Kapitel 22

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,,Aylin, du wirst immer besser. Ich bin wirklich stolz auf dich." Ich nickte meiner Form- Lehrerin zu.

Ich verstand nicht wirklich, warum ich die beste Schülerin meines Jahrgangs war. Immerhin waren die anderen Schüler mit so etwas aufgewachsen.
Sie kannten all die außergewöhnlichen Pflanzen und Kreaturen.
Ich nicht.
Sie kannten all die Voraussetzungen.
Ich nicht.
Und sie kannten all die Vorgehensweisen.
Ich jedoch nicht.

Jedenfalls hatten wir gerade eine Aufgabe bekommen, welche für mich sehr leicht war, für die anderen jedoch nicht:
Wir mussten eine Kugel aus Wasser  bilden und diese dann zerteilen.

Ich war jedoch die Einzige, die diese Aufgabe gemeistert hatte, weshalb ich von einigen eifersüchtig, misstrauisch und auch hasserfüllt angeschaut wurde. Und das, obwohl wir uns nicht einmal kannten. Obwohl sie nicht wirklich einen vernünftigen Grund dazu hatten. Doch das war nunmal aus unserer Menschheit geworden. Traurig. Seltsam.

***************

,,Hey Aylin. Warte mal!"
Ich ignorierte sie und ging einfach weiter.
Sie sprach mich schon seit einigen Tagen an.
Mehrmals.
Jedoch ignorierte ich sie oft. Wie gesagt, ich brauchte keine Freunde. Ich war nur hier, um zu lernen, wie man das Wasser bändigte.
Mehr nicht.

,,So, jetzt hab ich dich." Sie hatte mich eingeholt und versperrte mir den Weg.

,,Ha, ich bin schneller als du."
Am Ende ihres Satzes streckte sie mir ihre Zunge raus.
Seeehr Erwachsen.
Hust *Nicht* Hust

,,Alsoooo, was machen wir jetzt?"
Ich schaute sie nur kurz an. Dann schaute ich mich desinteressiert um.
Antwortete nicht.

,,Das ist eine sehr gute Idee.
Ja gut, dann ist es beschlossen.
Wir gehen ins Gehege." Am Ende stieß sie ihre Hand euphorisch in die Luft.

Ich ging an ihr vorbei. Sie folgte mir.

,,Ok, ich merk schon, du willst nicht ins Gehege."
Das stimmte nicht, ich liebte das Gehege. Die vielen, für mich, unbekannten Tiere waren einfach einzigartig, jedoch wollte ich nicht mit ihr dort hingehen. Wollte nicht, dass sie die Ruhe zerstörte.

,,Na gut, dann gehen wir halt in dein Zimmer und lernen uns besser kennen. Ja das ist gut, das machen wir."
Nach ihrem letzten Satz, nahm sie meine Hand und zog mich hinter sich her.
Dabei ging sie in die völlig falsche Richtung. Ich beobachtete sie schmunzelnd.
Nach einigen Minuten, in denen wir durch die Schule geirrt waren, schien sie zu bemerken, dass sie keine Ahnung hatte, wo sich mein Zimmer befand.

,,Ähmm, weißt du das ist jetzt echt witzig. Alsooo....ich habe keine Ahnung, wo dein Zimmer ist."
Sie kratzte sich verlegen am Nacken.
Man sah ihr an, dass sie nervös war.
Warum das denn?
Ich musste wieder schmunzeln. Nur war es diesmal deutlicher als eben.

,,Hey! Das ist nicht witzig!" Man merkte jedoch, dass sie sich das Lachen verkneifen musste und als ich in ihre Augen schaute, sah ich einen Funken von Triumph. Hoffnung.
Nein.
Nein, wir könnten nicht befreundet sein.

Du hast Freunde nicht verdient, Aylin. Solltest du dir merken, ansonsten werde ich persönlich dafür sorgen, bedrohlich hatten mich Teresas Augen angeschaut. Mich, ein Mädchen, das gerade einmal 8 Jahre alt war und sich Freunde mehr als alles andere wünschte. Und als ich mich ihrem Befehl, ihrem Hinweis, widersetzt hatte, zeigte sie es mir. Brachte mir bei, dass ich keine Freunde verdient hatte.

Schmerzhaft hatte sie es mir beigebracht. Schmerzhaft habe ich noch heute ihre Stimme im Kopf und ihr Gelächter auf meine schmerzerfüllten Schreie.

Teresas Strafen waren eher selten gewaltsam. Sie bevorzugte es nicht, mich zu schlagen.
Viel eher erfreute sie sich über meine Tränen, die sie mir zufügte, indem sie mir seelisch wehtat.
Mir seelische Schmerzen zufügte. 

Die vielen Erinnerungen überkamen mich, fesselten mich vollends und blendeten alles aus.

Nur noch ganz leicht bekam ich nach einigen Minuten mit, wie Klea mich anstubste und dann lachte.

Dann nocheinmal.
Solange, bis ich hochblickte und aus meiner Starre gerissen worden war.

Wiederholt lachte sie und schien nichts von meiner Abwesenheit bemerkt zu haben. 

,,Na los, zeig mir, wo dein Zimmer ist. Hop Hop, wir haben nicht ewig Zeit."

Und dann wurde ich wieder Ernst und schüttelte den Kopf.

Nein, das kam nicht Infrage.
Es war zwar wirklich amüsant mit ihr gewesen, jedoch wollte ich keine Freundin und erst recht keine, welche vermutlich dazu gezwungen wurde.
Ich brauchte Gewissheit. Jetzt!
Also ging ich an ihr vorbei, dabei ignorierte ich, dass sie mir folgte.

***************

,,Warum denkst du das, Aylin?", fragte mich Frau Coopbeer. Ich war direkt hierher gestürmt.
Klea wartete draußen vor der Tür.

Weil sie sich plötzlich für mich interessiert.

,,Na und? Aylin, sie möchte dich allem Anschein nach, kennenlernen. Ist das etwa verboten?"

Sie verstehen es einfach nicht

,,Was verstehe ich nicht, Aylin?"

Ist schon gut

,,Nein, ist es nicht. Erzähl's mir." Am Ende lächelte sie mich, wie schon so oft, an.
Ich war mir nicht sicher.
Sollte ich ihr wirklich erzählen, warum ich so an Klea zweifelte? Warum ich so sehr an der Tatsache zweifelte, dass sich jemand für mich interessierte?
Ich wusste es nicht.
Anscheinend hatte Frau Coopbeer meine Unsicherheit bemerkt, da sie nun versuchte auf mich einzureden.

,,Natürlich musst du nicht. Ich zwinge dich zu nichts. Aber wenn du dir etwas von der Seele reden möchtest, bin ich immer da. Hörst du?"
Ich nickte und hatte meinen Entschluss gefasst.
Ich wollte doch Antworten haben und dafür müsste ich eben auch was erzählen.

Wissen Sie, ich hatte ganze 10 Jahre lang im Waisenheim gewohnt und niemals hatte mich jemand angesprochen. Höchstens um mir Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Das war's.
Sie müssen mich verstehen.
Sie müssen verstehen, dass ich an mir zweifle.
Und sie müssen auch verstehen, dass ich an der Menschheit zweifle.
Ich kann nun mal niemandem vertrauen

,,Ich verstehe dich, jedoch bist du nicht mehr im Waisenheim. Du kannst hier ein neues Leben beginnen."
Ich nickte nur.
Und wenn ich das gar nicht wollte?
Gar nicht verdiente.
Was dann?
Dann würde ich eben kein neues Leben beginnen.
Nein, ich würde dieses Leben bis zum letzten Atemzug durchziehen.
Nicht unterbrechen.
Nicht mal durch Selbstmord, durch Frieden. 

Prinzessin der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt