Seven - Egoismus und Chancen

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Fabienne

Als ich in meiner Zweizimmerwohnung angekommen war, zog ich nur schnell die Schuhe aus, warf meine Jacke dazu, ließ meine Tasche daneben fallen und lief ins Bad, wo ich heißes Wasser in die Wanne laufen ließ. Ich suchte mir Shampoo, Spülung, eine Erdbeermaske und Duschschaum aus meinem Badezimmerschränkchen, tat etwas von meinem Lieblingsbadezusatz - Ein Kakaobad von Kneipp - ins Wasser und zog mich aus.

Nachdem ich dann festgestellt hatte, dass ich meinen Schlafanzug und mein Handy vergessen hatte, wickelte ich mich in ein großes Handtuch, holte mir erst meinen Pyjama aus dem Schlafzimmer und suchte mein Handy aus meiner Tasche und konnte mich dann endlich in das warme Wasser gleiten lassen.

Bis ich dann in der Badewanne lag hatten wir bereits kurz nach halb elf, aber ich musste mich jetzt einfach entspannen. Und was war schon entspannender, als ein langes Bad?

Ich schloss die Augen und genoss den Duft von Schokolade, der meine Sinne kitzelte. Das Wasser war angenehm warm. Eine kleine Seifenblase schwebte knapp an meinem Gesicht vorbei und zerplatzte, als sie die Wasseroberfläche berührte.

Ich ließ den Tag noch einmal Revue passieren, vor allem den Abend; Carters Satz, dass ich engagiert und qualitätsorientiert sei, hallten mir im Kopf nach, genau wie das Gespräch mit Gabriel.

Als ich vor gut drei Monaten nach New York kam, war mein einziger Kontakt Gabriel. Wir kannten uns schon lange, seit etwas mehr als fünf Jahren um genau zu sein. Er war es auch, der mit immer gesagt hatte, ich solle von Daheim abhauen, weil es mir nicht gut täte und er hatte Recht.

Meine Eltern waren keine schlechten Eltern, aber sie waren nicht die richtigen Eltern für mich. Sie hatten mich und meine Schwester immer zur absoluten Perfektion getrimmt und das setzte mich auf Dauer einfach zu sehr unter Druck, vor allem weil ich eben nicht die vorzeige Tochter war.

Gabriel war es, der mir gesagt hatte, dass ich einmal in meinem Leben egoistisch sein müsste und etwas tun solle, was gut für mich wäre, allerdings hatte dieser Egoismus seinen Preis und jedes Mal, wenn ich darüber nachdachte tat es weh.

Und jetzt sollte ich auch noch seine unfaire Art der Hilfe annehmen, wobei ich genau wusste, dass jemand anderem dieser Posten mehr zustehen würde, auch wenn ich nicht wusste wem: Ich nahm jemand anderem die Chance.

Verzweifelt tauchte ich in dem schokoladigem Wasser ab, als mein Handy plötzlich klingelte und mein Lieblingslied ertönte. Ich tauchte auf und wurschtelte mir meine Haare aus dem Gesicht, ehe ich mein Handy nahm. Der Name meiner Schwester, Evelyn, leuchtete darauf. Ich nahm ab und ging ran.

"Hey", grüßte ich sie.

"Du hast schon wieder nicht angerufen", hörte ich sie mit tadelnder Stimme, anstelle einer Begrüßung. "Ich bin grade erst nach Hause gekommen Eve!", rechtfertigte ich mich. "Außerdem ist das jetzt das zweite Mal, mach bitte nicht so ein Drama daraus."

"Das zweite Mal innerhalb von vier Tagen."

Ich seufzte und machte das Wasser noch mal an, weil sich das in der Wanne langsam abkühlte. "Ich hatte keine Zeit..."

Meine Schwester lachte höhnisch auf und ich wusste, dass sie sich grade die Haare über die Schultern warf. "Keine Zeit. Soll ich das genau so Lilu sagen?"

"Nein, natürlich sollst du das nicht tun!", schreckte ich auf.

"Hör zu, dass du dich getraut hast abzuhauen: Chapeau, wirklich, aber du kannst deine Tochter nicht so am langen Arm verhungern lassen."

Schwer seufzte ich.
Ich erinnerte mich noch, wie ich einfach gegangen war, ohne ihr zu sagen, wie lange ich weg sein würde. Erinnerte mich noch genau daran, wie ihre rubinroten Haare nach dem Prinzessinnen-Shampoo dufteten und an jede einzelne Träne, die sie meinetwegen geweint hatte. Das war er gewesen - der Preis für meinen Egoismus.

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