Kapitel 8

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Stephan befand sich gerade auf dem Weg zurück nach Hause. Er hatte den Einkauf in Windeseile erledigt, was unter anderem an dem gut strukturierten Einkaufszettel seiner Mutter gelegen hatte. Andererseits wollte er auch so schnell wie möglich zurück sein wegen Elena, die er auf keinen Fall länger als nötig alleine lassen wollte.
Obwohl sie nun sicher war, da der Kerl in Untersuchungshaft saß und so schnell nicht mehr raus kommen würde. Dafür wollte er sorgen. Stephan stellte seinen Wagen ab und ging mit Einkäufen beladen ins Haus. Dort räumten er und seine Mutter gemeinsam die Sachen ein. "Du warst heute schneller als sonst.", merkte Sabine an und grinste. "Du hast es mir einfach gemacht.", antwortete Stephan. "Sonst hast du immer ziemlich getrödelt, egal wie einfach ich es dir gemacht habe. Ich glaube ja, das liegt einfach an der hübschen Besucherin." Stephan seufzte und wusste, dass er seiner Mutter nichts vormachen konnte. "So offensichtlich?", fragte er. "Mein Junge, ich kenne dich jetzt auch schon ein paar Jährchen. Mir kannst du nichts vormachen.", sprach sie das, was Stephan bereits wusste, nun selbst aus. "Aber ich kann es dir nicht verdenken. Sie ist wirklich ein bildschönes Mädchen, höflich und sie hat Manieren." Stephan lächelte.
"Bildschön.", wiederholte er. "Ja, das ist sie.", bestätigte er, obwohl er das gar nicht hatte laut aussprechen wollen. "War sie eigentlich mal unten, als ich weg war?", wollte Stephan wissen, um von seiner Aussage abzulenken. "Nein, war sie nicht. Ich habe ihr vorhin einen Tee bringen wollen und gesehen, dass sie schläft. Nach dem Ganzen hat sie einfach was nachzuholen." Stephan nickte. "Ihr geht es also gut, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.", fügte Sabine hinzu. "Mache ich mir nicht.", erwiderte Stephan. "Trotzdem sehe ich mal nach ihr, vielleicht ist sie inzwischen wach und braucht etwas." Daraufhin verließ Stephan die Küche.
Sabine grinste nur wissentlich und begann zu kochen. Stephan ging die Treppe hoch und ging zum Gästezimmer, in dem Elena untergebracht war. Aufs Anklopfen verzichtete er, da er sie nicht wecken wollte wenn sie tatsächlich noch schlief. Leise öffnete er die Tür und schaute durch einen Spalt hinein.
Elena lag zusammengekauert im Bett und schlief wirklich noch. Stephan schlich ins Zimmer und lächelte, als er sah wie ruhig Elena war. Ihre Hände hatte sie schützend auf ihren Bauch gelegt. Auf dem Nachttisch stand der Tee, den Sabine für sie gemacht hatte. Stephan beschloss sie weiter schlafen zu lassen, denn das brauchte die werdende Mutter dringend. Er nahm lediglich die Decke, die am Fußende des Bettes lag und deckte Elena damit zu. Plötzlich rührte sie sich und öffnete die Augen ein wenig, sie lächelte als sie ihn erkannte. "Bist ja wieder da.", flüsterte sie und Stephan setzte sich auf die Bettkante. "Ja, bin ich. Und ihr solltet noch ein bisschen weiter schlafen."
Er merkte, dass Elena noch im Halbschlaf war, als er zur Antwort nur ein zufriedenes 'Mhh' zu hören bekam und Stephan musste grinsen als Elena sich in die Decke kuschelte und tatsächlich weiter schlief. Stephan strich ihr über die Wange und wollte gerade aufstehen, als Elena nach seiner Hand griff. Stephan wunderte sich, da sie ja schlief, aber offenbar nahm sie seine Anwesenheit dennoch wahr und anscheinend wollte sie das er blieb. Deshalb blieb er auch noch einige Minuten bei ihr sitzen und sah ihr beim Schlafen zu. Es war schön, sie so entspannt zu erleben, nachdem sie vor kurzem noch unter Todesangst hatte leben müssen. Einige Zeit blieb Stephan noch bei Elena, ging dann aber irgendwann wieder hinunter in die Küche.
Er wollte seiner Mutter beim Kochen helfen, seine Nichte half ebenfalls. Eineinhalb Stunden später war das Essen fertig. "Soll ich Elena wecken gehen?", fragte Stephans Nichte und wollte schon aufstehen. "Nein, lasst sie schlafen. Sie kann sich später noch etwas aufwärmen, wenn sie möchte. Schlaf ist jetzt erstmal wichtiger für sie.", meinte Sabine und stellte den letzten Topf auf den Tisch.
"Ich bring ihr später was hoch.", meinte Stephan. "Willst du ihr das Essen auch noch vor kauen?", wollte sein Bruder daraufhin wissen. "Kann es sein, dass du mir was sagen willst?", fragte Stephan ihn nun. "Nö.", lautete die Antwort. "Obwohl.. Vielleicht doch. Stephan, du kennst das Mädel nicht und sie wohnt bei uns. Ich weiß zwar nicht, was du dir erhoffst, aber ich hab gesehen wie du sie angeschaut hast. Du stehst auf sie. Nur sag ich dir: Lass die Finger von der. Du hast keine Ahnung wer sie ist. Die braucht nur jemanden, der sie aushält. Sie und das Kind, jetzt nachdem ihr Macker im Knast sitzt."
Stephan wurde wütend und sprang von seinem Stuhl auf. "Du hast doch keine Ahnung!", schrie er. Die zwei Brüder gingen verbal aufeinander los, bis Sabine dazwischen ging. "Es reicht jetzt!", stellte sie klar. "Wir werden jetzt essen. Du lässt deinen Bruder in Ruhe, weil Elena braucht seine Hilfe und er unsere! Und du Stephan lässt dich nicht so provozieren!" Die Männer setzten sich wieder hin, anschließend auch Sabine.
Sie glaubten Elena hätte nichts mitbekommen, nur war genau das Gegenteil der Fall.
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Nachdem ich aufgewacht war, hatte ich mich erstmal gewundert das Stephan nicht mehr da gewesen war. Hatte ich mir das nur eingebildet? Ich hatte beschlossen unten nachzusehen und dort einen Streit mitbekommen. Deshalb stand ich nun auf der Treppe und hörte dem Gespräch in der Küche zu. Sie stritten wegen mir. Stephan stritt sich mit seinem Bruder und das nur wegen mir. Sofort bekam ich Schuldgefühle. Er wollte mir nur helfen und geriet deshalb in Schwierigkeiten, das durfte ich auf keinen Fall weiterhin zu lassen. Ich bekam mit, wie Sabine den Streit beendete.
Aber ich ging nicht wie geplant in die Küche, sondern wieder nach oben ins Gästezimmer. Meinen Koffer hatte ich nur ein wenig ausgepackt, weshalb alles schnell wieder eingepackt war. Anschließend suchte ich mein Handy und rief mir ein Taxi. Wenn ich nicht wollte, dass Stephan wegen mir nochmal mit seinem Bruder in einen Streit geriet, musste ich weg hier. Am besten sofort. Damit Stephan davon nichts mit bekam, würde ich aber oben im Zimmer warten, bis das Taxi kommen würde. Das konnte ich vom Fenster aus sehen, weshalb ich dort stehen blieb und hoffte Stephan würde nicht plötzlich rein kommen. Denn er würde mich nicht so einfach gehen lassen, das wusste ich.
Ich suchte nach einem Zettel und einem Stift, um ihm wenigstens eine Nachricht zu hinterlassen. Wenn ich es geschickt anstellte, würden sie mein Gehen nämlich gar nicht bemerken. Es war meiner Meinung nach das beste für alle Beteiligten.
Ich legte den Zettel aufs Bett und hörte kurz darauf wie draußen ein Auto hielt. Ich schnappte mir meinen Koffer und schlich hinunter zur Haustür. Ich schaffte es wirklich, das Haus zu verlassen, ohne bemerkt zu werden. Der Fahrer des Taxis half mir mit meinem Koffer und kurz darauf fuhren wir schon los.
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Die Familie aß dann ohne weitere Zwischenfälle zu Abend. Stephan war als Erster fertig und machte anschließend das Essen für Elena zurecht, das er ihr rauf ins Zimmer bringen wollte. Er stellte den gefüllten Teller auf ein Tablett und füllte noch ein Glas mit Wasser, das er ihr ebenfalls mitbringen wollte.
"Als wär die hier in all-inclusive Urlaub!", spottete sein Bruder, was Stephan aber versuchte zu ignorieren. Als Stephan fertig war, nahm er das Tablett und ging die Treppe nach oben. Er klopfte und wartete auf eine Antwort, allerdings bekam er keine. Deshalb trat er leise ein und war überrascht, als er sah, dass das Zimmer verlassen war. Er stellte das Tablett auf den Nachttisch, es passte gerade so darauf.
"Elena?", rief er, denn vielleicht war sie im Bad. Er ging nachsehen, aber auch dort war sie nicht. Er kehrte ins Zimmer zurück und erst jetzt fiel ihm auf, dass ihr Koffer ebenfalls verschwunden war. Alles von ihr war weg, bis auf eine Strickjacke die noch am Fußende des Bettes lag. Als er schließlich ein Blatt Papier auf dem Bett entdeckte, ahnte er bereits was wohl geschehen war. Sofort wurde er traurig.
Kurz zögerte er, dann begann er zu lesen:
'Ich habe den Streit mitbekommen und will nicht, dass du wegen mir Probleme bekommst. Du hast mir geholfen, als ich deine Hilfe dringend gebraucht habe und dafür bin ich dir unendlich dankbar. Aber ich glaube es ist besser, wenn sich unsere Wege jetzt wieder trennen. Es fällt mir nicht leicht ohne mich zu verabschieden zu gehen. Jedoch muss ich es tun, weil ich weiß das du versucht hättest mich aufzuhalten. Ich will niemandem zur Last fallen, vor allem nicht dir und deiner wundervollen Familie. Ich komme klar, deshalb mach dir bitte keine Sorgen und bitte suche mich nicht nochmal auf. Es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen, auch wenn es schwer fällt. Ich werde dich allerdings nicht vergessen, denn wer trägt eine Frau schon minutenlang durch den Wald, gibt ihr den Namen einer Filmfigur weil sie ihren nicht mehr weiß und gibt vor ihr Ehemann zu sein um sie zu beschützen?' Stephan musste trotz allem schmunzeln, las dann aber weiter. 'Außer dir gibt es da wohl keinen und ich glaube Tarzan wird ab jetzt mein Lieblingsfilm sein. Ich wünsche dir alles Gute und hoffe du verstehst mich. Elena.'
Stephan las die Worte wieder und wieder. Er konnte es nicht fassen, dass Elena einfach gegangen war. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, still und heimlich war sie abgehauen. Kurz überlegte er, ob er ihr das wirklich so durch gehen lassen sollte.
Allerdings entschied er sich definitiv dagegen. Er schnappte sich den Brief und die Strickjacke, dann rannte er hinunter. Seine Nichte und sein Bruder saßen noch am Tisch, Sabine hatte bereits mit dem Aufräumen der Küche begonnen.
"Elena ist weg! Bist du jetzt zufrieden?!", schrie Stephan und knallte seinem Bruder den Brief hin. "Wie sie ist weg?", fragte Sabine, während Manuel den Brief überflog. "Sie ist abgehauen! Alles nur wegen dir, weil du dich aufführen musstest wie der letzte Arsch! Nur weil du Stress mit deiner Flamme hast und deine Aggressionen an uns aus lässt!", brüllte Stephan Manuel an. "Merkst du eigentlich noch was?!", schrie dieser zurück. "Du kennst sie nicht! Du hast eine Fremde in unser Haus gebracht, von der du einfach zu wenig weißt! Was hast du denn gedacht?! Das ihr zusammen kommt, heiratet und eine Familie werdet?! Mein Gott, Stephan werd wach! Sie ist Teil deiner Arbeit, mehr nicht! Du bist nicht mehr für sie verantwortlich, also lass sie in Ruhe! Das will sie doch auch!"
Stephan schüttelte den Kopf. "Du hast keine Ahnung was sie für mich ist!", stellte Stephan klar und verließ die Küche. Kurz darauf hörten die Anderen die Haustür zu knallen. "Er interpretiert da zu viel rein.", meinte Manuel. "Er hat sie durch den halben Wald getragen, als sie schwer verletzt war. Er hat ihr einen Namen gegeben, als sie nicht wusste wer sie ist.", begann Sabine. "Das hat er mir erzählt, nachdem er hier mit ihr angekommen ist. Sie haben in den wenigen Tagen, die sie sich jetzt kennen, mehr durchgemacht als so manch ein Ehepaar. Deshalb kann und darf er sie jetzt nicht so einfach gehen lassen." Sabine lief zum Fenster und sah, dass Stephan gerade weg fuhr. "Du schaffst das schon, mein Junge.", murmelte sie und wollte sich schon abwenden, als ein anderer Wagen vor dem Haus hielt und ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie wusste sofort wer da kam.

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