35. Kapitel

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Mit der Masse werden wir in einen riesigen Speisesaal gedrängt, in dem viele runde Tische stehen, an denen immer fünf Personen Platz finden. An der rechten Wand kann ich eine große Bühne erkennen und an der linken ist ein kleiner beleuchteter Gang, an dem ein sehr stilvolles, aber doch auffälliges Schild auf die Toiletten hinweist. Die Lichter an den Wänden sind mit roten Bändern und Blumen geschmückt, die weißen Vorhänge, die den Blick auf den großen Garten freigeben, sind mit Lichterketten ausgestattet, durch die die Vorhänge scheinen als wären sie aus flüssigem Licht. Die Tische sie mit weißen Tischdecken und je einem Blumengesteckt aus Rosen und einem Kerzenständer verziert und eine Menge an Besteck liegt an jedem Platz bereit. Die Stühle selbst sind mit weißem Stoff überzogen, der jedoch kurz über der Sitzfläche mit einem roten Band verziert wurde, das an der Lehne in einer großen Schleife endet. Elegant führt Kate mich durch die Gänge zwischen den Tischen auf einen Tisch zu, von dem aus man den besten auf die Bühne blicken kann. Als ich sehe, wer mit uns an diesem Tisch sitzt, klammere ich mich fest an Kate. Sophie, ihr Vater und die mir unbekannte Frau sitzen an diesem Tisch. „Wie wundervoll, dass wir zusammen sitzen", sagt Kate, während sie den leeren Stuhl neben Sophie ein Stück zurück zieht. Als ich das Kärtchen mit meinem Namen an diesem Platz sehe spüre ich, wie sämtliches Blut meinen Kopf verlässt. Um nicht umzukippen, lasse ich mich auf den Stuhl sinken den meine Frau mir zurechtrückt, bevor sie sich auf den Platz rechts neben mir sinken lässt. Ich will sofort nach ihrer Hand greifen, die locker auf dem Tisch liegt, aber sie schüttelt nur kaum merklich den Kopf und ich lasse meine Hand auf dem Tisch neben ihrer liegen. „Lady Katherine, es freut mich so sehr, dass sie kommen konnten. Meine Tochter hat es sich so sehr gewünscht, dass ihre Patentante zu ihrem Geburtstag kommt", begrüßt uns die Dame am Tisch, die wohl Sophies Mutter sein muss. „Meine Frau und ich fühlen uns durch die Einladung sehr geehrt. Es war uns eine Freude an dieser Feier teilnehmen zu dürfen." Kate betont die ersten zwei Worte und erst dann scheint Sophies Mutter mich zu bemerken. „Oh bitte verzeiht, ich bin untröstlich. Erlauben sie mir mich vorzustellen. Lady Elena Hastings. Lady Sophie ist meine Tochter." Erschrocken blickt sie mich mit haselnussbraunen Augen an, die nicht so ganz zu ihren dunklen, schwarzen Haaren passen wollen. „Es freut mich sehr sie kennenzulernen", lächle ich sie an. „Ich habe mich wirklich sehr gefreut zu hören, dass du mit Beverly kommst Tante Katherine. Ich habe euch schon seit eurer Hochzeit nicht mehr gesehen." Sie sieht mich traurig an, obwohl sie mit Kate spricht. „Ich hatte schon befürchtet ihr würdet meine Einladung ablehnen." „Natürlich nicht Sophie, du bist doch meine Patentochter." Kate lächelt Sophie falsch an, aber die achtet gar nicht auf sie, sondern legt mir ihre Hand auf den Arm. Es brennt, fühlt sich an, als würde sie meinen Arm verbrennen. Langsam ziehe ich den Arm zurück. Ich kann mich nicht schnell bewegen und sie auch nicht anschreien, dass sie das bitte lassen soll, nicht hier auf der Feier und vor ihren Eltern, auch wenn ich es gerne würde. Vorsichtig, um kein Aufsehen zu erregen rutsche ich auf meinem Stuhl soweit es geht von Sophie weg. Die Geräusche ihres Atems neben mir, die Wärme, die ihr Körper abgibt, all das strömt auf mich ein und ich habe immer mehr das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Ich wende meinen Blick Kate zu, die ein Gespräch mit Elena begonnen hat. Sie scheint mich gar nicht wirklich zu beachten. Sophie rutscht ein Stück weiter zu mir hin und ich spüre den missbilligenden Blick ihres Vaters auf mir. Ganz langsam beugt sich Sophie zu mir. Fast schon spüre ich ihren Atem an meinem Ohr, aber die Sklaven, die kommen, um das Essen zu servieren, verhindern, dass sie wirklich bis zu mir kommt. Dankbar lasse ich den Teller vor mich stellen. Der erste Gang besteht aus Kopfsalat mit einem Jogurtdressing, warmem Ziegenkäse, Schinken und Granatapfelkernen. Es ist schön anzusehen und das Beste ist, es lenkt Sophie ab, denn jetzt, wo der erste Gang da ist, wird zuerst ihr Vater und wahrscheinlich auch sie ein paar Worte sagen müssen und ich bin sie zumindest ein bisschen los. Der feine Klang eines Stücks Metall, das an ein dünnes Glas schlägt, lässt jedes Geräusch um uns herum verstummen. Sophies Vater ist aufgestanden und fordert die Aufmerksamkeit aller im Raum. „Ich möchte sie alle herzlich willkommen heißen. Ich freu mich sehr, dass sie alle heute Abend den Weg zu uns gefunden haben, um diesen Tag mit meiner Tochter, Lady Sophie, zu feiern", beginnt er mit lauter Stimme, die bis in die letzte Ecke des Raumes zu dringen scheint. Ein eiskalter Schauer läuft über meinen Rücken, als in meinem Kopf Bilder von dem Moment auftauchen, als ich diese Stimme zum letzten Mal gehört habe. Reflexartig lege ich meine Hand auf meinen Bauch, genau an die Stelle, wo ich weiß, dass dort die kleine, feine Narbe ist, die die Operation damals dort hinterlassen hat. „Unsere Tochter ist für meine Frau und mich das wichtigste auf der Welt. Umso mehr freut es uns, dass sie alle, sie auch zu schätzen wissen gelernt haben und sie nun schon sehr lange begleiten. 17 Jahre ist Lady Sophie jetzt schon auf dieser Welt und ich bereue keine Sekunde dieses Lebens, die ich mit ihr verbringen durfte. Auf meine Tochter. Auf Lady Sophie Hastings." Er hebt sein Glas und der ganze Raum tut es ihm gleich. Auch ich hebe meine Glas und spreche mit den anderen um mich herum mit, die ihr zutrinken. Ich schaffe es kaum den kleinen Schluck nicht wieder hoch zu würgen. Alles in mir scheint sich zu sträuben. Als alle ihre Gläser wieder abgestellt haben, sehe ich erstaunt auf Kate die sich von ihrem Stuhl erhebt. Ich hätte gedacht jetzt würde nur noch Sophie ein paar Worte sagen. „Meine liebe Sophie. Auch ich möchte diese Gelegenheit nutzen zu sagen, wie sehr es mich freut heute mit dir hier zu sein, um deinen Geburtstag zu feiern. Der Tag, an dem dein Vater mich gebeten hat deine Patentante zu sein, gehört zu einem der schönsten Tage meines Lebens. Auf dich meine liebe Sophie. Möge das kommende Jahr dir geben was du verdienst." Auch sie hebt ihr Glas, damit alle mit ihr auf Sophie anstoßen können. Noch bevor Kate wieder richtig auf ihrem Platz sitzt, steht Sophie schon auf. „Danke allen, für diese netten Worte. Ich freue mich unheimlich, dass sie alle heute Abend mit mir feiern. Ich hoffe diese Feier wird ihnen allen genauso viel Freude bereiten wie mir. Auf sie meine Damen und Herren." Sophie trinkt uns allen zu und wir trinken ihr zu. Mir ist einfach nur schlecht. All die geheuchelten Worte, Sophies Blick, der immer wieder auf mir klebt... Ich beginne zu schwitzen.

Yes, MyladyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt