Kapitel 6

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Paul hatte im Flur vor dem Zimmer gewartet. Als Stephan heraus kam, sagte er nicht viel. "Wir müssen los!", war das einzige und dann lief er einfach an Paul vorbei. Dieser folgte ihm. "Sagst du mir auch wohin?", fragte Paul seinen Kollegen. "Ein riesiges Arschloch einfangen!", erwiderte Stephan wütend. "Klingt nach Spaß!", meinte Paul daraufhin und wenig später saßen sie im Auto.
Sie fanden das Haus direkt, aber sie fanden nur ein Chaos vor. Der Mann musste hier getobt haben. Stephan spürte wie noch mehr Hass in ihm aufstieg. Als er einen geöffneten Laptop auf dem Wohnzimmertisch stehen sah, konnte er nicht anders als nachzusehen was auf dem Bildschirm angezeigt wurde. Es war die Website des Krankenhauses, in dem Elena war. Neben dem Laptop lag eine Liste mit Kliniken in Köln, ein paar waren bereits durchgestrichen.
Als Stephan den Namen der nächsten Klinik sah, klingelten bei ihm sämtliche Alarmglocken. Sie mussten zurück ins Krankenhaus zu Elena.
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Zur gleichen Zeit parkte ein Mann seinen Wagen auf dem Parkplatz der Klinik am Südring. Er hatte es eilig. Der Mann war Kai Bergmann. Er holte aus dem Handschuhfach seine Waffe, die er in den Hosenbund steckte und den Lauf unter dem T-Shirt verschwinden ließ. Als nächstes holte er ein Bild hervor, das seine Freundin zeigte. Elena Novak. Und er wollte nur eins, sie finden. Um dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. Und er würde es nicht zulassen, dass sie ihm nochmal entwischte. Er würde mit ihr an einen Ort fahren, wo sie niemand finden würde.
Kai hatte bereits einige Kliniken aufgesucht, jedoch hatte niemand Elena erkannt. Hier musste es klappen, denn ihm gingen die Optionen aus. Wenn sie hier nicht war und in keiner der noch übrigen Kliniken, wo sollte sie sonst sein? Er musste sie einfach finden.
Er stieg aus und ging zielsicher zur Information. "Guten Tag, was kann ich für sie tun?", fragte ihn eine Frau, die dort zuständig war. Kai hatte extra einen besorgten Blick aufgesetzt. "Ich suche meine Freundin, sie ist verschwunden!", sagte er gespielt panisch. "Ganz ruhig, wie ist denn der Name ihrer Freundin und wie sieht sie aus?", wollte die Frau wissen. Daraufhin legte Kai ihr das Bild vor. "Das ist sie, Elena Novak!", erklärte er. Die Frau sah sich das Bild ganz genau an und nickte.
"Ich kann sie beruhigen, ihre Freundin ist hier.", antwortete die Frau. "Oh, Gott sei Dank!", meinte Kai und brachte dann ohne Probleme die Zimmernummer von Elena in Erfahrung. Die Frau glaubte ihm alles was er sagte, er spielte den verängstigten Lebensgefährten richtig überzeugend. Er bedankte sich überschwänglich und machte sich auf den Weg nach oben. Er benutzte absichtlich die Treppe.
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Vor fünf Minuten ungefähr hatte man Marie zurück aufs Zimmer gebracht. Sie schlief, da man ihr Schmerzmittel gegeben hatte. Sie würde noch heute operiert werden. Ich selbst lag da und versuchte nicht über das was vor sich ging nachzudenken.
Aber das funktionierte leider nicht wirklich. Ich starrte die Decke an, merkte aber das ich schon wieder auf Toilette musste. Normal, wenn man schwanger war. Also stand ich auf und ging ins Bad. Aber ich ahnte noch nicht, was gleich passieren würde.
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Kai lief durchs Krankenhaus und fuhr mit dem Aufzug auf die Station, auf die er musste. Er fiel zwischen all den Leuten gar nicht auf. Es dauerte nicht lange, bis er das Zimmer gefunden hatte. Er betrat es ohne zu klopfen. Leise schlich er über den Boden, fand aber nur ein leeres Bett vor. In dem anderen lag ein junges Mädchen.
Kai ging näher an sie heran. Das Mädchen schlief seelenruhig. Dann hörte er, wie jemand im Bad die Toilettenspülung betätigte. Er war sich sicher, dass er im richtigen Zimmer war und holte seine Waffe hervor. Kai hatte einen Plan wie er Elena freiwillig dazu bringen konnte mit ihm zu kommen und das Mädchen würde ihm dabei behilflich sein.
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Nachdem ich fertig war, wusch ich noch meine Hände und ging dann zurück ins Zimmer. Als ich erkannte er neben Maries Bett stand blieb ich wie angewurzelt stehen. Sofort stieg die Panik in mir auf. "Hallo, Schatz!", sagte er und grinste hämisch. "Freust du dich denn nicht mich zu sehen?", fragte er mich. Ich lief langsam rückwärts. Ich wollte zur Tür hinaus rennen und um Hilfe rufen. Aber dann sah ich, dass er seine Hand hob und Marie den Lauf seiner Pistole an die Schläfe hielt.
"Tu nichts unüberlegtes, Baby.", sagte er gespenstisch ruhig. "Oder ich blase der Kleinen den Kopf weg!", drohte er mir an. "Sie.. sie kann nichts dafür!", erwiderte ich panisch. "Das kann hier keiner.", antwortete Kai und grinste wieder. "Deshalb würde ich dir raten, ohne großes Aufsehen zu erregen, mit mir diese Klinik jetzt zu verlassen. Ansonsten fängt sich jeder eine Kugel ein, der meint sich mir in den Weg stellen zu müssen!" Ich wusste das er das tun würde.
"Du hast die Wahl.", redete er weiter. "Entweder du kommst freiwillig mit mir oder es werden Leute sterben. Und die Kleine hier wird die erste sein!" Mir blieb letztendlich nichts anderes übrig als auf seine Forderung einzugehen. Ich packte meine wenigen Sachen zusammen und dann endlich nahm er die Waffe von Maries Kopf weg. Er steckte sie ein, packte mich an der Hand und zog mich Richtung Tür. "Wenn jemand fragt machen wir zwei nur einen kleinen Spaziergang, kapiert?!" Ich nickte und wir verließen das Zimmer.
Kai ließ meine Hand nicht los und ich musste mich zusammen reißen, um keinen Fluchtversuch zu unternehmen. Er würde ansonsten unschuldige Menschen verletzen. Deshalb ließ ich mich von ihm nach draußen bringen. Vor unserem Auto blieben wir stehen. "Steig ein!", befahl er mir, nachdem er die Beifahrertür geöffnet hatte. Ich gehorchte. Er stieg auf der anderen Seite ein und fuhr los.
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Stephan und Paul waren inzwischen fast wieder bei der Klinik angekommen. Sie fuhren mit Sonderrechten, um schneller dort sein zu können. Stephan hatte schnell den Velauf des Browsers gecheckt und eine Route gefunden, die er vorsichtshalber ausgedruckt hatte. Denn wenn sie zu spät kamen, vermutete er stark das der Irre mit Elena genau diesen Weg fahren würde. Er führte aus Deutschland raus.
Kaum hatte Paul das Auto abgestellt sprang Stephan nach draußen und rannte in die Klinik. Auf der Station angekommen stürmte er sofort in Elenas Zimmer. "Elena?", rief er. Doch Marie war alleine im Zimmer. "Und?", fragte Paul, der seinem Kumpel hinterher gerannt war. "Sie ist weg!", antwortete Stephan. "Vielleicht ist sie nur bei irgendeiner Untersuchung.", versuchte Paul seinen Freund zu beruhigen. "Ihre Sachen sind auch nicht mehr da!", widersprach Stephan und eilte nach draußen. Er fragte eine Schwester, die meinte das Elena eigentlich in ihrem Zimmer sein musste, da keine Untersuchungen vorgesehen waren. Eine andere Pflegerin hörte das Gespräch mit und offenbarte den Polizisten, dass Elena vor circa zehn Minuten mit einem Mann die Station für einen Spaziergang verlassen hatte. Für sie hatte alles normal gewirkt, deshalb habe sie nichts unternommen. Stephan wusste sofort wer dieser Mann gewesen sein musste.
Um sicherzugehen sahen sie sich dennoch die Überwachungsaufnahmen unten im Foyer an. Sie konnten sehen, wie Elena mit dem Mann das Krankenhaus verließ. Zum Glück gab es noch eine Kamera auf dem Parkplatz, so konnten sie das Kennzeichen des Wagens ermitteln und eine Fahndung raus geben. Anschließend verloren die Beamten keine Zeit mehr. Sie stiegen selbst in ihren Einsatzwagen, um die Verfolgung aufzunehmen. Sie hatten nur diese Route als Hinweis. Sollte die nicht stimmen würde es nicht einfach werden Elena zu finden. "Ich hätte sie nicht alleine lassen dürfen!" Stephan machte sich die größten Vorwürfe. "Das konnte keiner erahnen.", antwortete Paul. "Aber wir werden sie finden, verlass dich drauf!" Paul war eindeutig der optimistischere von beiden.
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Wir schwiegen und Kai bretterte die kurvigen Straßen entlang. Anscheinend konnte er es kaum erwarten dort an zu kommen wo er hin wollte und weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. Er hatte mir gesagt, dass wir weit weg fahren würden. Und das er jemanden hatte, der sich um unser Problem kümmern konnte.
Er wollte, dass ich das Baby abtreiben ließ. Vorsichtig legte ich eine Hand auf meinen Bauch. 'Es tut mir leid!', dachte ich und wollte mich so bei meinem Baby entschuldigen. Kai holte die Waffe hervor und legte sie sich auf den Schoß. Wahrscheinlich um sie eher griffbereit zu haben. Mich packte die Todesangst. Ich musste hier raus, aber so schnell würde er nicht mehr anhalten. Ich bezweifelte auch, dass mich jemand finden würde. Aber als ich zufällig in den Rückspiegel sah, entdeckte ich etwas das mir wieder Hoffnung gab.
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Stephan fuhr verdammt schnell. Er hoffte den Typen so noch einholen zu können. Nach ungefähr zehn Minuten kam ein Auto in Sicht, das dem gesuchten sehr ähnlich war. "Das könnten sie sein.", fiel auch Paul auf und er versuchte das Kennzeichen zu erkennen. Aber eigentlich waren sie bereits sicher, dass sie den richtigen Wagen gefunden hatten.
Deshalb fuhr Stephan noch schneller. "Stephan, langsamer!", befahl Paul ihm. "Wenn der uns sieht, bevor wir einen Plan haben, wird er Elena bestimmt ernsthaft weh tun!", warnte Paul seinen Freund. "Das hat er bereits getan!", rief Stephan aufgebracht. "Ich weiß, aber wenn wir vorschnell eingreifen wird er vermutlich noch aggressiver sein! Wir bleiben dran und rufen Verstärkung. Der muss irgendwann anhalten, dann holen wir Elena da raus.", erklärte Paul seinen Plan.
"Ich hab ihr versprochen, dass ihr niemand mehr etwas tun wird!", meinte Stephan. "Wenn ihr oder dem Baby irgendwas passiert, werde ich mir das nie verzeihen!" Paul wusste, dass Elena Stephan jetzt schon viel bedeutete. Er mochte sie sehr. "Wir kriegen das hin!", erwiderte Paul und endlich verringerte Stephan die Geschwindigkeit. Paul alarmierte dann sofort seine Kollegen.
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Ich erkannte, dass hinter uns ein Polizeiauto fuhr. Und ich meinte auch Stephan am Steuer zu erkennen. Sofort breitete sich ein Gefühl der Erleichterung in mir aus, denn er folgte uns bestimmt nicht zufällig. Sie mussten uns irgendwie gefunden haben und vielleicht kam ich hier doch noch raus. Doch noch war ich nicht frei, ich musste also ruhig bleiben und den richtigen Moment abwarten. Da Unterstützung nah war, könnte ich einen Fluchtversuch wagen. Aber wir fuhren mit rasender Geschwindigkeit umher, wie sollte ich jemals aus dem Auto raus kommen? Kai würde bestimmt in nächster Zeit nicht freiwillig anhalten.
"Was gibt's denn da spannendes zu sehen?", fragte dieser grimmig und ich schreckte unmerklich auf. Ich hatte zu lange in den Rückspiegel gesehen. "Nichts. Ich dachte nur, der Spiegel ist wieder mal verstellt." Er durfte auf keinen Fall mitbekommen, dass wir verfolgt wurden. Die Polizisten fielen ein wenig zurück, was meiner Meinung nach aber Absicht war. Sie wollten sicherlich auch nicht entdeckt werden. "Wohin fahren wir?", fragte ich. Ich wollte ihn mit einem Gespräch ablenken. "Das wirst du schon sehen.", antwortete Kai und grinste boshaft. "Noch kannst du aufgeben. Lass mich aussteigen und ich werde niemandem etwas erzählen, das schwöre ich." Ich versuchte ihn zur Vernunft zu bringen, aber es war vergebens. "Oh, Elena!" Er lachte auf. "Ich werde dich nicht gehen lassen. Nie wieder!" Er erhob die Stimme und ich zuckte zusammen.
"Was ist nur aus dir geworden?", fragte ich und mir kamen die Tränen. "Ich hätte schon früher durchgreifen sollen!", herrschte er mich an. "Du hast lange genug gemacht was du wolltest, jetzt reicht es! Du wirst mir gehorchen und wenn nicht, dann wirst du die Hölle auf Erden erleben!" Ich wusste das er das alles so meinte. "Als erstes lassen wir mal das Ding, das da in dir wächst, schnellstmöglich entfernen!" Nun kochten meine Emotionen über. "Dieses Ding ist dein Kind!", schrie ich. "Bedeutet dir das denn gar nichts?! Es ist ein Teil von dir!" Kai hatte einen irren Ausdruck im Gesicht. "Meinst du wirklich ich wollte jemals Kinder mit dir?!", fragte er mich. "Nein, nie! Du bist nichts wert, hast du dich eigentlich mal angeschaut?! Du solltest froh sein, dass ich mich noch mit dir abgebe! Kein anderer wird dich je wollen, du bist ein Stück Dreck mehr nicht!" Ich schluchzte auf, denn seine Worte trafen mich hart. "Dein Vater mag dir vielleicht alles in den Arsch geschoben haben, aber ab jetzt wirst du nichts mehr ohne meine Erlaubnis tun! Du gehörst mir, mir ganz allein und du wirst mir Spaß bereiten wann immer ich es von dir verlange!" Ich wusste was er meinte. Er würde ab jetzt wahrscheinlich immer so grob mit mir umgehen, selbst während wir miteinander schliefen. Dazu würde er mich zwingen. Genau wie in der Nacht als das Baby gezeugt worden war und die Male danach. Es war anders gewesen als früher, von Zärtlichkeit keine Spur. Dabei war er das früher gewesen. Und ich wollte so ein Leben nicht führen. Ich würde selbst den Tod in Kauf nehmen, nur um ihm zu entkommen.
"Wenn ich so ein Stück Dreck bin, warum willst du dann unbedingt das ich bei dir bleibe?", wollte ich wissen. "Weil du ansonsten niemanden finden wirst, wie gesagt. Du solltest mir dankbar sein, Elena! Dank mir wirst du wenigstens noch zum Putzen und für meine Bespaßung nützlich sein! Obwohl du ja nie wirklich eine Granate im Bett warst, eher ein Brett!" Er lachte als hätte er gerade den Witz des Jahres gerissen. "Warum suchst du dir dann nicht einfach eine andere?", fragte ich und unterdrückte ein weiteres Schluchzen. "Ich hatte bereits ein paar andere.", erzählte er mir nun stolz. "In all den Jahren hatte ich ungefähr.. sagen wir mal sechs oder sieben andere Weiber, die sich hundert mal besser angestellt haben als du!" Ich konnte es nicht fassen. "Eine von ihnen hieß übrigens Selina.", erzählte er mir nun und er sprach von jemandem den ich kannte. Meiner ehemaligen besten Freundin, die vor ein paar Monaten kurz vor unserem Umzug plötzlich den Kontakt abgebrochen hatte. Jetzt wusste ich warum.
Ich sah wie Kai eine Hand vom Lenkrad nahm und die Waffe in diese Hand nahm. "Ein faszinierendes Gefühl, so ein Ding in den Händen zu halten!", meinte er. "Beim ersten Mal hab ich dich verfehlt, schade eigentlich. Ich hoffe ja das ich nochmal die Chance bekomme sie auszuprobieren!" Mich packte erneut die Todesangst. Ich wollte endlich hier raus, auf der Stelle.
Die Polizisten fielen immer weiter zurück und für mich gab es nur einen einzigen Ausweg, nämlich aus dem fahrenden Auto zu springen. Da vorne kam eine Kurve, bei der Kai abbremsen musste und das war meine Chance. Entweder ich überlebte und konnte weg laufen. Oder ich würde mir das Genick brechen, was eindeutig die bessere Art zu sterben war als erschossen oder totgeprügelt zu werden.
Unbemerkt legte ich meine Hand an den Türgriff und dann war der Zeitpunkt gekommen. Vor der Kurve bremste Kai ab, fuhr ungefähr noch 60 km/h. Ich öffnete die Tür und er konnte nicht mehr reagieren. Gleich darauf spürte ich den harten Aufprall auf dem Asphalt. Nach mehreren Umdrehungen um die eigene Körperachse, blieb ich ein paar Meter weiter erstmal liegen.
Benommen öffnete ich die Augen und versuchte meine Orientierung wiederzufinden. Ich lag mitten auf der Straße und war bis auf wenige Schürfwunden anscheinend unverletzt geblieben, das ich noch lebte grenzte an ein Wunder. Plötzlich hörte ich quietschende Reifen und sah wie Kais Auto im Rückwärtsgang rasend schnell auf mich zu kam. Gerade noch rechtzeitig schaffte ich es mich auf die gegenüberliegende Fahrbahn zu rollen und verhinderte so, von ihm überfahren zu werden. Gleichzeitig rappelte ich mich auf und blickte mich panisch um, ehe er einen erneuten Versuch startete und diesmal von vorne angerast kam. Beim Versuch auszuweichen fiel ich nach hinten um und hatte keine Kraft mehr aufzustehen. Die Schmerzen waren noch nicht allzu schlimm, wahrscheinlich aufgrund des Adrenalins.
Kai stieg aus dem Wagen aus und kam auf mich zu. Er hielt die Waffe nun auf mich gerichtet und ich krabbelte rückwärts. Aber natürlich war er schneller. "Das war ein böser Fehler!", schrie Kai. "Tu nichts was du irgendwann bereust!", bat ich ihn verängstigt. Keiner war auf dieser Straße unterwegs. "Ich werde nichts bereuen, aber du!", herrschte er mich an. "Ich war noch gnädig mit dir, aber jetzt ist Schluss damit! Dich wird keiner vermissen!" Ich rechnete fest damit, dass mein Leben gleich vorbei sein würde. "Noch ein paar letzte Worte?", fragte Kai mich. Aber ich schwieg und betete zu Gott, dass es schnell gehen würde. Das letzte was ich wollte war ein qualvoller Tod. Ich legte eine Hand auf meinen Bauch und machte die Augen zu. So musste ich ihn nicht mehr ansehen. Eine Chance zu entkommen gab es nicht und ich wartete nur noch darauf das er abrücken würde. Und plötzlich löste sich tatsächlich ein Schuss.
Ich stellte mich bereits auf höllische Schmerzen ein und nebenbei auch auf einen sofortigen Bewusstseinsverlust. Je nachdem wo die Kugel eindringen würde. Aber mein Körper blieb unversehrt und stattdessen schrie Kai auf. Ich öffnete die Augen und sah wie er vor mir zu Boden ging und sich das Bein hielt. "Die Hände so, dass ich sie sehen kann!", hörte ich hinter uns jemanden rufen. 'Stephan!', dachte ich erleichtert und drehte mich um. Tatsächlich rannte er mit erhobener Waffe auf uns zu, er musste geschossen und Kai am Bein getroffen haben. Der hatte seine Waffe vor Schreck fallen gelassen. Im letzten Augenblick hatten Stephan und Paul uns doch noch erreicht und Kai war unschädlich gemacht worden. Er war jetzt mehr mit seiner Schussverletzung beschäftigt.
Langsam kam ich auf die Beine und überlegte, ob ich ihm helfen sollte. Als Ärztin war das schließlich meine Pflicht, aber ich war wie eingefroren. Nun kamen noch zwei andere Streifenwägen dazu, aus denen jeweils zwei Beamte ausstiegen. "Weist du, was du bist? Nichts weiter als eine elendige, billige Hure! Ein dreckiges Flittchen, das zu nichts zu gebrauchen ist!" Kai warf plötzlich mit Schimpfwörtern nur so um sich und mich packte die Wut. Ohne großartig über etwaige Folgen nachzudenken, hob ich die Pistole vom Boden auf und richtete sie auf ihn.
"Achtung, sie hat eine Waffe!", warnte einer der Beamten seine Kollegen und sie hielten Abstand, die Hände waren bereits an das Holster an ihrem Gürtel gelegt. Dort drin steckten ihre Dienstwaffen. "Ich könnte es jetzt einfach beenden!", teilte ich allen Anwesenden mit. "Einfach abdrücken und du würdest nie wieder aufstehen!" Das war an Kai persönlich gerichtet. Inzwischen waren wir von Beamten umzingelt, unter ihnen auch Paul und Stephan.
"Das traust du dich nicht!", antwortete Kai und machte mich nur noch wütender. "Werden wir ja sehen!" Meine Hände zitterten und ich entsicherte den Revolver. "Miss, Nehmen sie sofort die Waffe runter!", forderte mich einer der Polizisten auf, aber ich dachte gar nicht daran. "Elena, lass den Unsinn!", mischte sich nun Stephan. "Worauf wartest du denn noch? Tu es!", drängte Kai mich lachend. "Du Bastard!", schrie ich. "Du wirst mir nicht mehr weh tun, nie wieder!" Meine Stimme wurde mit jedem Wort leiser.
"Ich sage es jetzt nur noch ein Mal. Nehmen sie die Pistole runter und lassen sie uns das klären, ansonsten werden wir sie auf unsere Art entwaffnen!", drohte der Beamte erneut an. "Sie wissen nicht, was ich die letzten Monate ertragen musste. Dieser Mann hat mich regelmäßig verprügelt und missbraucht, mein Leben zerstört!", herrschte ich ihn an, ohne Kai aus den Augen zu lassen. "Ich kann sie verstehen, aber das ist keine Lösung!", stellte der Polizist klar und auch Stephan schaltete sich wieder mit ein. "Er hat Recht, Elena. Wenn du ihn erschießt, wirst du dich nur schuldig fühlen und er wird nie seine gerechte Strafe bekommen. Denk an dein Kind, soll es etwa in einem Heim aufwachsen? Man wird dir einen Mord anhängen und du wirst im Gefängnis landen."
Insgeheim wusste ich, dass sie richtig lagen. Würde ich abdrücken, wäre ich eine Mörderin und solchen Menschen drohten jahrelange Gefängnisstrafen. Aber ich konnte gerade einfach nicht klar denken, dieses Gefühl über Kais Leben bestimmen zu können war stärker als jegliches Fünkchen von Vernunft. "Er muss büßen!", schrie ich. Das ich einmal kurz davor sein würde jemanden umzubringen, hätte ich von mir selbst nie gedacht.
Zwei der Beamten hatten ihre Waffen nun auf mich gerichtet. "Das wird er, aber auf eine andere Art und Weise." Stephan kam zu mir und hielt mir seine offene Hand hin. "Komm schon, gib sie her. Damit würdest du ihm nur einen Gefallen tun, verstehst du? Er wird seine gerechte Strafe bekommen, versprochen!" Skeptisch blickte ich zwischen Stephan und Kai hin und her, der schien sich köstlich zu amüsieren. "Elena, nimm die Waffe runter.", bat Stephan mich erneut. "Und ihr zwei nehmt eure auch runter!", befahl Paul seinen Kollegen. Sie kamen der Aufforderung nach.
"Elena, gib sie her.", forderte Stephan mich erneut auf und ich kam zur Vernunft. Ich legte den Revolver in Stephans Hand und wandte mich schon ab, als Kai mich nochmals provozierte. "Angsthase! Ich hoffe du und das Balg werdet verrecken!" Die Beamten hatten Kai auf die Beine gezogen, weshalb er mehr oder weniger hinter mir stand. Ich wirbelte herum und schlug ihm hart ins Gesicht. "Und ich hoffe du wirst im Knast verrotten, dafür werde ich jedenfalls sorgen!" Er wollte trotz seiner Verletzung wieder auf mich los gehen, wurde aber von den Polizisten überwältigt und ihm wurden Handschellen angelegt. "Irgendwann wird du noch dein blaues Wunder erleben, Elena! Merk dir das und dreh dich immer zweimal um, das zahle ich dir noch heim!" Während er mir seine Drohungen zu schrie, sah ich ihm und den Beamten nach. Sie brachten ihn zu einem inzwischen eingetroffenen Krankenwagen.
"Elena?" Stephan war hinter mich getreten und hatte mir eine Hand auf die Schulter gelegt. Ich erschrak, begann dann zu weinen und fand mich sofort in seinen Armen wieder. "Es ist vorbei.", flüsterte er mir zu. "Wo wird er hin gebracht?", fragte ich erschöpft. "Erst in die Klinik und sobald es sein Zustand zu lässt in Untersuchungshaft.", antwortete Stephan.
"Und in die Klinik musst du auch. Du bist noch schwerer verletzt als vorher.", meinte Stephan besorgt. "Mir geht's gut.", antwortete ich. "Ich will nicht zurück ins Krankenhaus." Ich hatte geglaubt dort sicher zu sein, aber das war nicht der Fall gewesen. Stephan wollte aber unbedingt, dass ich mich untersuchen ließ. Er bot an mich dann nach Hause zu fahren, sollten die Ärzte Entwarnung geben. Paul und er fuhren mich also in die Klinik zurück.
Dort führten sie alle möglichen Untersuchungen durch, die gefühlt Stunden dauerten. Meine Schulter war glücklicherweise nur geprellt und es lag keine Schulterluxation vor, so wie ich es schon befürchtet hatte. Eine Prellung war wesentlich leichter therapierbar, als eine ausgekugelte Schulter und war auch nicht so langwierig. Die anderen Verletzungen kamen schließlich auch noch hinzu. Beinahe mein ganzer Körper war mit Schürfwunden und Kratzern übersät, besonders Rücken und Arme hatten einiges abbekommen. Schließlich war ich aus einem fahrenden Auto gesprungen und da hätte weitaus mehr als das passieren können, das war mir bewusst. Das was ich angehabt hatte war an manchen Stellen zerrissen und dreckig, das würde direkt in die Tonne wandern müssen.
Auch eine neue Untersuchung des Babys stand an, vor der ich große Angst hatte. Ich saß bereits im Untersuchungsraum und hoffte das der Arzt bald auftauchen würde, der mich schon ziemlich lange warten ließ.

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