Kapitel 55

477 34 5
                                    

Fröhlich beobachtete ich die Schneeflocken, die zu Boden fielen.

Winter.

Er ist atemberaubend. Unglaublich. Einzigartig.

Ich liebte ihn.
Liebte die Kälte.
Den Schnee.
Den Geruch, den man im Winter immer roch.

Dieser Geruch nach Kälte. Leicht nach Zimt.
Dieser Geruch, der einem das Gefühl gab, dass es genug Luft zum Atmen gab. Dass man nicht ersticken konnte.
Dass jeder es wert war zu atmen.

Ich liebte es zu sehen wie der Schnee alles bedeckte. Wie alles nach unbeschriebenem Papier aussah.

Ich liebte das Geräusch, wenn man in den Schnee trat und somit das Blatt bemalte. Abdrücke hinterließ.

Ich liebte es. Es ließ mich eine kurze Zeit lang vergessen und mich wohlfühlen.

Ich lächelte.

Und mit einem Mal hatte ich das Verlangen nach draußen zu gehen. Die frische Luft einzuatmen.

Ich zog mir also eine dicke Jacke an und rannte schon fast aus der Tür des Hotels.

Draußen angekommen drehte ich mich einmal im Kreis und lachte.
Genoss den Moment.

Genieße ihn. Lange wirst du ihn nicht mehr haben.

Ich ignorierte sie. Alle Probleme waren vergessen.

Erfreut, dass ich mich in diesem Moment unbesiegbar fühlte, streckte ich meine Zunge raus und versuchte Schneeflocken zu fangen. Sie zu schmecken.

Versuchte das nachzuholen, was ich alles verpasst hatte. Ich hatte noch nie zuvor versucht Schneeflocken zu essen. Hatte noch nie zuvor einen Schneemann gebaut. Noch nie zuvor den Himmel angelächelt.

Selbst, wenn ich es vor meinem sechsten Geburtstag getan hatte, konnte ich mich nicht daran erinnern.

Und wie sollte ich wissen, wie etwas ist, wenn ich mich nicht mehr erinnern konnte?
Meiner Meinung nach hatte ich es dann nicht gemacht.

Ganz simpel.

Und so holte ich fehlendes nach. Zeigte der Welt, dass auch ich lachen konnte. Dass auch ich die Zeit genoss. Dass auch ich manchmal glücklich war und die Zeit schätzte.

*******************

Warum?
Warum war ich im einen Moment so glücklich und im anderen so unendlich traurig?

Warum fühlte ich mich ständig als würde ich bald ertrinken?

Warum hatte ich ständig diesen schweren Druck auf meiner Brust.

Warum?

Ich wusste die Antwort nicht. Ariana fragen, wollte ich nicht. Doch trotzdem quälte mich die Ungewissheit. Trotzdem quälte mich das Gefühl anders zu sein.

Vielleicht war es mein Schicksal. Vielleicht hatte ich einen Weg, den ich nicht ändern konnte. Egal, wie sehr ich es auch wollte.
Mein Schicksal war es, anderen Leuten zu helfen oder ihnen Schmerzen zu bereiten. Mein Schicksal war es, niemals glücklich zu werden. Tiefe Narben im Inneren zu tragen.
Das war nunmal mein Schicksal. Ein Schicksal, welches ich nicht ändern konnte. Welches niemand ändern konnte. Weder mein Vater, noch Ariana.
Das war schon immer so. Es war voherbstimmt, dass ich bei meinen Selbstmord-Versuchen nicht sterben würde. Dass ich Schmerzen bis zum Ende erleiden sollte.
All das und vieles mehr war vorherbestimmt.

Was wohl alles noch bestimmt für mich war?

Was mich alles wohl noch weinen lassen würde?

Wie ich wohl sterben würde?

Prinzessin der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt