einfach Licht an." „Ich dachte du schläfst noch." „Nicht wirklich." schalte ich das Licht an und sehe, dass er andere Kleidung als heute früh trägt. „Was hast du vor?" „Nix." setzt er sich auf mein Bett und ich glaube ihm nicht wirklich. „Also ich hab dir ein neues Telefon mitgebracht, deinen Laptop und dein iPad." „Danke, aber ich bleib nicht mehr so lang hier." „Kamen schon neue Ergebnisse?" „Nein. Nur das ich dauernd aufs Klo muss, wegen der Lösung." „Die sollte ich mir mitgeben lassen." Ich lache und stelle das Bett so um, dass ich sitzen kann.

Den restlichen Abend schauen wir Filme und ich werde das Gefühl nicht los, dass Felix heute nicht mehr geht. Als die Nachtschwester vorbeikommt, versteckt er sich im Bad und ich tue so, als wäre ich todmüde. „Morgen wissen wir mehr." schließt sie die Tür und ich nicke nur. „Was soll das?" „Ich schlaf heute hier. Ich muss morgen wieder auf Tour und dann kann ich nicht jeden Abend hier sein." „Ich kann mich eh nicht bewegen." hebe ich das Bein an und er nickt. „Das wird witzig. Du und Krücken in meiner Wohnung." „Du wirst es hassen." schlüpft er unter meine Decke und wir sind uns so nah wie schon lang nicht mehr.

Das mein Herz durch die Nähe auch ein bisschen schneller zu schlagen beginnt, hört man durch das schnellere Piepsen des Monitors. „Ist da jemand nervös?" „Warum sollte ich nervös sein?" „Weiß nicht. Sag es mir." und er versucht sein Gewicht nicht direkt auf meinen Körper zu drücken. Sein Blick ist selbst im Dunkeln zu sehen und ich lege meine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn an mich heran.

„Küss mich." „Tu ich das nicht immer." höre ich seine belustigte Stimme „Ich mein..." „Ich weiß was du meinst." flüstert Felix auf einmal und streift langsam mit seinen Lippen über meine Nase zu meiner rechten Wange und hält kurz vor meinen Lippen an. „Ich liebe dich." schaut er mich an und legt dann seine Lippen auf meine. Mich durchfährt eine wohlige Wärme, die Schmerzen in den Rippen sind kurzzeitig wie weggeblasen, meine Haut unter seiner Berührung kribbelt und ich lege meine Hand in seinen Nacken, streiche durch seine kurzen Haare und will den Kuss nicht enden lassen, aber als das piepen des EKG's zu schnell wird, schaut Felix auf und muss grinsen. „Ich wusste ja das ich echt gut küssen kann, aber die Maschine ist Gold wert." „Du weißt, dass wird nach vorn übertragen?" „Oh." und er kuschelt sich neben mich.

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Erst am Morgen wache ich auf, weil ich das Gefühl habe beobachtet zu werden und als ich die Augen öffne, sehe ich meinen Vater an meinem Bett stehen. „Dad es ist viel zu früh." „Deine Mutter ist bei deinem Bruder, weil Tommi nicht da ist. Ich dachte ich schau hier mal vorbei, aber scheint ja alles in Ordnung zu sein." „Sorry Dad. Felix fährt heute wieder auf Tour und es ist schon schwer genug." „Ich weiß. Ich hol euch einen Kaffee und dann würde ich trotzdem mit dir reden wollen." Ich nicke und merke das Felix langsam erwacht.

„Was ist los?" „Nix. Mein Dad ist da." „Wie?" und ich erzähle ihm von gerade. Gemeinsam machen wir uns fertig und ich warte auf die Rückkehr meines Vaters. Als er mit drei Kaffee und einer Tüte mit Backwaren zurückkommt, sitzen Felix und ich schon gerichtet auf dem Bett. „Ausgeschlafen?" „Aufgehört." antwortet Felix und bekommt einen Kaffee gereicht. „Was ist los?" „Hast du schon Ergebnisse?" „Nein. Heute oder morgen." Er nickt. „Es könnte möglich sein, dass du Leukämie bekommst." „Was?" und ich sehe wie Felix zitternd seinen Becher abstellt. ‚Na klasse.' Er entschuldigt sich kurz und mein Vater schaut ihn verdutzt hinter her.

„Was ist mit ihm?" „Seine Mutter ist an Krebs gestorben und MS stand auch im Raum. Felix ist da sehr sensibel." „Das tut mir leid, aber ich wollte es dir allein sagen. Ich wusste nicht das Felix da ist." „Wie schlimm war die Leukämie?" „Sie ist nie ausgebrochen, aber es hätte passieren können." Ich nicke nur und sehe, wie sich die Tür wieder öffnet.

„Sorry. Ich..." „Es ist alles gut." halte ich ihm meine Hand hin und er ergreift sie. „Papa meinte nur, dass es jemand gab in der Familie, aber die Leukämie ist nicht ausgebrochen." Felix nickt nur. „Es tut mir leid, was mit deiner Mum passiert ist." „Schon gut. An manchen Tagen ist es schlimmer als an anderen." lächelt er und wir warten auf den Besuch des Arztes, aber auch diesmal hat er kein Ergebnis dabei.

Gegen Mittag verabschiedet sich Felix von mir und ich verspreche ihm hoch und heilig mich sofort zu melden. „Ich mag ihn." höre ich meinen Dad sagen und muss schmunzeln. „Er ist nicht mehr so wie früher." „Ich weiß." und auch er verabschiedet sich an diesem Tag von mir. Ich verbringe den Tag mit rumliegen, Bilder und E-Mails bearbeiten und Filme schauen, weil selbst am Nachmittag keine Ergebnisse da sind. Aus langerweile setze ich mich in den Rollstuhl und fahre durch die Gänge, um etwas anderes zu sehen. Als ich an zwei Ärzten vorbeifahre drehen sie sich weg von mir.

„Wir haben die Ergebnisse vertauscht ..." rolle ich weiter und drehe meine Runde. Als ich am Tisch der Schwestern vorbei komme werde ich vom Chefarzt angehalten. „Frau Hansen wir müssen reden." Er rollt mich in mein Zimmer und ich bleibe einfach am Tisch sitzen. „Sie haben keine Leukämie. Ihre Ergebnisse wurden mit einer anderen Patientin vertauscht. Es tut mir sehr leid. Sie dürfen heute gehen oder bis morgen warten." „Ich möchte gern heute gehen. Was sind die nächsten Schritte?" und ich bekomme verschiedene Termine wegen dem Gips und meiner Rippen.

Danach packe ich meine Sachen, rufe meinen Bruder an und humpel mit den Krücken zum Aufzug. Vor dem Krankenhaus wähle ich die Nummer von Felix und erreiche nur die Mailbox.

<Keine Leukämie>

schreibe ich ihm und warte noch 20 Minuten bis mein Bruder und Tommi mich einsammeln. „Willst du zu uns oder bei Felix schlafen?" „Bei Felix. Ich brauch aber noch Lebensmittel." „Ich glaube Felix war einkaufen." Ich nicke und sehe das er anruft.

„Hey." „Wie keine Leukämie?" „Ich bin auf dem Weg nach Hause. Die Blutergebnisse wurden vertauscht." „Das heißt?" „Obwohl Dad heute morgen das mit der Leukämie gesagt hat, hab ich keine. Sonst hätten sie ja was gesagt." und es wird kurz ruhig am anderen Ende. „Mia.. Danke." „Klar. Ich hab doch gesagt ich rufe dich an. Wir sehen uns dann morgen?" „Übermorgen." „Perfekt. Viel Spaß heute Abend."

Als ich endlich allein bin humpel ich mit den Krücken durch die Wohnung und suche nach Plastebeuteln und Frischhaltefolie. „Felix.. im Ernst. Wo versteckst du..." und in der letzten Schublade finde ich endlich die Folie. Gleichzeitig finde ich noch festes Klebeband und gehe in Richtung Bad. Auf dem Badewannenrand setze ich mich hin, lasse Wasser ein und präpariere mein eingegipstes Bein.

Einfach weil ich stolz bin, dass alles wasserdicht ist lade ich ein Bild in meine Instagramstories und lasse mich in das Wasser gleiten.

Von meinem Bruder und Tommi bekomme ich eine lachende Reaktion geschickt und Lena lacht sich auch einen ab.

Mit steigendem Wasserpegel entspanne ich mich und fühle mich nach 20 Minuten neu und frisch. Das rauskommen aus der Wanne gestaltet sich dann doch etwas schwierig und nach einigem fluchen stehe ich wieder auf 1,5 Beinen. Eingepackt in Jogginghose und Pullover koche ich in der Küche von Felix viel zu viel Reis und Curry und hinterlasse die Küche in einem absoluten Schlachtfeld Zustand.

Müde lege ich mich ins Bett und schlafe trotzdem relativ spät ein, werde aber in der Nacht wach, weil ich ein kratzen an der Tür höre. „Fuck." flüster ich leise, such nach meinen Krücken und schleiche aus dem Schlafzimmer in den Flur. Mit steigendem Puls stelle ich mich in den Türrahmen vom Gästebad und warte was passiert. Als die Haustür langsam aufgleitet, stoße ich ein Gebet zum Himmel und nehme eine Krücke, halte sie wie ein Baseball Schläger und mache einen Schritt nach vorn.

„Aua. Samma..." und ich sehe Felix im Flur stehen. „Oh Shit. Ich dachte... ich dachte du wärst ein Einbrecher." „Mit einem Schlüssel?" „Na das hat sich von drin nicht so angehört." schaue ich ihn entschuldigend an und sehe die Lachfalten in seinem Gesicht. „Ich glaube mit der Krücke hättest du keinen in die Flucht geschlagen." „Haha. Wirklich witzig." humpel ich an ihm vorbei und lege mich in das noch warme Bett. Das mir durch die Aktion die Rippen auch wieder weh tun, verschweige ich ihm, als er sich neben mich legt.

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