Sixty-nine - Wie die Ruhe vor dem Sturm

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Fabienne

So saß ich da also schon seit einer Ewigkeit.

Mit der Angst meines Lebens, einem Karton voll Aktenordnern, einem riesigen, schwarzen Koffer und einem heißen Kakao saß ich in einem Flieger in Richtung Deutschland auf einer Couch, in einem Privatjet von Ryan Carter.
Um Colin davon abzuhalten mit mir zu reden, hatte ich Kopfhörer in den Ohren und tat als schliefe ich. Eigentlich nutzte ich die Chance um Stewart und Colin ein wenig zu belauschen.

"Werden wir in Deutschland Zeit für einen Whiskey haben?"

"Du meinst wie in der Zeit, in der du Stunden um Stunden bei Carter im Büro gesessen hast, um über mich zu wachen." Ich konnte Colin Schmunzeln hören.

"Musst du dir dafür eine Berechtigung holen? Ich würde mal behaupten, Fräulein Ramirez nimmt dich an die kurze Leine."

Ich verschluckte ein Grinsen und wartete gespannt auf die Antwort.

"Das würde ich so nicht sagen. Eifersüchtig?"

Das Rascheln eines Anzugs ertönte. "Überrascht."

"Überrascht?", lachte Colin.

"Colin Spencer hat eine Freundin. Und Fräulein Ramirez hat Klasse, das muss man ihr lassen."

"Willst du damit sagen, ich spielte nicht in ihrer Liga?"

Nun war es an Stewart zu lachen. "Überhaupt nicht."

Ich beschloss die Augen zu öffnen und nahm die Kopfhörer raus. "Wie lange haben wir noch?"

"Vier Stunden."

Seufzend verdrehte ich die Augen und ließ meinen Kopf auf Colins Schulter fallen. "Können wir nicht umdrehen?"

"Kätzchen, du, Stewart und ich, wir sollen gerade CarterCorp retten. Wir können nicht einfach umdrehen", erwiderte Colin leise lachend. Schnaufend tippte ich auf seinem Oberschenkel rum. "Ich will nicht. Außerdem ist Berlin hässlich."

"Ach kommen Sie. Sie wollen diese Firma auflaufen lassen, weil Ihnen Berlin nicht gefällt, Kätzchen?"

Colin warf Stewart einen bitterbösen Blick zu und legte demonstrativ einen Arm um mich. Auch ich verzog das Gesicht, konnte dann aber ein Grinsen nicht unterdrücken. "Stewart, wir können uns sehr gerne auf du einigen, aber bitte - Keine Spitznamen."

Jakes braune Augen schimmerten amüsiert. "Also, Fabienne, du kommst gebürtig aus Deutschland?"

Und lasst das Kreuzverhör beginnen.
Colin schien ein Lachen zu unterdrücken - Er wusste, wie gern ich über mich redete. Noch immer mehr oder weniger an meinen Freund gekuschelt schielte ich zu Jake und versuchte, so unberührt wie möglich auszusehen. "So steht es jedenfalls in meinem Lebenslauf. Uns du?"

"Heuchelt sie öfter Interesse um Fragen nicht zu beantworten?", wand er sich nun an Colin.

"Wenn du wüsstest..." Schwer stieß er ein seufzen aus und pikte mir neckisch in die Seite.

Auf den vier Stunden Flug ließen wir davon ab, uns durch seltsamen Smalltalk besser kennenzulernen, sondern redeten über die Firma. Vor allem Leute, die dort arbeiteten. Solche wie Cassidy und Gabriel. Es stellte sich heraus, dass nicht mal Ryan Carter Gabriel sonderlich leiden konnte und dieser nur noch in der Firma arbeitete, weil es niemand gab der besser war als Gabriel - leider.

In Pausen der Stille hörte ich Musik oder schlief. Eigentlich hatte ich ja vor, mich schon mal mit den Akten betraut zu machen, aber darauf hatte ich keine Lust. Außerdem versuchte ich mehr und mehr das mulmige Gefühl in Schach zu halten, je näher wir Berlin kamen.

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