𝐺𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑠𝑡𝑒𝑟

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„Als ich so alt war wie ihr, dachte ich auch, ich könnte die Welt erobern. Dass es völlig egal ist, was ich auch tue. Ich würde es nie bereuen.“, „Aber dann kann es sein, dass dich irgendwas völlig aus der Bahn wirft.“ Sie drehte sich zu mir um. „Ja. Und es ist nicht so schlimm, wenn du deine Arbeit verlierst oder wenn du aus deiner Wohnung fliegst. Ihr setzt hier euer Leben aufs Spiel.“, „Glauben Sie wirklich, das wäre uns nicht bewusst?“ Ich ging auf sie zu, „Ich kann zwar nicht für alle sprechen, aber mir ist es egal, ob ich hier drauf gehe oder nicht. Ich habe keinen Partner, der mich liebt und auf mich wartet. Ich habe keine Eltern, die sich um mich sorgen. Mir bleibt nur mein Bruder, aber wie Sie wissen ist seine Lebenserwartung selbst auch nur noch sehr gering. Was hätte ich also zu verlieren? Entweder führe ich ein super Leben mit reichlich Kohle oder ich sterbe. Beides ist mir recht. Jetzt setzen Sie sich wieder.“ Ich deutete wieder auf die Stühle.

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Wir schwiegen und das eine lange Zeit. Ich wurde selber ungeduldig und fing an mir nervös auf der Lippe herum zu beißen. Ich hörte schritte und stand auf, jedoch kam Nairobi und das alleine. „Alison ist abgehauen und versteckt sich irgendwo.“, „So weit weg kann sie nicht sein.“, „Tokio und Rio suchen schon nach ihr.“, „Dann such du auch“, zischte ich leise und wandte mich wieder Raquel zu. Ich lächelte kurz gespielt und nahm neben ihr Platz, „Lucía.. Ohne dieses Mikrofon werden sie nicht wissen, ob es mir gut geht.“, „Wieso sollte die Polizei stürmen? Wenn es danach geht, hättet ihr das genauso gut schon gestern oder vorgestern tun können.“, „Folgendes.. Wenn wir ein Massaker verhindern wollen, dann muss ich hier raus. Egal ob mit oder ohne Lebensbeweise, klar?“ Die Inspectora stand auf und ging ein paar Schritte Richtung Tür, blieb aber stehen, als sie das Laden meiner Waffe hörte. „Mein Befehl lautet, Sie nicht raus zu lassen. Also hinsetzen.“ Sie sah mich verzweifelt an. „Hinsetzen!“, ermahnte ich sie lauter, woraufhin sie wieder Platz nahm. Kurz darauf kamen Tokio und Rio dann auch endlich mit Alison. „Alison, geht es dir auch wirklich gut?“ Sofort stand sie auf. „Ja..“, „Wir haben nicht viel Zeit, wenn-“, „Shhht. Dafür haben wir keine Zeit, raus mit ihnen, aber schnell“, unterbrach ich Raquel und sah zu Tokio und Rio, „Bringt sie raus.“

„Du Miststück.“ Als Raquel schon weit genug weg war, zog ich Alison am Kragen zu mir. „Du hättest fast dafür gesorgt, dass wir alle sterben. Bleib doch das Mobbingopfer der anderen. Angst und Trauer stehen dir viel besser im Gesicht, als dieser aufgezwungene Mut.“, „Nagasaki.“ Nairobi zog mich zurück, „Das bringt jetzt auch nichts mehr.“

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Die Geiseln waren wieder auf ihren Plätzen, die Inspectora war draußen und die Polizei drohte somit nicht mehr damit, die Banknotendruckerei zu stürmen. Wir hatten uns derweil im Gemeinschaftsraum versammelt, selbst Berlin war dabei, der sich wieder gesammelt hatte. 

„Also Leute. Ich habe ernsthaft nachgedacht und möchte euch um Verzeihung bitten, weil ich nicht von Anfang an ehrlich zu euch war. Die Inspectora hatte recht. Ja, Nagasaki und ich sind Geschwister und ja, ich leide an einer gefährlichen Krankheit, die ziemlich beschissen ist... und meine Tage sind bereits gezählt, aber ich will nicht das ihr deswegen traurig seid.“ Berlin strich mir kurz über den Kopf und holte dann Gläser aus dem Schrank. „Und ich will auch nicht euer Mitleid. Schließlich leidet an dieser Krankheit nur einer von 100.000. Und das macht mich ja zu was ganz Besonderem. Aus diesem Grunde möchte ich euch dazu einladen, mit mir zu feiern." Er schüttete in die Gläser jeweils einen Schluck Tequila. „Rio?“ Er schüttelte den Kopf, weswegen ein Glas wegfiel. „Nagasaki?“ Ich nickte nur zögerlich. „Irgendwann sterben wir alle.“ Berlin griff sich ein Glas. „Darauf möchte ich mit euch trinken... Dass wir noch alle am Leben sind und dass unser Plan weiterhin, wie am Schnürchen läuft.“ Berlin fing an zu lachen und steckte Denver damit an, auch der Rest konnte sich zumindest ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Auf das Leben!“ Wir nahmen jeweils uns ein Glas zur Hand und hoben es an. „Und auf den Plan.“ Mit einem Schluck war das Glas leer, aber die Stimmung blieb ziemlich bedrückt.

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Die anderen waren wieder arbeiten, während meine ich meine Ruhepause hatte. „Du solltest wirklich die Augen zu machen.“ Berlin ließ mich nicht ohne ein bisschen schlaf raus. „Ich bin keine fünf mehr“, murrte ich leise und starrte die Decke an, „7 Monate..“ Berlin wandte den Blick von mir ab und ging auf das Aquarium zu. „Ich möchte in der Zeit etwas unternehmen. Etwas Schönes. Mit allen zusammen.“ Ich rollte mich auf den Bauch und sah über die Armlehne zu ihm rüber. „Allen zusammen?“, „Familie..“, stellte ich kurz klar und setzte mich auf. „Und du möchtest zusehen, wie dein großer Bruder langsam die Kontrolle über seine Muskeln verliert? Willst du mich füttern und mir den Arsch abwischen?“, „Mag vielleicht nicht das Beste sein, aber-“, „Ich werde nicht so sterben. Lieber soll mich ein Polizist erschießen, als dass ich so sterbe..“ Er ließ seinen Blick auf das Aquarium gerichtet und holte tief Luft. Stumm legte ich mich wieder hin, legte meine Hände auf meinen Bauch und sah wieder die Decke an.

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𝔸𝕞𝕠𝕣𝕖 𝕍𝕖𝕣𝕕𝕒𝕕𝕖𝕣𝕠 || ᴴᵃᵘˢ ᵈᵉˢ ᴳᵉˡᵈᵉˢ ᶠᶠWo Geschichten leben. Entdecke jetzt