Sixty-four - Fabienne mal zwei und eins sind drei

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Colin

Ich saß mit Fabienne auf dem Sofa, hatte meinen Arm um sie gelegt, während ihre roten Haare mich am Hals kitzelten. Sie nippte seit einer halben Stunde bereits an ihrer Weinschorle und starrte mehr oder weniger ins Nichts, während im Fernseher eine geschmacklose Sit-Com vor sich hinplätscherte.

Nach weiteren zehn Minuten, regte Fabienne sich schließlich plötzlich und setzte sich so, dass sie mich ansehen konnte. Das ganze so schwungvoll, dass sie mir ihre Locken einmal durch die Augen zog. Grummelnd zuckte ich zurück und sah durch meinen - nun leicht verschleierten - Blick an. "Ja?"

Sie beobachtete mich schweigend und fing schließlich an zu Lächeln. "Gar nichts..."

Doch ihre Hände sagten etwas ganz anderes. Sie presste sie gegeneinander und spielte mit ihnen, als würde sie jeden Moment explodieren. Wenn sie sich nicht darauf konzentrierte benahm sie sich eben auch wie ein ganz normaler Mensch.

"Kätzchen?"

Sie seufze und schaute mich an. "Ich will dich nicht anlügen, weißt du?"

"Das befürworte ich sehr", nickte ich grinsend und griff nach ihren unruhigen Händen.

"Es gibt da jemanden..."

Sofort erstarrte ich. Ein Messer jagte mir durch den Rücken, innerhalb von wenigen Sekunden war ich zum zerbersten angespannt. "Was?"

"Nicht so wie du denkst, lass mich ausreden..." Sie holte tief Luft und entzog mir ihre Hände. Angelte ihr Handy vom Wohnzimmertisch und ließ mich leise vor mich hin kochen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich auf einen Flusen starrte, fuhr sie mit ihren kühlen Fingern unter mein Kinn und zwang mich, in ihre lichtgrünen Augen zu blicken. "Guck nicht so Colin. Für einen anderen Mann wäre ich viel zu verkorkst."

Meine Lippen bogen sich ein widerwilliges Stück nach oben, während ihre Augen zu ihrem Handy wanderten. Neugierig folgte ich ihrem Blick und sah ein kleines Mädchen, mit langen, unfassbar roten Haaren, glücklich auf einer Schaukel sitzen. Mit einem hellen Lächeln auf den Lippen - Sie ähnelte Fabienne sehr.

Ich legte den Kopf schief und schielte zu Fabienne. "Bist du das?"

"Nein." Sie wischte weiter und da erkannte man, dass es eindeutig nicht Fabienne war. Zwischen den rubinroten Haaren des Mädchens leuchteten aquamarinblaue Augen, umrahmt von vielen Sommersprossen. "Ist das Naturrot?"

Sie nickte und wischte noch einmal weiter. Das gleiche Mädchen saß auf dem Schoß einer blonden, junge Frau, irgendwo auf einem Sessel, der auch als Thron durchgegangen wäre und betrachtete durch leuchtende Augen ein Paar Spitzenschuhe. Die junge, blonde Frau hatte die gleichen grünen Augen, wie Fabienne sie hatte und trug die blonden Haare zu einem großen Dutt. "Das ist Lilu..." Sie holte Luft und schaute mich an, wie ein nervöses Rehkitz. "Meine Tochter."

Ihre...?

Mir rutschte fast das Handy aus den Händen. Verdattert sah ich sie an und wischte weiter. Bild um Bild, bis ich schließlich ein Bild fand, auf dem Fabienne und die Kleine zusammen drauf waren. Minnie Fabienne zeigte Lachend das Peace während Fabienne selbst sie auf dem Schoß hatte und lächelnd beobachtete, als hätte sie gar nicht mitbekommen, dass sie fotografiert wurden. "Wie heißt sie?", fragte ich murmelnd nochmal.

"Lilura."

"Was bedeutet das?"

"Faszination und Verzauberung. Und es scheint zu passen, sie will Tänzerin werden." Lächelnd nahm sie mir das Handy aus den Händen und machte es aus. "Lilu lebt bei meiner Schwester, in Berlin - Also Deutschland. Meine Schwester ist auch Tänzerin, sie hat mal in London getanzt, ist aber zurückgekommen. Ich bin dann zu ihr gezogen und wir haben dann quasi zu dritt dort gelebt. Es ist jetzt sieben Uhr dort... Vor einiger Zeit noch habe ich um die Zeit immer aufwändige Abendessen gemacht, Salate - Kein Fleisch, Lilu isst vegetarisch. Und morgens isst sie immer Obstmüsliriegel - Aber ohne Esspapier, weil ihr das überhaupt nicht schmeckt. Und Wasser mit Pfirsichgeschmack nimmt sie immer mit, für die Schule. Wasser ist nämlich zu langweilig. Und dann fährt sie mit dem Fahrrad zur Schule, fahren darf ich sie nicht. Das ist nämlich wichtig für die Bewegung, hat ihre Trainerin gesagt. Aber die Schule ist fünf Minuten von Evelyns Wohnung entfernt, also kann ich damit leben - Heute ist Donnerstag also hatte sie in der ersten Stunde Sachkunde. Sie hasst Sachkunde, weil man da nur Sachen lernt, die man eh schon weiß..."

Everyone has SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt