Die Fahrt zur Klinik verging schneller, als Manuel recht war. Am liebsten wäre er einfach direkt weiter gefahren, ganz weit weg, um all dem zu entfliehen. Allerdings war er selbst schuld und das wusste er auch ganz genau. Er suchte sich einen Parkplatz und stellte das Auto ab. Jedoch stieg er noch nicht aus.
Stattdessen griff Manuel in seine Jackentasche und holte das Fläschchen mit dem Sadebaum-Öl hervor. Er wickelte das Tuch ab und betrachtete die Flüssigkeit erneut. Er war so angewidert, dass er es aber schnell wieder einsteckte und danach sein Handy hervor holte.
Er öffnete den Browser und anschließend einen neuen Inkognito-Tab, um zu verhindern, dass seine Suchbegriffe im Verlauf gespeichert wurden. Nur für alle Fälle. Manuel atmete noch einmal tief durch und gab dann den Begriff 'Sadebaum' in die Suchleiste ein. Sofort öffneten sich unzählige Ergebnisse. Manuel klickte gleich das erste an und begann zu lesen:
'Der hochgiftige, immergrüne Sadebaum wächst wie der Wacholder niederliegend, aber auch aufrecht. Er trägt die wissenschaftliche Bezeichnung Juniperus sabina und zählt zur Gattung Wacholder (Juniperus). Diese ist Teil der Ordnung der Koniferen. Im Volksmund wird er bezeichnet als Stink-Wacholder beziehungsweise Gift-Wacholder, Sefistrauch oder auch Sebenstrauch. Er ist eine strauchartige Pflanze und erreich Wuchshöhen zwischen einem und zwei, zum Teil auch fünf Metern. Seine Wuchsrichtung ist selten gerade aufrecht. Meist wuchern die Zweige kriechend am Boden entlang.
Seine Borke hat eine rötlich-braune Farbe. Die Äste bilden eine runden bis kantigen Querschnitt. Im Laufe seines Lebens entwickelt der Sadebaum zwei verschiedene Blattformen. Anfänglich messen die jungen Blätter vier bis fünf Millimeter, sind wirtelig angeordnet, nadelförmig und spitz. Oben haben sie eine bläuliche Farbe. Später sind sie kreuz-gegenständig angeordnet und von schuppenartiger Struktur. In Form sind die späteren Blätter eiförmig und messen ein bis vier Millimeter in der Länge.
Man erkennt den Sadebaum auch am Geruch seiner Blätter. Verreibt man diese, so riechen sie streng und eher unangenehm. Die Blütezeit des Sadebaums liegt zwischen März und Mai. Dabei entwickelt er beerenförmige Zapfen. Diese sind ei- bis kugelförmig und messen fünf bis sieben Millimeter in der Länge. Diese Früchte reifen am Sadebaum im Herbst oder im folgenden Frühjahr und tragen anschließend eine schwarzblaue Farbe.
Der Sadebaum bildet in Europa vier Varietäten aus. Seine Verbreitung erstreckt sich von Spanien, über die Alpen bis hin zu Krim-Halbinsel. Zudem ist er gehäuft in der Kaukasus-Region anzutreffen. Auch in Zentralasien ist diese Wacholder-Art heimisch. Er benötigt einen hellen Standort mit flachgründigen und eher felsigen, basenreichen Böden. Gerne siedelt er sich in Felsspalten, an Felshängen, auf Trocken- und Steppenrasen sowie in Kiefern- und Lärchenwäldern an.
Der Sadebaum wurde bereits in der Antike als Naturmedizin verwendet. Auch in der Tierheilkunde wurde diese Pflanze genutzt. In historischen Schriften von Plinius und Dioskurides wurde die Verwendung jener Wacholder-Art beschrieben. Paracelsus gibt die Wirkung des Sadebaums in seinem Werk als wundreinigendes Mittel, als Mittel zur Anregung der Monatsblutung sowie als Diuretikum (Mittel welches Wasser ausschwemmt) an.
Weiterhin finden sich in überlieferten Schriften Belege für eine Anwendung als stark wirkendes Abtreibungsmittel und zum Abführen der Nachgeburt. Hierzu wurden die Sadebaumspitzen, die Sadebaumbeeren und das Sadebaumöl gezielt zur Abtreibung genutzt, was nicht selten zum Tode der Schwangeren führte. Auch als Arznei gegen Hautflecken und Schorf fand es Anwendung. Ebenso wurde der Sadebaum bei Atembeschwerden, Asthma und Schwerhörigkeit eingesetzt. Häufig wurde die Pflanze bei Gichtbeschwerden verordnet.
In der Homöopathie wird Sabina bei Reizungen und Entzündungen der Gebärmutterschleimhaut, bei einer Gefährdung des ungeborenen Fetus durch Abort, Unterleibsblutungen, sowie Tripper angewendet.
Die verwendeten Zweigspitzen des jungen Sadebaums enthalten drei bis fünf Prozent ätherisches Öl. Dieses besteht zur Hälfte aus Sabinol. Gelangt dieses Öl auf die Haut, so wirkt es stark reizend und verursacht heftige Entzündungen. Bereits durch Einreiben kann es zu Vergiftungen des Körpers kommen. Sollte die Netzhaut damit in Berührung kommen, erweitern sich die Pupillen und schwellen an.
Ebenso kann es dabei zu Blutungen kommen. Erfolgt eine orale Einnahme, kommt es zu Erbrechen, starken Durchfällen, starken Blasenschmerzen und übermäßiger Entleerung selbiger. Die Magenschleimhaut wird so stark gereizt, dass ein Magendurchbruch drohen kann. Atemnot bis hin zum Koma kann einsetzen. Eine Vergiftung führt ohne eingeleitete Gegenmaßnahmen immer zum Tod und tritt in der Hälfte aller Fälle in einem Zustand tiefer Bewusstlosigkeit ein.
In einem Zeitraum von zehn Stunden bis hin zu mehreren Tagen setzt der Tod ein. Gegenmaßnahmen wären die Gabe eines Brech- und Abführmittels, innerliche Spülungen und die Anregung der Schweißproduktion. Eine orale Gabe von schleimbildenden Mitteln, jedoch keine Fette oder Alkohol, ist angebracht. Sollten Kreislauf- und Atemlähmungen auftreten werden Analeptika verabreicht. Um Nierenschäden entgegenzuwirken sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden.
Aufgrund der starken Nebenwirkungen und der Gefahr einer schnellen Vergiftungsreaktion, findet das Gewächs keine Anwendung mehr in der Schulmedizin. Bei Kontakt oder bereits dem Verdacht auf Kontakt mit der Pflanze sollte schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden!'
Manuel schluckte schwer. Hier stand es schwarz auf weiß, Melanie hatte nicht untertrieben. Dieses Mittel war ein Teufelszeug mit der Macht jemanden zu töten und er sollte dieses Zeug Elena verabreichen, um zu verhindern, dass Melanie sein Leben zerstörte.
Der Mann ging all seine Optionen durch. Er konnte es Stephan erzählen oder sogar seinen Kollegen bei der Polizei, dann würde er aber alles verlieren. Oder aber er klärte Elena auf, mit der Gefahr, dass sie zur Polizei ging. Die letzte Option war, das Ganze wirklich durchzuziehen und die Möglichkeit in Kauf zu nehmen, für starke Verletzungen oder gar dem Tod von Elena und ihrem ungeborenen Kind verantwortlich zu sein.
Manuel steckte sein Telefon weg und stieg nun aus dem Auto aus. Was er tun würde, wusste er nach wie vor nicht. Er ging deshalb erstmal in das Krankenhaus und machte sich auf den Weg zu Elenas Station. Wohl wissend, dass sich eine tödliche Waffe in seiner Jackentasche befand, die für diese junge und eigentlich vollkommen unschuldige Frau und ihr Baby bestimmt war.