Dunkelgrün

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Das Ticken der großen Pendeluhr erfüllte den Speisesaal im Anwesen der Familie Osbern. Das Familienoberhaupt, Magnus Osbern, saß am Kopf der langen Tischtafel. Rechts von ihm hatte seine Frau Annora Platz genommen. Sein Sohn Edward saß auf der linken Seite. Die drei saßen schon eine Weile da, währen das Essen bereits auf dem Tisch stand. Allerdings fehlte noch jemand. Mister Osbern blickte seufzend auf die Uhr. Es war bereits drei Minuten nach zwölf. Wenn das so weiter ging, würde seine Suppe bald kalt werden.

Plötzlich hallten neben den tickenden Geräuschen der Uhr kleine schnelle Schritte durch den Raum, die aus dem Vorzimmer kamen. Mister Osbern richtete seinen Blick auf die Tür. Wenige Sekunden später huschte seine Tochter hindurch und hastete geschwind zu ihrem Platz neben Edward. Mit einem quietschenden Geräusch rückte sie sich ihren Stuhl zurecht und setzte sich etwas außer Atem hin.

,,Du bist zu spät!" sagte Mister Osbern streng.

,,Ich weiß... Entschuldige, Vater." entschuldigte sich Rosie schnell.

,,Beim Frühstück hast du gefehlt. Zum Mittagessen bist du nicht pünktlich. Was ist da los?" hakte er, unzufrieden mit ihrer Entschuldigung, nach.

,,Es tut mir Leid! Ich verspreche, ich werde ab jetzt die Zeit besser im Auge behalten!" versicherte sie ihrem Vater. Währenddessen wurde sie von ihrer Mutter skeptisch beäugt. Dieser fiel ein kleiner, grüner Fleck unter ihrem linken Auge auf.

,,Ist das etwa Farbe in deinem Gesicht?" fragte sie ihre Tochter vorwurfsvoll. Rosie fasste sich mit der Hand an ihre Wange und wischte sich peinlich berührt die Farbe weg. Ihr Vater verdrehte die Augen, während ihre Mutter schnippisch die Lippen kräuselte.

,,Hast du etwa wieder den ganzen Morgen nur gemalt?" fragte ihr Vater seufzend.

,,Ja..." murmelte Rosie etwas kleinlaut und senkte ihren Kopf.

,,Sie hat ein ganz wundervolles Bild gemalt, Vater! Von Rosen!" mischte sich Edward in das Gespräch ein. Ihr Vater zog interessiert die Augenbrauen in die Höhe.

,,Davon bin ich überzeugt! Und ich bin mir sicher es ist atemberaubend, so wie jedes deiner Werke." sagte er und zuckte mit dem Mundwinkel. Rosie hatte diesen Hauch eines Lächelns bemerkt und musste ebenfalls verlegen lächeln.

,,Dennoch!" fuhr ihr Vater fort und ihr Lächeln erlosch wieder.

,,Ich habe dir das Atelier nicht bauen lassen, damit du zu spät kommst oder nicht zum gemeinsamen Essen erscheinst! In Zukunft bist du bitte anwesend und pünktlich! Ich will, dass das hier das letzte Mal ist, dass ich das sagen muss!"

,,Aber natürlich, Vater!" sagte Rosie hastig und nickte.

,,Nun gut... Jetzt lasst uns essen, bevor es kalt wird." sagte Mister Osbern und griff zu seinem Besteck. Die anderen machten es ihm nach. In den Tellern vor ihnen befand sich Petersiliensuppe. Rosies Lieblingssuppe.

,,Euch beiden ist bewusst, dass es für euch nächste Woche wieder nach Hogwarts geht." begann Mrs Osbern schließlich, nachdem sie mit der Suppe fertig waren und die Hauselfen begannen das leere Geschirr abzuservieren. Die Osbern-Geschwister nickten.

,,Das wird dein letztes Jahr, Edward. Ich erwarte, dass du bei den UTZs glänzen wirst." sagte Mrs Osbern streng.

,,Natürlich, Mutter!" antwortete Edward gelassen. Rosie warf ihm einen seitlichen Blick zu. Natürlich war ihr Bruder gelassen. Wenn er eines konnte, dann in der Schule glänzen. Doch sie konnte sich gut vorstellen, dass wohl großer Druck auf ihm lastete. In dem Fall war Rosie erleichtert, dass sie ihre UTZs erst nächstes Jahr hatte.

,,Ich nehme an, dass wir die üblichen Regeln nicht noch einmal durchgehen müssen?" fragte Mister Osbern an seine Kinder gewandt. Wieder nickten beide.

Damit meinte ihr Vater Folgendes:

Es gab im Hause Osbern drei strenge Regeln, die Edward und Rosie in Hogwarts strikt befolgen mussten. Regel Nummer eins, die offensichtlichste von allen: herausragende Noten schreiben! Keiner der beiden durfte sich bei den Prüfungen einen Fehltritt erlauben. Im Unterricht musste aufgepasst und alle Hausaufgaben mussten abgegeben werden.

Regel Nummer zwei: kein Kontakt mit muggelstämmigen Hexen und Zauberern. Wie alle anderen reinblütigen Familien auch, legte das Haus Osbern natürlich großen Wert auf ihren Blutstatus. Mugelstämmige galten als minderwertig. Deswegen duldeten Edwards und Rosies Eltern absolut keinen Umgang mit solchen Leuten.

Und dann wäre da noch die dritte und vermutlich allerwichtigste Regel von allen. Rosie durfte ihren Gemeinschaftsraum nicht ohne Edward verlassen! Egal wo sie hinging, Edward musste sie begleiten. Die einzige Ausnahme war, wenn sie zum Unterricht gehen musste und Edward selbst welchen hatte. Rosie durfte nicht alleine auf die Gänge und nicht alleine auf das Gelände. Nur, wenn Edward bei ihr war.

Man konnte über die dritte Regel denken was man wollte, doch Rosie machte sie eigentlich kaum zu schaffen. Der Grund war, dass sie das sowieso schon ihr ganzes Leben gewohnt war. Rosie durfte das Haus nicht eigenständig verlassen, ohne, dass Edward oder ihr Vater bei ihr waren. Ebenfalls ein Verhaltensmuster der Familie Osbern... Frauen, die nicht volljährig und verheiratet waren, durften nur in Begleitung eines Mannes aus dem Haus.

Diese drei Regeln gestatteten es Edward und Rosie nach Hogwarts zu gehen. Ansonsten hätten ihre Eltern sich auch ohne Probleme einen Hauslehrer leisten können. Doch um ehrlich zu sein befolgten Edward und Rosie mit Freuden die absurden Regeln, wenn sie dafür auf einen staubigen, strengen Hauslehrer verzichten konnten.

,,Was habt ihr denn heute Nachmittag vor?" fragte Mrs Osbern schließlich an ihre Kinder gewandt.

,,Oh, Rosemary und ich wollen spazieren gehen." sagte Edward, während die drei Hauselfen die Hauptspeise servierten.

,,Das ist schön! Etwas frische Luft tut euch bestimmt gut. Vor allem dir, Rosemary, wo du scheinbar schon den ganzen Tag im stickigen Atelier verbracht hast. " sagte ihre Mutter.

,,Ja, Mutter." meinte sie und lächelte leicht belustigt.

,,Rosemary! Nach dem Essen würde ich mir gerne dein neues Bild ansehen, an dem du heute scheinbar so fleißig gearbeitet hast. Ich bin gespannt. Vielleicht hänge ich es in mein Büro." sagte ihr Vater. Rosie nickte lächelnd.

,,Sicher, Vater! Ich hoffe, es gefällt dir!" sagte sie strahlend. Ihr Vater nippte vom Rotwein in seinem Weinglas.

,,Aber natürlich wird es das!"

Rosemary (HP/Rumtreiber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt