Johanna Moreau:
Seit zwei Tagen war ich wieder zu hause. Doch schon am ersten Morgen nach meiner Entlassung hatte es Streit gegeben. Dad hatte mir eine riesige Schüssel Müsli vor die Nase gestellt und mich erwartungsvoll angeschaut. Doch ich wollte, ich konnte nicht essen. Mein Körpergewicht und Menge an Essen, die ich zu mir nahm, waren das letzte worüber ich noch nicht die Kontrolle verloren hatte. Es war mein kleiner Rest Selbstbestimmung.
Mein Blick fiel auf den Infusionsständer mit meiner Flüssignahrung neben mir. Ich wollte nicht mehr! Ich konnte nicht mehr! Es war 20 Uhr. Unten hörte ich die Haustür zufallen. Das war bestimmt Leyla. Sie kam fast jeden Abend. Eine Viertelstunde später wurden die Stimmen unten immer lauter. Sie stritten mal wieder. Dad und Leyla gerieten fast so oft aneinander wie Ich mit Dad. Jedes mal ging es um mich. Ich war schuld! Ich war schuld! Genauso wie an Sams Suizid. Ich hatte es sehen müssen. Ich hätte ihr helfen müssen. Ich hab es einfach nicht gesehen! „...du kennst meine Meinung!", schrie Leyla jetzt. „Zum allerletzten mal Nein! Ich schiebe meine Tochter nicht ab!", brüllte Dad zurück. So ging das seit Tagen. Ich setzte meine Kopfhörer wieder auf.Vier Tage später hatte Dad seine Meinung geändert. Am Vormittag war die Magensonde wieder gezogen worden und jetzt saß ich auf dem Boden meines Zimmers und packte meine Sachen für vier Wochen „REHA". Ich wusste nicht wirklich was mich erwarten wurde. Leyla hatte mir zwar fast eine Stunde lang Flyer und die Internetseite gezeigt, aber ich hatte ihr nicht zugehört. Eigentlich war mir auch egal was jetzt passieren würde und trotzdem tat es weh. Dad schickte mich weg.
Am nächsten Mogen stand ich neben Dad am Gleis 4 des Erfurter Bahnhofs. Der Zug fuhr ein und Dad zog mich an sich. Als er mich wieder losließ glänzten in seinen Augen Tränen. „Bis bald!",sagte er mit belegter Stimme und strich mir eine Locke hinters Ohr. Ich nickte, drehte mich um und stieg ohne nochmals zurück zu blicken in den Zug ein.
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In aller Freundschaft Die jungen Ärzte: Johanna Moreau
De TodoÜber ein Jahr nach einem gravierenden Unfall kämpft sich Johanna zurück ins Leben. Immer an ihrer Seite ihr Adoptivvater Matteo Moreau und das Team der Johannes Thal Klinik. Von Fortschritten und Rückschlägen, von Freundschaft und Leid. Gestartet: 1...