Fifty-five - Croissant de lune

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Fabienne

Ich holte tief Luft, bevor ich durch die Tür raus zu den Fans der Nightmareden ging, als würde ich sonst ersticken. Tür auf, durch die Menge, raus, dann nach Hause.
Ja... Genau so. Colin nicht beachten und auch sonst niemanden.

Eigentlich hatte ich genau das getan, was ich wollte: Colin verletzt und so wütend gemacht, dass er mich erstmal nicht mehr sehen wollte. Aber es fühlte sich so falsch an. Als hätte ich mich selbst verletzt. Seit ich Colin getroffen hatte, lief alles drunter und drüber. Gut, viele der Sachen wären sicher auch so passiert, aber ohne Colin hätte ich das überstanden.

Wie immer.

Meine Brust zog sich zusammen. Ich schüttelte mit dem Kopf und stieß die Tür auf. Jetzt durch die Menge, raus, dann nach Hause. Durch die Menge... Weitergehen. Ich wiederholte meinen kurzen Plan wie ein Mantra in meinem Kopf, aber das Einzige was ich tat, war stehen und nach Colin suchen. Als ich ihn schließlich fand, wurde mir schlecht: Eine junge Frau auf seinem Schoß küsste sich seinen Nacken entlang während ihre Finger sich seinen Brustkorb entlangschlichen.

Die Eifersucht stach mir in den Magen. Ich war schnell zu ersetzen. Aber was wunderte ich mich, so wie ich mit Colin umgegangen war?
Unsere Blicke trafen sich für wenige Sekunden. Ob Colin das was sie da grade tat genoss, wusste ich nicht. Natürlich würde ich mir wünschen, dass es nicht so war, aber... Nein. Da war kein Aber. Er sollte es nicht genießen.

Mit geballten Fäusten quetschte ich mich nach draußen. Ich war so wütend: Auf mich selbst, auf alles was bis heute passiert war. Und ich würde mir wirklich wünschen, ich könnte die letzten Wochen einfach zurückdrehen. Dann wäre ich nie mit in den Club gegangen. Ich hätte nie mit Colin geschlafen, nicht in diesem Hotel oder in seinem Büro. Gar nicht.

Und dann könnte er mir auch nicht fehlen, so wie er es jetzt tat.

So in meine Gedanken vertieft, überhörte ich die ganzen Fans, die Musik und bekam den seltsamen Geruch der hier herrschte, gar nicht mehr richtig mit. Ich wollte nach Hause, in meine Badewanne und den Tag vergessen. Colin vergessen. Vor allem ihn. Kaum war ich draußen, vibrierte mein Handy in meiner Tasche. Genervt zog ich es aus heraus und war überrascht, als ich sah, wer mich anrief.
"Salut Grand-mére", murmelte ich überrascht in mein Handy.

"Salut mon petite. Comment vas-tu cherié?

"Bitte, Grand-mére, Englisch", bat ich sie und atmete die raue, kalte Luft ein, die in den Straßen von New York herrschte. "Aber mir geht es gut, merci."

"Deine Schwester hat angerufen, sie meinte dir ginge es nicht gut. Was ist los, Cherié?"

"Ich will nicht drüber reden", erklärte ich ihr und wunderte mich, dass sie so nett war. Normalerweise war Grand-mére, meine Oma mütterlicher Seite, immer das absolute Gegenteil meiner Abuela, meine Oma väterlicher Seite. Meine Abuela starb vor einigen Jahren und mit Grand-mére hatte ich seit dem kaum mehr gesprochen. "Was hat sie gesagt?"

"Es geht um einen Mann. Ich war doch etwas überrascht, mon petite."

"Grand-mére", stöhnte ich genervt und lief die Straße entlang, keine Ahnung wohin genau. Sie hatte das Prinzip von Bisexualität nie wirklich verstanden. Und Mühe gab sie sich auch nicht. Wenn es nach ihr ging war ich einfach nur zu feige um mir einzugestehen, dass ich lesbisch war. "Ja, es geht um einen Mann. Aber da wird nichts draus."

"Petite..."

"Nein, ehrlich nicht. Was wolltest du eigentlich? Du hast nicht angerufen, weil es mir schlecht geht, das wissen wir beide, n'est-ce pas?"

"Deine Mutter will wissen, wie es dir geht, sie erreicht dich aber nicht."

Maman...

Ich raffte mich zusammen, bevor ich einen bösen Gedanken an sie verschwenden konnte und zuckte mit den Schultern. "Sie ruft nicht zu den richtigen Zeiten an. Und du auch nicht, bei euch ist es grade vier Uhr früh. Also: Au revoir, Grand-mére." Schnell legte ich auf und blieb mitten auf einer Brückte stehen. Ein ungutes Gefühl schwabte durch meine Adern. Wenn Maman wissen wollte, wie es mir ging, war das nicht unbedingt ein gutes Zeichen.

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