Thirty-eight - Universen entfernt

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Colin

Ich hörte ein schweres Seufzen, einen kurzen Moment der Stille und dann spürte ich, wie sich der Druck gegen meinen Fuß lockerte. Die Tür wurde wieder geöffnet und Fabienne schaute mich an. "Mir ist grade nicht nach reden."

"Mir aber. Kann ich reinkommen?"

"Colin..." Sie schaute mich eindringlich an, doch ich würde mich nicht davon abbringen lassen. Ich wollte eine Erklärung für ihr Verhalten und zwar jetzt. Nicht irgendwann oder gar nicht. Jetzt.

"Bitte. Ich will dich verstehen, Kätzchen", meinte ich und schaute sie flehend an.

Ihr kalter Blick wurde weicher, ein kleines Lächeln huschte über ihre Lippen, während sie sich nachdenklich auf der Unterlippe rum kaute. "Also gut. Komm rein." Sie gab die Tür frei und ließ mich reinkommen.

Überrascht, aber doch ziemlich erleichtert kam ich rein und schaute mich um. Ihr angenehmer Geruch schwebte überall rum, gemischt mit dem nach Schokolade. Alles war hell und sauber eingerichtet. Ich hing meine Jacke an den freien Haken ihrer Garderobe und Ich folgte ihr schließlich ins Wohnzimmer wo ich mich auf Sofa setzte, während Fabienne selbst in der Küche verschwand.

Während sie dort rumhantierte schaute ich mich um. Gegenüber des Sofas stand ein Regal, welches fast die ganze Wand abdeckte. In der Mitte war ein Fach, groß genug, dass ihr Fernseher dort reinpasste. Unten waren einige Schubladen, der Rest war mit Büchern, Pflanzen, ein wenig Deko und zwei Kuscheltieren gefüllt.

Sah eigentlich ganz chic aus.

Fabienne kam mit zwei Gläsern, einer Schüssel Keksen und einer Flasche Cola zurück und stellte sie auf das Wohnzimmertischchen. "Worüber wolltest du reden?"

Ich lehnte mich zurück und wartete, bis sie saß. "Über dich."

"Mich?", verwundert zuckte ihr Blick zu mir, während sie die beiden Gläser füllte.

"Hab' ich was falsch gemacht? Du... Es war alles in Ordnung und plötzlich behandelst du mich, als wäre ich ein fremder." Ich nahm das Glas, welches sie mir hinhielt und beobachtete ihre Reaktion. Und wie so oft, konnte man auf ihrem Gesicht nur das ablesen, was man auch ablesen sollte. Eine unerwartete Reaktion hatte ich bei ihr noch nie gesehen.

"Im Grunde kennen wir uns ja auch nicht."

Sie biss in einen Keks und guckte mich an.

"Du hast uns deine Songs gegeben, wir sind miteinander ausgegangen, wir arbeiten zusammen, du hast bei und mit mir geschlafen - Fremd würde ich das nicht mehr nennen."

"Ich weiß nichts über dich. Du weißt nichts über mich", beharrte sie auf ihren Standpunkt.

Ich schüttelte mit dem Kopf und trank einen Schluck. Was hatte ich ihr getan? Ich dachte, zumindest die erste ihrer Schutzwände durchbrochen zu haben, aber anscheinend hatte sie im Gegenteil noch eine weitere errichtet.

"Magst du mir zumindest erklären, warum du mich seit gestern behandelst, wie einen aussätzigen?"

"Nein, will ich nicht. Es gibt nichts zu erklären."

Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen und schloss ihn wieder. Ratlos leckte ich mir über die Lippen setzte erneut an, um etwas zu sagen und ließ es letzten Endes doch.

Mein Blick schweifte durch den Raum und blieb schließlich mit meinen Augen an einem Notenständer hängen, der hinter mir in der Ecke auf einem schwarzen Teppich stand. Gleich darauf fiel mir eine Geige auf und eine Harfe. An der Wand hingen zwei Bilder von einer Ballerina. "Du spielst Geige?"

Fabienne folgte meinem Blick. "Überrascht dich das jetzt?"

Ich guckte zu ihr und zuckte mit den Schultern. "Du meintest, du könntest nichts wirklich gut spielen."

Ein genervtes Stöhnen erklang von ihr und sie sah mir in die Augen. "Denkst du wirklich, ich habe so teure Instrumente hier zur Deko stehen?"

Vielleicht...

Grinsend lehnte ich mich ein wenig zu ihr vor und guckte in diese schönen, grünen Augen. Sie wich kaum merklich ein bisschen zurück und leckte sich nervös über die Lippen. "Wer weiß. Ich kenne dich ja nicht, es könnte sein, dass du sowas machst."

Wie auf Knopfdruck begannen ihr Blick wieder amüsiert zu funkeln und sie kam mir verführerisch nahe. "Ich kann dir versprechen" - Sie hielt einen Moment inne, als müsste sich erstmal wieder fassen. Für diese wenigen Sekunden hatte ich das Gefühl in dem grün ihrer Augen zu versinken - "Ich sammle nicht nahtlos irgendwelche Instrumente."

"Beweis es mir", murmelte ich, während mein Blick immer wieder zu ihren Lippen wanderte, die so nah an meinen waren, dass ich sie mit Leichtigkeit hätte küssen können. Einen Moment blieben wir so und schauten uns an.

Einen Moment schien Fabienne nicht mit ihrem Kopf zu handeln. Ihre Lippen bildeten ein bezauberndes Lächeln, welches mein Herz höher schlagen ließ. Gott war dieses Lächeln schön...
Die Zeit hielt an, für die wenigen Sekunden in denen man einen ehrlichen Ausdruck in ihren Augen sah, welche mich schüchtern, aber doch glücklich anleuchteten.

Dann senkte sie den Blick und nickte. "Wenn du meinst."

Sie stand vom Sofa auf und lief zu ihrer Geige. Ich drehte mich auf dem Sofa und stützte meine Arme auf der Rückenlehne ab, um ihr besser zusehen zu können. Sie warf mir noch ein scheues Lächeln zu, ehe sie die Geige auf ihr Schlüsselbein und klemmte sie mit ihrem Kiefer ein.

In dem Moment, indem die erste Note erklang schloss sie die Augen. Warme Tönte schwebten sanft durch den Raum, während Fabienne sich leicht mit der Musik der Geige bewegte. Ihre Finger wanderten über die Seiten der Geige, der Bogen glitt vorsichtig über das Instrument.

Die Noten verklangen im Raum und grade, als ich schon dachte, sie würde aufhören, ertönten sie wieder im Raum. Die Melodie hatte etwas heiteres, etwas abenteuerliches. Ich konnte meine Augen nicht von ihrem friedlichen Gesicht nehmen, während sie spielte.

Die Töne der Geige malten eine ganz andere Welt um mich herum. Fabiennes Welt, in der sie grade Stück für Stück versank, je länger sie die Geige spielte. Der Bogen flog immer schneller über die Seiten und zeichnete in feinen Strichen immer klarere Bilder und auch wenn ich sie nicht erkennen konnte, raubten sie mir den Atem.

Sie wurde von Schatten umgeben und im gleichen Moment leuchtete sie von innen heraus. Fabienne spielte, als wäre sie gar nicht mehr auf diesem Planeten, fern ab in einem anderen Universum. Die letzte Note ertönte, sie streifte ein letztes Mal über die Saiten ihrer Geige, ehe sie die Augen wieder öffnete, die Geige absetzte und mich ansah.

Das Video oben ist das was Fabienne spielt :)
Ich hatte es als Solo gesucht, aber leider nur das hier gefunden, alsooo... Denkt euch das Klavier einfach weg 😅

Hoffe es hat euch gefallen
Elli🌹

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