Eleven - Fräulein Ramirez

137 15 7
                                    

Colin

Ich sah auf die Uhr. Es war fast Mittag und ich überlegte, ob ich heute wirklich wieder runter zu Bob gehen sollte, etwas Essen. Die Situation gestern war komisch, selbst ich fand dieses Schweigen seltsam. Aber das schlimmste war nicht mal, dass wir einfach nicht geredet haben, sondern dass ich Fabienne noch immer extrem anziehend fand.

Ihre Beine wurden in der dunkelblauen Jeans umso mehr betont. Die rote Bluse mit den beiden geöffneten Knöpfen hatte es mir besonders angetan und selbst trotz dieser Strenge, die ihr Dutt ausgestrahlt hatte, fand ich sie extrem sexy.

Leider schätzte ich sie nicht so ein, dass sie sich noch mal von mir auf einen Drink einladen lassen würde. Geschweige denn, noch einem One, also in diesem Fall Second-Night-Stand zuzustimmen.

Ich ließ mich in meinem Stuhl zurück fallen. Ich hatte nicht sonderlich viel zu tun, meine reguläre Arbeit für heute hielt sich in Grenzen und von Carter hatte ich noch nichts gehört.

Genüsslich nippte ich an meinem Kaffee und tippte im Takt eines neuen Songs auf meiner Stuhllehne herum, als es klopfte.

Wer war das denn? Ich bekam eigentlich so gut wie nie Besuch. Egal.

"Herein?"

Die Tür öffnete sich und ich hörte Absätze klacken. Ich drehte mich auf meinem Stuhl und stutze.

Das war ein Scherz.

Mit zwei Ordnern vor die Brust geklemmt, die Haare zu einem hohen Zopf gebunden, stand Fabienne in meinem Büro und machte große Augen.

Was wollte Die denn hier?

Ich richtete mich auf und stellte meinen Kaffee weg, während ich versuchte meinen Blick auf ihrem Gesicht zu lassen. "Fabienne?"
Ich klang nicht wirklich begeistert. Und das war ich auch nicht. Ich hatte nichts gegen heiße Frauen, auf keinen Fall, außer wenn ich sie nicht haben konnte, dann schon.

"Herr Spencer?", hauchte ihre Stimme. Man sah in ihren Augen, dass sie hoffte, ich wäre nicht Herr Spencer. Tja, Pech.

"Ja."

Ich wartete darauf, dass irgendwie reagieren würde. Auf mich zukommen würde, um mir zu sagen, dass sie auch diese Anziehungskraft spürte.

Doch es passierte etwas Seltsames. Der Ausdruck in ihren Augen änderte sich innerhalb von Millisekunden. Ich sah, wie sie kurz durchatmete. Sie nahm die Schultern zurück, hob den Blick und lächelte mich an.
Sie klemmte sich die Ordner unter einen Arm und kam mit eleganten Schritten auf mich zu. "Fräulein Ramirez, freut mich, Sie kennenzulernen."

Ich war dermaßen verwirrt von dem plötzlichen Sinneswandel, dass ich fast vergaß die Hand, die sie mir hinhielt anzunehmen. "Äh", stammelte ich überrumpelt.

Mein Blick richtete sich auf sie. Das Lächeln in ihren matten Augen verfestigte sich. "Herr Spencer?"

"Ja. Ja, freut mich ebenfalls."

"Ich bin Herr Carters neue Assistentin, also die Vertretung. Er meinte, Sie würden gerade an einem Projekt in seinem Auftrag arbeiten. Ich sollte mal vorbei hören."
Ich war dermaßen perplex, ob ihres Verhaltens, dass ich Mühe hatte, einen graden Ton rauszubringen. Das war eindeutig Fabienne, es war auch ihre Stimme, aber der Ton war ganz anders. So professionell - so betont freundlich.

"Ja, Fabie-, Entschuldigung, Fräulein Ramirez, natürlich."

Ich wendete mich einem meiner Rechner zu und suchte die aktuellen Dateien meines Projektes von Carter raus.

Fabienne wartete schweigend. Sie sah mir über die Schulter und beobachtete jede meiner Bewegungen. Als ich auch nach längerem Suchen die Datei nicht fand, hörte ich sie genervt seufzen. "Herr Spencer, ich habe noch mehr zu tun, wie Sie sicher sehen." Sie zeigte mir die beiden Ordner.

Ich warf ihr einen gereizten Blick zu, der sie aber überhaupt nicht zu berühren schien.

Tz.

Sie fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare und lächelte mich an. "Was ich damit ausdrücken möchte:" Sie pausierte kurz und leckte sich über die Lippen. Eine Geste, die man ihr eindeutig verbieten sollte. "Wird's bald?"

Abfällig rümpfte ich die Nase und stand auf, um den Ordner aus meinem Regal zu holen, wo der ganze Kram auf jeden Fall noch sein musste. Ich hatte Glück, es war einer der Ersten. Erleichtert zog ich ihn aus dem Regal und ging zurück zu meinem Schreibtisch.

"Setzten Sie sich doch." Ich deutete auf einen Stuhl, der in der Ecke stand. Sie nickte und zog sich den Stuhl ran. "Gerne. Ich bin ganz Ohr."

Sie platzierte den Stuhl neben mir, aber setzte sich so, dass wir quasi gegenüber voneinander saßen. Zwischen uns platzierte ich den Ordner und hoffte, dass ich das wichtige Zeug schnell finden würde.

Fabienne lehnte ihren Kopf gegen ihre halb geschlossene Faust und beugte sich zu mir vor.

"Ähm." Ich sah auf und blieb mit dem Blick im Ausschnitt ihrer Bluse hängen. In mir meldete sich wieder dieses Verlangen zu Wort. Bilder, wie ich sie gegen die Hoteltür presste, vereinnahmten meine Gedanken, das Gefühl ihrer samtweichen Lippen auf meinen brachte mich aus dem Konzept.

Fabienne hingegen wirkte völlig in ihrer Rolle. Sie schien gar nicht zu merken, wie sie mir ihr Dekolleté unter die Nase hielt. Etwas desorientiert wendete ich mich wieder meiner Arbeit zu.

Die nächste halbe Stunde war wie die reinste Folter. Ich verhaspelte mich dermaßen oft, dass es peinlich war, weil ich die Bilder von der Nacht mit ihr nicht aus dem Kopf bekam. Zum Glück tat sie es immer mit einem freundlichen Lachen ab oder überging es ganz einfach.
Ich war von ihrer hundertprozentigen Professionalität beeindruckt.

"Ja, das war's dann auch", beendete ich mein kurzes Briefing und versuchte ihr, diesmal ohne Umwege, in die Augen zu sehen.

"Prima. Wir hören sicher noch voneinander." Sie lächelte mich an. Doch dann machte sie etwas Unerwartetes - schon wieder.

Sie beugte sich zu mir vor, sodass sich unsere Nasenspitzen bald berührten. Das Professionelle in ihrem Blick verschwand innerhalb von Sekunden und machte Platz für etwas anderes; intensives, verruchtes. Der Geruch eines Parfums kitzelte meine Nase. "Ach übrigens", raunte sie mir zu.

In meiner Brust zog sich alles zusammen.

Na endlich, ging doch. Ein selbstsicheres Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. "Ja?"

"Colin, selbst wenn du aussiehst, wie Sex auf zwei Beinen:" - ihr Lächeln war eine Mischung aus gemein und aufreizend - "Du kannst den Gedanken von uns beiden auf diesem Schreibtisch sowas von vergessen." Sie zog die Lippe durch ihre Zähne, was mich - in Kombination mit ihren Worten - völlig auf die Palme brachte. Meine Atmung schien wie blockiert, mein Herzschlag beschleunigte sich, die Verlockung ihr einfach meine Lippen aufzudrücken, war so extrem groß.

"Dann solltest du das lassen", flüsterte ich, bemüht mein Verlangen im Zaun zu halten. Ihre Lippen zuckten amüsiert und gerade als ich mich entschied den Abstand zwischen uns doch zu überbrücken, wich sie zurück. Frustriert knurrte ich auf, als sie aufstand und mich anlächelte.

"Wir sehen uns."

Jahaa, so da bin ich wieder :)
Was haltet ihr von dem Auftritt von Fabienne? Sowohl von dem professionellen, als auch von dem anderen.

Wir lesen uns^^
Elli🌹

Everyone has SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt