Kapitel 40

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,,Pass auf dich auf." Sie hatte Angst. Angst um mich.

,,Mach ich." Ich sprach wieder. Es gab keinen Grund mehr es nicht zu tun. Ich war nicht Schuld an dem Verschwinden meiner Eltern, also musste ich mich auch nicht mehr bestrafen.

,,Soll ich wirklich nicht mitkommen?"

,,Nein, ich muss das alleine herausfinden." Frau Coopbeer nickte.

**************

Mein Herz pochte ungewöhnlich schnell. Mein Atem war laut, doch versuchte ich diesen so leise wie möglich zu halten. Meine Zunge schmeckte die salzigen Tränen, die ich verloren hatte. Mein ganzer Körper schwitzte. Mein Mund brachte kein Wort heraus. Nur leises schluchzen. Leises Wimmern. 

Ich konnte nicht glauben was dort stand. Konnte nicht glauben was in dem Tagebuch meiner Mutter stand.

Wie konnte man nur so grausam sein? So herzlos? Und wie konnte ich mit diesem Menschen verwandt sein?

Ich musste mein eigenes Kind weggeben

Anfangs dachte ich, dass sie damit mich meinte. Doch dem war nicht so.

Es war schlimm. Er war noch so jung. Gerade einmal ein paar Monate alt. Und doch ist er schon alleine

Das war nicht ich.

Er heißt Lucian

Ich musste ihn in die Menschenwelt schicken. Ich habe ihn in ein Gebüsch gestellt. Was bin ich nur für eine schreckliche Mutter?

Ich habe gehört, dass Aylin ihn gefunden und zu Teresa gebracht hat. Dort wird er sicher sein. Dort wird es ihm gut gehen. Da bin ich mir sicher.

Ein Foto war in dem Buch. Ein Foto von einem Baby. Das Foto zeigte Lucian.

Ich musste ihn weggeben. Ich durfte ihn nicht bei mir behalten. Es ist nicht nur schlecht für unseren Ruf sondern auch schlecht für ihn. Jetzt ist er in Sicherheit. Ich hoffe, dass wir das Schlimmste schon hinter uns haben.

Das schlimmste war, dass das Kind, was auf dem Bild zu sehen war, das Baby war, welches ich im Gebüsch gefunden hatte. Der Junge war mein Bruder. Meine Familie.
Ich hatte meinen Bruder nicht gerettet, sondern in den Abgrund geschubst. Ihn geradewegs in den Untergang geführt. So, wie es meine Eltern bei mir gemacht hatten. Ich war ein Monster.

Er ist nicht außergewöhnlich. Er wird keine Kräfte haben. Er wird niemals ein Element haben, welches er beherrscht. Er ist ohne Kräfte auf die Welt gekommen. Als das erkannt wurde, wurde er mir weggenommen.  Ich durfte ihn nur wegbringen.
Ich hatte mich gewehrt. Hatte geschrien, dass ich ihn nicht weggeben würde. Ich hatte gelitten, doch mein Ehemann hat mich nicht unterstützt. Er war dafür, dass wir unser Kind weggeben.
Er hat mir zwei Kinder genommen.
Hat mich zweimal leiden lassen.
Zweimal.
Zweimal hat er mich in den Abgrund geschubst und mir nicht herausgeholfen.

Mein Vater war hier der Böse. Nicht meine Mutter. Sie hatte sich für uns eingesetzt. Hatte uns versucht zu beschützen, doch war sie zu schwach. Zu schwach um etwas bewirken zu können, so wie ich.

Ich war zwar in meinen Gedanken, doch konnte ich trotzdem das leise Knarren des Laminats hören. Jemand kam und als ich mich herumdrehte, erkannte ich auch schon wer. Sie sah nicht sauer aus, eher erschüttert. Und als sie ihren Mund öffnete, um etwas zu sagen, wusste ich was kommen würde.

,,Was machst du hier?" Sie schrie nicht. Es war ein leises Flüstern. Ein Flüstern was kaum jemand gehört hätte, doch hatte ich es gehört. Hatte ihren Schmerz aus diesen vier Wörtern heraus hören können.

,,Ich musste etwas herausfinden." Ich hatte inzwischen aufgehört zu weinen. Ich wollte nicht, dass sie sah wie schwach ich doch war.

,,Was genau?"

,,Warum hast du mir nicht erzählt, dass ich noch einen Bruder habe?" Ich beantwortete ihre Frage mit einer Gegenfrage.

,,Wie hätte ich es dir erzählen sollen?" Sie hatte Tränen in den Augen. Sie war innerlich auch schon am Ende. Ich verstand sie. Das tat ich wirklich.

,,Ich weiß nicht."

,,Denkst du, es geht ihm gut?" Sie fragte sich wie Teresa ihn behandelte. Da war ich mir sicher.

,,Ja" Das dachte ich nicht. Ich wollte nur nicht, dass sie noch verzweifelter werden würde. Dass es ihr noch schlechter ging.

,,Ich..  Aylin.... Ich kann das einfach nicht mehr. Ich bin am Ende." Sie weinte, ihre Augen waren gerötet und ihre Wangen hatten eine rosige Farbe angenommen. Sie hatte schon wirklich viel durchgemacht. Sie wollte endlich ihr Glück. Ihre Ruhe. Im Prinzip wollten wir beide dasselbe: unseren Frieden, unsere Familie.

,,Ich hab eine Idee."

,,Was für eine?"

,,Wir holen ihn da raus. Ich weiß auch schon wie." Wir mussten ihn da raus holen, damit es ihr wieder besser ging. Damit es ihm nicht so wie mir ergehen würde.

,,Wie willst du in die Menschenwelt gelangen? Du kannst dich nicht teleportieren und wenn ich jemanden von hier bitten würde dies zu tun, würde man es deinem Vater erzählen." Sie wirkte verzweifelt.

,,Ich kenne da jemanden, der uns bestimmt helfen würde."

,,Wer?"

,,Ariana. Sie hat mich auch zur School of Elements gebracht. Wir können ihr vertrauen." Ich musste meinen Hass ihr gegenüber einfach besiegen. Das hier war tausend mal wichtiger.

,,Gut. Wir müssen uns aber beeilen.  Wir haben nicht viel Zeit." Sie wirkte nervös, doch sah man ihr an, dass gerade ein riesiger Hoffnungsschimmer in ihr steckte.

Ich hatte auch Hoffnung. Hoffnung, dass sie noch glücklich werden könnte. Dass meine Mutter ihren Frieden im Leben finden würde.

Prinzessin der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt