Eight - Missverständnis

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Fabienne

Am nächsten Morgen wachte ich vor meinem Wecker auf und war erstaunlicher Weise auch sofort wach. Hibbelig saß ich auf meiner Bettkante und sah mich in meinem noch dunklem Zimmer um.

Meine Gedanken schwirrten noch immer um das Angebot von Carter. Ich würde also heute, nach meiner Mittagspause, wirklich hoch gehen und Ryan Carter, dem Vorgesetzten der Vorgesetzten, einem der reichsten Männer New Yorks sagen, dass ich seine Assistentin werden wollte; heilige Scheiße.

Nervös knipste ich meine Nachtischlampe an und stand auf. Ich kochte mir einen schwarzen Tee, schnitt mir eine Banane klein und tat sie zusammen mit Milch und Haferflocken in eine Schüssel. Während ich mein Frühstück aß, überlegte ich, was ich heute anziehen könnte.

Am liebsten würde ich ja einen Rock anziehen und diese rote Bluse, aber Röcke waren so schrecklich unpraktisch, weil ich ja mit dem Motorrad fuhr. Andererseits war ich das mittlerweile auch schon gewohnt, so oft wie ich Röcke auf Arbeit trug.

Meine Haare wollte ich auch nicht einfach offen tragen. Ich könnte mir ja meine Haarnadeln und ein Duttkissen mitnehmen und mir später einen Dutt machen...

Aber im Grunde genommen war es ja auch egal.

Ich stellte mein Zeug zusammen und verschwand im Bad. Im Endeffekt hatte ich mir zwar für die rote Bluse, aber gegen den Rock und stattdessen für eine blaue Jeans, mit schwarzem Gürtel entschieden. Um die Sache mit dem Dutt später einfach zu gestalten, hatte ich mir die Mühe gemacht, mir die Haare zu glätten.

Als ich dann eine halbe Stunde zu früh das Gebäude von CarterCorp. betrat, war selbst der Türsteher, der wie immer Dienstag früh hier stand, überrascht, denn er war es vermutlich gewohnt, mich, abgehetzt und mit meinen hohen Hacken kämpfend, auf den letzten Drücker ins Gebäude flitzen zu sehen.

Tamara saß schon am Empfang und fing mich ab. "Hey, was ist denn mit dir los?"

"Hm?" Ich blieb stehen, tippelte aber unruhig auf der Stelle hin und her.

Tamara sah mich durch ihre hellbraunen Augen an. Ihre braunen Haare, welche ihrem dunklen Teng meiner Meinung nach einen besonderen Glanz gaben, hatte sie wie immer zu einem Zopf geflochten. "Du wirkst gestresst..."

"Ach Quatsch, wie kommst du darauf?" Nervös sah ich auf die Uhr, die im Empfang hing, und warf ihr ein entschuldigendes Lächeln zu. "Okay, ja bin ich wirklich, ich erklär das aber später, ich muss los", brabbelte ich und verschwand in Richtung Aufzüge. Ich hörte auch fast gar nicht mehr, wie sie mir noch irgendwas hinterher rief.

In den Aufzügen konnte ich dann endlich einen klaren Gedanken fassen. Ich wollte schnell zu Gabriel, damit ich mich bei ihm entschuldigen konnte und bei Matt wollte ich auch um Verzeihung bitten, weil ich ihn so angefahren hatte. Das schlechte Gewissen hatte mich den ganzen Abend geplagt, nachdem ich mit meiner Schwester telefoniert hatte und ich wollte das aus dem Weg räumen. Immerhin hatte ich mich wirklich mies verhalten.

Ich hoffte, das Gabriel mir nicht all zu böse war, wegen meines Verhaltens gestern, denn das letzte, was ich jetzt noch gebrauchen könnte, war ein Gabriel, der sauer auf mich war.

Oben angekommen kam mir Cassidy, die Unternehmens-Matratze, entgegen; sie war die letzten anderthalb Wochen im Urlaub gewesen. Ich konnte sie nicht leiden und sie mich genau so wenig, aber heute hatte ich keine Zeit, für ein Gemetzel mit ihr. Sie machte grade den Mund auf, da lief ich an ihr vorbei. "Fräulein Ramirez-"

"Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe gerade wirklich keine Zeit!"

Hinter mir hörte ich sie empört schnauben, aber jetzt musste ich das wirklich ignorieren. Bevor ich zu Gabriel ging, wollte ich noch eben meine Sachen auf meinem Schreibtisch ablegen und lief aufs WC um mir meine Haare hochzustecken. Da ich das schon ewig nicht mehr gemacht hatte kostete mich diese kurze Aktion ganze fünfzehn Minuten.

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