Sixty-one - Tak hloupý... So dumm

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Fabienne

Ich verstaute grade die Wasserflasche wieder in meiner Tasche, als ich Colin sah, der offensichtlich schlecht gelaunt in Richtung Auto lief. Seufzend ließ ich mich in den Sitz zurücksinken und versuchte, mein schlechtes Gewissen zu verdrängen. Recht erfolglos.

Ich war sauer. Sauer auf mich selbst und sauer auf diese Frau, die nicht wusste, wie sie richtig mit ihren Kindern umging, was mir den gesamten Abend versaut hatte. Ich ertrug es nicht... Ich hatte es noch nie ertragen, zusehen, wie Mütter ihre Kinder schlecht behandeln und zusehen zu müssen, wie die Liebe, die die Kinder zu ihren Eltern empfanden, in ihren Augen verzweifelt zersprang.

Als Colin die Autotür öffnete ohne ein Wort zusagen, zuckte ich zusammen. Tonlos hielt ich ihm die Autoschlüssel hin und kaute mir auf der Unterlippe rum. Bevor Colin den Schlüssel im Schloss drehte, holte ich Luft, um ihm zu antworten, kam aber nicht wirklich weiter, denn sofort blockierte ich mich wieder selbst. "Ich..." Nervös leckte ich mir über die Lippen.

Er spannte den Kiefer an, biss die Zähne aufeinander und rang sichtlich mit der Fassung. "Entweder, du sagst mir die Wahrheit oder du bist leise Fabienne. Du hattest mir etwas versprochen, wenn ich dich erinnern darf."

"Ja..."

"Ja? Mehr hast du nicht zusagen?"

"Doch..." Ich hatte ja mehr zusagen. Ich wusste nur nicht wie.

Während Colin das Auto grummelnd startete, blickte ich aus dem Fenster, auf die Straßen, während mein Kopf immer und immer wieder eine Erklärung zusammenstellte, sie verwarf und von vorne begann. Schwer schluckend spürte ich, wie ich mich immer mehr beruhigte, musste mich aber beinahe schon anstrengen, nicht in einen apathischen Zustand zu rutschen. Erneut holte ich Luft und guckte zu Colin. "Sie hat mich an meine Mutter erinnert. Ich kann sowas nicht mit ansehen."

"Ist mir gar nicht aufgefallen."

"Ich wollte dich nicht so sitzen lassen, ich wollte einfach nur raus!" Verzweifelt sah ich ihn an, bemerkte meinen wimmernden Tonfall aber erst, als Colin mich verwirrt ansah. "Ich werd dich nicht rauswerfen, Kätzchen! Ich will nur, dass du ehrlich bist."

"Und ich gebe mir alle Mühe..." Das tat ich wirklich. Nur wusste Colin nicht mal ein Viertel oder Fünftel von dem, was er wissen wollte und je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, umso mehr wollte er wissen. Was ich natürlich auch verstand, ich war ja genauso. "Aber ich kann nicht alles auf einmal erzählen."

"Und wieso nicht?" Mittlerweile klang Colin etwas ruhiger, aber noch immer war er deutlich angepisst.

Ich starrte aus dem Fenster. Mein Kopf wankte leicht hin und her, während ich immer mehr gegen den Zustand des Schwindels ankämpfte. Meine Zunge fühlte sich plötzlich an, wie aus Blei, was mir das Antworten ziemlich erschwerte. Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder, wacher fühlte ich mich deswegen aber nicht. Während ich mir die Augen rieb, konzentrierte ich mich darauf, eine Antwort zugeben. Wenn auch sehr langsam. "Weil ich das nicht aushalten würde." Ich hatte es grade vernünftig ausgesprochen, da biss ich mir versehentlich auf die Zunge.

"Vielleicht wird es erträglicher, wenn du endlich mit jemandem redest."

"Mhm." Noch immer mit meiner, jetzt schmerzenden, Zunge konzentriert, verfluchte ich mein Hirn, dessen Verarbeitungsgeschwindigkeit wohl grade bei null lag und nicht fähig war, einen graden Satz zu bilden. "Ähm... Wie... Wann sind wir da?" Ich spürte, dass ich langsam lallte und war nicht sehr zufrieden damit.

"Hast du getrunken, Fabienne?"

Langsam schaute ich zu Colin hoch und blies die Backen auf. "Nein, ich..." Ich hinkte ein wenig beim Weitersprechen und schloss einen Moment die Augen, um mich zu sammeln. "Bin einfach extrem müde grade. Können wir unterwegs eine Cola holen oder so?"

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