1 𝑀𝑖𝑙𝑙𝑖𝑜𝑛𝑒𝑛 𝐸𝑢𝑟𝑜

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Die letzte Nacht ging an niemanden so einfach vorbei. Die Stimmung war angespannt, traurig und drückend. Das bemerkten auch die Geiseln, was jedoch wiederum unser Problem war.

Ich hielt die Pistole in die Luft und schoss in die Decke. Sofort wurde es still. „Meine Güte.“ Ich stand ganz oben auf der Treppe und sah auf die kauernden Geiseln hinab. „Nur weil 16 von euch geflohen sind, heißt es nicht, dass ihr den Respekt vor uns verlieren solltet.“ Ich verzog ernst das Gesicht. „Also setzt euch hin!“ Das ließen sie sich nicht zweimal sagen, bis auf Mercedes. Sie blieb stehen. Tokio ging auf sie zu und forderte sie mit einem strengen Ton auf, sich ebenfalls zu setzen. „Setz dich hin!“, wiederholte sie ein drittes Mal, bis sie sich endlich setzte.

Das war nur einer von vielen Momenten, in denen die Geiseln ihren Willen durchsetzten oder es zumindest versuchten. Sie verloren den Respekt vor uns. Sie wussten, dass sie auf irgendeine Weise eine Chance gegen uns hatten und das war das Problem. Unser Problem. Doch genau das hatte der Professor uns sogar erklärt. Genau das hat er in Betracht gezogen und ihm war auch klar, dass die restlichen Geiseln die Angst gegenüber uns verlieren. Wir hatten zu dem Zeitpunkt nicht mal in Betracht gezogen, dass uns überhaupt Geiseln abhandenkommen werden. Aber der Professor wäre nicht der Professor, wenn er uns dazu nicht auch gleich eine Lösung gesagt hätte.

Die Geiseln hatten 2 Stunden Zeit sich zu überlegen, ob sie die Freiheit wollen oder 1 Million Euro. Natürlich wären sie später auch frei, nur eben frei und reich. In den zwei Stunden wurde die Stimmung auch wieder etwas lockerer und ich verbrachte die Zeit ganz bei Nairobi.

„Danke..“ Ich sah von Oslo rüber zu Nairobi und legte den Kopf etwas schief. „Wofür?“, „Du hast mir letzte Nacht quasi das Leben gerettet. Ich wäre sonst direkt zu Helsinki gelaufen und hätte hunderte Kugeln in der Brust gehabt.“ Ich lächelte matt und sah wieder zu Oslo. „Das war selbstverständlich. Wir sind schließlich ein Team.“ Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie aufstand und auf mich zu kam. „Deine Frage gestern..“ Schnitt sie das Thema an. „Ob ich mir eine Beziehung mit einer Frau vorstellen kann.“ Ich sah zu ihr und stand langsam auf. „Ich würde nicht nein sagen.“ Ich spürte ein Kribbeln im Bauch. „Wirklich?“ Ich räusperte mich und mied ihren Blick, während ich mich am Hinterkopf kratzte. „Also.. Interessant zu wissen“, verbesserte ich mich, woraufhin sie anfing zu schmunzeln. „Nagasaki, kann es sein das du mich-“ Sie brach ihren Satz ab, als die Tür aufging und Berlin mit Helsinki und den anderen hereinkam. Berlin und Helsinki sahen nach Oslo, während Tokio und Rio Pause hatten. Das Gespräch zwischen Nairobi und mir ging unter und etwas frustriert, wandte ich mich von ihr ab und Berlin zu.

Sie setzten Oslo auf und Berlin leuchtete ihm in die Augen. „Keine Reaktion.. Ich will ja nicht pessimistisch sein, aber ich glaube der Schlag hat zu irreparablen Schäden geführt.“, „Ach wirklich?“ Nairobi sah zu ihm, nachdem sie die Decke wieder über Oslo gelegt hatte. „Seit wann bist du Neurochirurg? Das können wir nicht wissen. Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen. Vielleicht kann er ja doch wieder gesund werden.“ Berlin holte tief Luft. „Hier wird niemand rausgebracht, verstanden? Mit Loch im Kopf oder ohne, du weißt, was der Professor sagt-“, „Der Professor kann mich mal. Der Professor.. Wo war er denn, als die 16 Geiseln abgehauen sind? Und als sie Oslo den Schädel eingeschlagen haben? Wir machen die Tür auf, rufen die Polizei an und lassen ihn von Ärzten holen-“, „Scheiße, was redest du da bloß? Die Spielregeln waren klar vereinbart. Niemand geht raus. Das haben wir alle so akzeptiert, Oslo ebenfalls.“, „Es fehlen 16 Geiseln“, mischte Tokio sich ein. „Die Spielregeln haben sich geändert.“, „Die Geiseln haben keine Wahl gehabt. Oslo schon.“, „Na und?“, gab nun Rio von sich. „Er kann nicht mal reden. Selbst wenn er könnte, würde er uns nie verraten. Lasst uns abstimmen.“ Berlin zog seine Waffe und zielte auf Nairobi. „Das hier ist keine Demokratie.“ Nairobi zögerte nicht und zielte auch auf ihn. „Nein, ist es nicht“, stimmte Nairobi zu. Rio und Tokio hoben ebenfalls ihre Waffen, woraufhin ich auf Tokio zielte. „Also werden wir die Tür öffnen und Oslo wird gerettet.“, „Niemand wird uns verlassen.“ Berlin entsicherte seine Waffe, „Berlin.“ Ich legte meine Hand auf seine Schulter, jedoch entsicherte auch Nairobi ihre Waffe. Meine Hand ging rüber und ich zielte auf sie. „Kein Stück besser, als dein Bruder.“ Nairobi war sichtlich enttäuscht von mir. „Oslo bleibt hier.“ Helsinki stand auf und drückte Nairobis, wie auch Berlins Waffe sachte runter und stellte sich zwischen beide. „Ich hab mit Oslo vorher gesprochen. Die Verletzung ist nicht wichtig. Er wäre lieber tot, als im Knast. Verstehst du das?“ Nairobi sah ihn verzweifelt an, nickte dann aber stumm. „Ich kümmere mich um Oslo“, versicherte Helsinki ihr und nahm wieder Platz. Wir waren an einem Punkt, an dem nicht nur die Geiseln ihren Willen durchsetzten, sondern auch untereinander der Drang da war, den jeweiligen Willen durchzusetzen.

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𝔸𝕞𝕠𝕣𝕖 𝕍𝕖𝕣𝕕𝕒𝕕𝕖𝕣𝕠 || ᴴᵃᵘˢ ᵈᵉˢ ᴳᵉˡᵈᵉˢ ᶠᶠWo Geschichten leben. Entdecke jetzt