Kapitel 56

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Ariana:

Was hatte ich nur getan?
Wegen mir musste sie gerade Schmerzen erleiden.

,,Es geht schon." Sie drehte sich zu mir um. Ich hielt ihr noch immer die Haare. Unter ihren Augen waren Augenringe zu sehen. Man sah ihr an, dass es ihr nicht gut ging. Jeder sah es.
Jeder außer ich. Ich hatte es nicht bemerkt.

,,Es geht wieder, Ariana. Wirklich." Müde schaute sie mich an. Wollte aufstehen.

,,Bleib sitzen." Eingeschüchtert schaute sie zu mir hoch.

,,Falls... du weißt schon."
Sie wusste, was ich meinte. Sie wusste, dass ich mir nur Sorgen um sie machte.

,,Mhh...hast Recht." Sie drehte sich wieder zu der Kloschüssel und hielt ihren Kopf erneut darüber. Erneut musste sie sich übergeben. Und das nur, weil ich ihr das Gefühl gegeben hatte, dass sie essen musste.
Es war zu viel für ihren Körper.
Das hatte ich nicht gemerkt.
Das war mir einfach nicht aufgefallen.

Wie dumm von mir.

,,Es geht wieder. Ich bin... leer." Sie stand auf. Ich ließ sie.

,,Komm. Ich bring dich zu deinem Zimmer." Nickend hielt sie sich an meinem Arm fest.

,,Es tut mir leid. Ich wollte nur, dass du ein bisschen zunimmst. Ich habe dabei völlig vergessen, dass du das noch garnicht schaffst."

,,Ist ja zum Glück nichts Schlimmes passiert." Doch. Das war es. Aber sie merkte es nicht.

,,Es hätte nicht passieren dürfen." Ich schaute sie an.

,,Ariana, es ist nunmal passiert. Und das ist weder schlimm, noch gefährlich. Also ist alles gut. Und jetzt lass mich bitte allein und hör auf, dir die Schuld dafür zu geben. Das war immerhin allein meine Entscheidung." Schlaff ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Ich stand in der Tür.

,,Aber-"

,,Das war ein Befehl, Ariana."

,,Verstanden... Prinzessin." Dass während ich dies sagte, sich meine Brust zusammenzog und mein Herz schmerzte, versuchte ich zu verbergen.

Ich dachte, wir wären mittlerweile Freunde.
Ich hatte falsch gedacht.
Hatte alte Fehler vergessen.
Und plötzlich überkamen mich Erinnerungen.
Erinnerungen, die ich verdrängen wollte.
Die mich geprägt hatten.

Ariana
Nein. Nicht diese Erinnerung!

Dachtest du etwa wirklich, dass wir Freunde sind?
Höhnisch hatte sie mich ausgelacht. Alle anderen auch. All diejenigen, von denen ich geglaubt hatte, dass sie meine Freunde seien, lachten mich aus.

Wie kamst du nur auf diese absurde Idee?
Ich wusste es nicht. Ich hatte mir einfach jemanden gewünscht, der mir zuhört.

Dachtest du wirklich, dass wir auf dein Niveu herabsinken würden?
Ja. Das dachte ich wirklich.

Wie konntest du?
Wie konnte ich nur?

Gut, dass das nun endlich vorbei ist.
Knieend saß ich vor ihr. Mein Gesicht war Tränen überströmt.

Briaaan, ich würde gerne das bekommen, was mir zusteht.
Spöttisch hatte sie mich angeschaut.
Der ganze Schulhof war voll mit Schülern. Alle hatten zugeschaut.

Meinen Wetteinsatz
Sie hatte mich währenddessen angeschaut. Hatte mir meine letzte Hoffnung genommen.

Welcher Wetteinsatz?, hatte ich sie damals gefragt. Hatte mich noch mehr blamiert.

Der hier.
Lachend hatte sie mir einen Lipgloss gezeigt. Das war ihr unsere Freundschaft wert.

Aufeinmal hörten die Qualen auf und ich hörte einen markerschütternden Schrei.

Aylin!

Sofort war meine Trauer vergessen und ich rannte zu ihr.
Mein Atem ging schnell. Nicht vor Anstregung, nein, vor Angst.
Ich wusste nicht, was ich tun würde, wenn Aylin etwas passieren würde.
Ich wollte es nicht wissen. Ich wollte erst garnicht, dass Aylin etwas zustößt.

Mittlerweile war ich in ihrem Zimmer angekommen. Hatte achtlos die Tür aufgerissen.

Da lag sie. Schweißgebadet in ihrem Bett. Die Augen waren weit aufgerissen. In ihren grünen Augen war pure Angst zu sehen. Schock.

,,Was ist passiert?" Sie schien mich nicht zu bemerken. Schien mich nicht zu hören. Langsam ging ich zu ihrem Bett.

,,Hey, alles okay?" Ihre Augen wanderten zu mir. Erleichtert hatte sie ausgeatmet, als sie mich entdeckt hatte.

,,Ich... ich.." Verzweifelt hatte sie sich ihre Haare gerauft. Einzelne Tränen des Schockes fielen auf die schwarze Bettdecke. Ihr graues Nachthemd hatte auch schon einige Tränen abbekommen.

,,Hey, du musst mir nichts erzählen, wenn du nicht willst." Ich setzte mich auf ihr Bett. Tröstete sie, indem ich sie umarmte, sie nicht allein ließ. Mehrere Stunden blieben wir in der selben Position.

,,Danke.", sagte sie nach einer Weile der Stille. Ich schaute sie kurz verwundert an.

,,Keine Ursache. Ich bin immer bei dir."
Sie schaute zu mir hoch. Lächelte. Umarmte mich fester. Ich sah ihr in die Augen. Sie glitzerten. Sie hatten Lebensfreude in sich. Etwas, was ich noch nie bei ihr gesehen hatte.

,,Weißt du, ich habe all die Jahre geglaubt, dass ich niemals eine Freundin haben würde. Dass jeder Mensch so wie Lisa ist. Dass die Menschheit es nicht verdient hat zu leben. Aber du, du hast mich eines Besseren belehrt. Du hast mir das Gegenteil bewiesen. Und dafür danke ich dir. Von ganzem Herzen.
Danke. Freundin."
Sofort strahlte ich und umarmte sie.
Sie hatte es verstanden. Hatte endlich gemerkt, dass es auch anders sein konnte. Dass es auch andere Menschen gab.

,,Klar. Freundin." Ihre Arme schlungen sich erneut um mich. Ihr Kopf bettete auf meinem Schoß. Ein glücklicher Gesichtsausdruck war in ihrem Gesicht zu erkennen. Ich war ebenfalls glücklich. Sie fand, dass wir Freunde waren. Meine Angst war somit unbegründet gewesen. Mein Kummer war unnötig gewesen.
Doch das war nicht schlimm. Nein, tatsächlich war ich froh darüber.

Sehr froh.

Und so verbrachten wir noch eine Weile. In Gedanken.
Arm in Arm. Ich bei ihr. Sie bei mir. Zusammen. Bei meiner Freundin.

Ich musste unwillkürlich lächeln, als ich realisierte, dass wir nun wirklich Freunde waren. Auch von ihrer Seite aus.

Alle Sorgen waren vergessen. Dass sie gerade noch einen Albtraum hatte, schien plötzlich unwichtig.
Mit einem Mal bekam ich Hoffnung.
Hoffnung, dass unser Plan funktionieren könnte. Dass wir zusammen alles schaffen könnten.
Vielleicht würde es so sein.
Es wäre toll.

Doch wer konnte schon wissen, ob es so sein würde?
Wer konnte schon wissen, dass sich alles ganz plötzlich ändern würde?

Prinzessin der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt