Kapitel 5

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Nachdem ich meine Gedanken beendet hatte, zog ich mich an und machte mich fertig. Für mich hieß fertig machen, aber nicht fünf Tonnen Schminke ins Gesicht zu klatschen. Nein, ganz im Gegenteil. Ich schminkte mich gar nicht, es gab niemanden für den ich mich schön machen müsste. Ich wurde ja eh nicht wahrgenommen...

Fertig angezogen, ging ich also die Treppen bis zum Speisesaal hinunter. 
Und tatsächlich wurde ich heute nicht von Lisa geweckt. 
Das hieß, dass ich auch rechtzeitig zum Frühstück kam. Ich persönlich glaubte ja, dass Teresa Lisa beauftragte mich jeden Tag mit einem Eimer Wasser, zu wecken. Dafür würde Lisa dann 50€ mehr Taschengeld bekommen. 
Einfach, weil Teresa mich hasste. Ich wusste zwar nicht warum, aber interessieren tat es mich nicht wirklich. Ich könnte es doch eh nicht ändern. Warum also damit beschäftigen? 

Als ich im Speisesaal angekommen war, kam Teresa nicht auf mich zu gestampft. Nein, es war ruhig. Zu ruhig. Lisa war nicht da, deswegen war es also so ruhig. 
Ich bekam eine Schüssel mit Haferbrei und fing an, den nicht wirklich appetitlich aussehenden Haferbrei zu essen, doch plötzlich wurde die Tür laut aufgestoßen und eine wütende Lisa betrat den Raum. Sie sah mich hasserfüllt an.
Nach einigen Sekunden, in denen sie mich nur anschaute, hellte sich ihr Gesicht kaum merklich auf. Sie kam auf mich zu, nahm das Glas Wasser, welches vor mir stand, in die Hand und kippte es über mich. 

Alle lachten. 

Der Speisesaal war komplett voll und jeder von ihnen blickte mich an. Manche Blicke waren spöttisch, andere mitleidig und andere sahen mich ohne Emotionen an. Lisa lachte laut los.

,,UPS, das ist mir wohl ausgerutscht", sagte sie und hielt sich gespielt geschockt die Hand vor ihren Mund. 

Ich wurde wütend. Sehr wütend. Was um Himmelswillen hatte ich ihr getan? Ich war immer ruhig, hatte sie nie geärgert. Was hatte sie also gegen mich? Eigentlich sollte es mich nicht interessieren, aber es interessierte mich eben. Und zwar brennend. Ich wollte es wissen. 
Jetzt! 
Ich nahm also Stift und Zettel von der Theke, setzte mich wieder auf meinem Platz und schrieb die Fragen auf das Blatt, die ich mir gerade stellte. 

Warum hasst du mich so?
Wofür war das jetzt? 
Was habe ich dir getan?

Sie las alle Fragen laut vor und lachte am Ende laut los. 
Was lachte sie denn jetzt? 
Das waren ernst gemeinte Fragen! Jetzt schaute nicht nur ich sie so verwirrt an, sondern auch die restlichen Leute, die im Speisesaal waren. Ich riss ihr den Zettel aus der Hand und fragte sie, was daran jetzt so lustig sei.

,,Du denkst, dass ich dich hasse?", fragte sie, ohne jegliche Gefühle zu zeigen. Ich nickte. 

,,Nun, das stimmt. Aber ich habe einen Grund. Einen sehr guten Grund." 

,,Ich werde ihn dir aber nicht erzählen." 
Dann grinste sie. 

,,Weil du es nicht verdient hast, dass jemand mit dir redet. Du hast es nicht verdient, dass dich auch nur jemand ansieht. Du hast es nicht verdient zu leben. Du verdienst nichts. Du bist ein Niemand. Ein Nichtsnutz." 
Am Ende schrie sie mich an und ihre Augen schauten mich durchdringlich an. Unsere Augen waren ineinander verhakt, bis ich den Blick sank und an ihr vorbei ging. 
Ich konnte ihr glückliches Lächeln hinter mir spüren. Konnte ihren Blick auf meinem Rücken fühlen. Ich nahm ihren Triumph wahr. Wie gesagt, ich konnte mich doch gar nicht wehren. 
Zu viele Konsequenzen würde es mit sich bringen. Zu viele Nachteile. 

In meinem Zimmer angekommen, zog ich mich weder um, noch trocknete ich mich ab. Es würde doch eh nichts bringen. 
Und so setzte ich mich auf die Fensterbank, wartete, dass meine Kleidung trocknete, dass meine Tränen versiegten, und legte meinen Blick auf die Stadt und all die Menschen, die von hier oben so klein schienen...

Ich wusste, dass ich das alles nicht verdient hatte. 
Ich wusste es. 
Sie musste es mir nicht sagen, denn ich hatte es schon längst eingesehen und verstanden. Ich wusste, dass ich ein Niemand war. Ich wusste, dass ich es nicht verdient hatte zu leben. 
Genau deshalb würde ich mein Leben heute beenden. Würde die anderen endlich nicht mehr belästigen und nerven. 
Immerhin hatte ich 10 Jahre ohne Liebe, ohne Familie durchgestanden. 
Ich hatte 10 Jahre lang gekämpft. Länger als genug. Zu lang. 

Ich, Aylin Weesterhof, würde mir heute mein Leben nehmen. 
An meinem Geburtstag. 

Prinzessin der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt