Four - Einmalswaschlappen

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Fabienne

Ich öffnete die Augen und sah vor mir einen schwarzen Haarschopf. Verschlafen setzte ich mich auf und sah mich um. Durch das Fenster sah ich den noch dunkeln Nachthimmel, der von einigen Sternen erhellt wurde.

Müde rieb ich mir die Augen und sah mich nach einer Uhr um. Ich schaute zu Colin der noch seelenruhig neben mir schlief. Lächelnd schob ich mich aus dem Bett und begann meine Sachen zusammenzusuchen, um gleich leise verschwinden zu können und ihn nicht wieder zu sehen.

Ich hatte grade meine Unterwäsche wieder an, da hörte ich wie mein One-Night-Stand sich aufrichtete und sich die Haare aus dem Gesicht wischte. Er blinzelte mehrere Male und sah sich im Raum um.

"Morgen", murmelte ich, während ich mich nach meinem Rock bückte, der fast unterm Bett verschwunden war. Als ich keine Antwort bekam, sah ich verwundert hoch und musste amüsiert lächeln: Colin saß etwas desorientiert im Bett und schaute müde aus dem Fenster. Also kein Morgenmensch. Ich kicherte und zog mich weiter an.

"Kein Morgensex?", hörte ich enttäuscht Colins kratzige Morgenstimme hinter mir.

Die Hände in die Hüften gestemmt drehte ich mich zu ihm, sein Blick, unter dem ich gestern erzittert war, richtete sich auf meine, nur von einem Büstenhalter verdeckten Brüste.
"Du wirkst nicht so, als würdest du jetzt schon was auf die Reihe kriegen." Ich stieg in meine schwarzen High Heels und suchte nach meiner Tasche.

"Du hättest zumindest für Kaffee sorgen können, wenn du schon wach bist", meckerte er. Ich drehte mich suchend um meine eigene Achse und blieb dabei fast mit meinen Hacken in Colins Jeans hängen. "Ich bin kein Dienstmädchen und woher willst du um halbsechs Kaffee herbekommen, hä?"

Ich warf Colin seine Hose zu. "Außerdem wäre ich in ein paar Minuten eigentlich weg gewesen, da hättest du auch niemanden gehabt, der dir Kaffee bringt."

Colin fuhr sich mit einem angedeuteten Grinsen durch die Haare und warf mir durch seine halbgeöffneten Augen einen schelmischen Blick zu. "Das mit dem einfach verschwinden ist mein Part."

Ich schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf, während ich ein Idiot vor mich hin murmelte. "Sag mal, wo habe ich meine Tasche hingestellt?"

Colin stand auf und lief völlig schamlos, nackt, an mir vorbei um seine Unterwäsche vom Teppich aufzuheben. "Welche Tasche?"

"Meine Handtasche, so eine rote aus - oh fuck..." Genervt legte ich die Stirn in Falten und ging in Richtung Tür. Ich hatte meine Tasche gestern im Club gelassen, na super.
"Na los, du bekommst deinen Kaffee und ich darf mit deinem Handy telefonieren."

Er verdrehte die Augen und brummte irgendwas, was ich nicht verstand, dann zog er sich an.

Keine Viertelstunde später hatte Colin einen Kaffee und ich tippte Lisas Nummer in sein Handy ein. Es tutete mehrere Male und ich hatte schon fast befürchtet, sie würde nicht ran gehen, da nahm sie ab.

"Parker?"
"Lisa, du ich bin's..."
"Fabienne!" Plötzlich schien sie hell wach zu sein. "Welches Handy ist das denn?", fragte sie und ich hörte ihren triefend belustigten Unterton.
"Ja, nicht meins, schon gut. Hast du meine Handtasche oder Tamara?"
Sie lachte, ich schmollte und trat einen kleinen Stein aus dem Weg.

"Ja, alles gut. Kannst vorbei kommen, ich mach Frühstück und du erzählst mir von deiner Nacht."
"Ähm, ich habe keinen Schlüssel?"

Ich hörte wie Colin im Hintergrund lachte und warf ihm eine genervte Grimasse zu. Er schmunzelte nur und prostete mir mit seinem Kaffee zu.

Arschloch.

"Frag doch dein One-Night-Stand", meinte Lisa, als wäre das völlig selbstverständlich. Ich stieß ein spöttisches Schnauben aus. "Man sollte Einmalwaschlappen auch nicht mehr als einmal benutzen, das macht unreine Haut."

Colin sah erst überrascht aus, dann zog er beleidigt die Stirn kraus.

"Dann lauf halt, wenn du in zwei Stunden nicht da bist, sag ich der Polizei er hat dich umgebracht." Dann legte sie auf. Ich lachte nur und gab Colin sein Handy wieder.

Er nahm es und steckte es langsam in seine Brusttasche. "Hast du mich grade wirklich mit einem Einmalwaschlappen verglichen?" Er grinste mich schief an und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Ich schenkte ihm mein schönstes Lächeln und tippte mit dem Finger gegen seine Brust. "Ich weiß, du bist vermutlich eher die Art Mensch, die seine One-Night-Stands in den Wind schießt, aber..."

Er nahm meinen Finger und sah ihn an, als hätte er einen Alien auf seinem Oberkörper sitzen. "Was willst du?"

"Fährst du mich bitte zu einer Freundin, sie hat meine Tasche" - ich hielt inne und zog meinen Finger aus seinem Griff - "Und mein Frühstück."

Er seufzte und sah mich an. "Meinetwegen."

Während der Autofahrt sagte Colin nichts, sondern sah die ganze Zeit auf die grauen Straßen. Ich schaute aus dem Fenster, wir überholten einige Autos, welche mit ihren Scheinwerferlichtern die Stimmung des Morgenrotes durchbrachen.
Als er vor dem Mehrfamilienhaus hielt, in dem Lisa wohnte hielt er und sah mich abwartend an. Skeptisch sah ich zurück. "Was?"

Er schüttelte den Kopf, sodass ihm eine seiner schwarzen Haarsträhnen ins Gesicht viel. "Ich warte nur darauf, dass du aussteigst."

"Äh, ja. Tschüss." Ich stieg aus und hatte die Tür des kleinen schwarzen Autos nicht mal zugeschlagen, da fuhr er schon los. Ohne ihm hinterher zu sehen, klingelte ich bei Lisa. Die Tür öffnete ich und ich tappte die Treppen rauf zu ihr.

"Na?" Sie lächelte mich an, sie schien schon sehr wach, dafür dass ich sie vor einer halben Stunde aus dem Bett geworfen hatte, und umarmte mich zur Begrüßung. "Ich hätte nicht gedacht, dass du dich mal eines Tages auf ein One-Night-Stand einlässt."

Ich löste mich aus der Umarmung und lachte leise. "Ich auch nicht."

Sie führte mich durch ihre gemütliche drei Zimmer Wohnung, ins Esszimmer, wo ein liebevoll Gedeckter Tisch stand.

Ich erzählte ihr über den Abend und vor allem über die Nacht. Lisa war immer überinteressiert, wenn es um einmalige Liebschaften ging. Sie saugte meine Worte auf wie ein Staubsauger und grub nach den schmutzigen Einzelheiten, wie ein Bagger.

"Also ehrlich, ich habe dich ja fast schon für die Jungfrau Maria gehalten, aber als ich dich dann mit diesem Typen gesehen habe..." Lisa schob sich eine Weintraube in den Mund und beugte sich zu mir vor. "Das sah richtig heiß aus, wie ihr aneinander geklebt habt."

Die Röte schlich mir ins Gesicht und ich biss geniert von meinem Brötchen ab.
"Aber wurde auch mal Zeit, wo du den Typen sonst reihenweise Körbe verteilst."

"Reihenweise", wiederholte ich mit ironischem Unterton.

"Du bist zwar sexy, aber echt blind Süße."

Ich rollte mit den Augen und trat ihr leicht gegens Schienbein.

Everyone has SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt