Kapitel 38

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Jetzt, da der Entschluss für mich feststand, war meine Laune auch wieder viel besser. Ich hatte die letzte Zeit wirklich mit mir gehadert, ob ich so weit wirklich gehen konnte und wollte und letztendlich war es wohl wirklich der einzige Weg, bald wieder ein normales Leben zu führen. Würde ich in Köln bleiben, würde ich das früher oder später teuer bezahlen, wahrscheinlich sogar mit meinem Leben und dem Leben meines ungeborenen Kindes. Und diesen Preis wollte ich definitiv nicht und zwar unter keinen Umständen bezahlen. Selbst wenn das bedeutete, Stephan nie wieder zu sehen, der mir doch so viel bedeutete, obwohl wir uns noch gar nicht so lange kannten.

Alexander und ich verließen ungefähr eine halbe Stunde später das Lokal und beschlossen, noch etwas im Park nebenan spazieren zu gehen. Anfangs fühlte ich mich dabei etwas unwohl und das schien Alexander zu bemerken, weshalb er meine Hand ergriff. Eine Geste, die sich zunächst befremdlich anfühlte, aber ich ließ es dennoch zu. Ich wusste natürlich, dass Alexander etwas für mich empfand und es tat mir leid, dass ich diese Gefühle nicht erwidern konnte, weil sie für einen anderen galten. Und kurz fragte ich mich, wie sich das ganze zwischen uns entwickelt hätte, würde es Stephan nicht in meinem Leben geben, woraufhin mir einfiel, dass der Polizist in Zukunft ja gar kein Teil meines Lebens mehr sein würde. Mein Gehirn hatte das schon längst kapiert, mein Herz allerdings nicht.

Wir liefen eine Zeit lang schweigend nebeneinander her, bis Alexander die Ruhe schließlich durchbrach. "Weißt du denn schon, wohin du gehen wirst?", fragte er und ich merkte, dass ihm das alles andere als leicht fiel, darüber zu sprechen. "Ganz ehrlich? Ich habe mir darüber bis vor circa einer Stunde noch keine großartigen Gedanken gemacht, aber.. ich glaube, ich werde schon eine neue Bleibe finden. Vielleicht Berlin, dort haben die Kliniken sehr gute Referenzen. Oder ich gehe nach Österreich, Wien oder so. Dort ist es wunderschön." Das wusste ich, weil ich als Kind mit meiner Familie viel umher gereist war. Mit meiner Familie, zu der ich aktuell keinen Kontakt hatte und ich wusste nicht, ob ich diesen wieder herstellen wollte. Durch die Sache mit meinem Exfreund hatte ich jegliche Kontakte abgebrochen und das teilweise auf sehr makabre Weise, was ich nun bereute.

"Wien, ehrlich? Da hab ich ein paar Jahre gearbeitet.", offenbarte Alexander mir nun. "Ich könnte dir ein paar nette Ecken empfehlen, wenn du möchtest." Ich musste lächeln, denn trotz allem war Alex einfach für mich da und das, ohne mich zu verurteilen. "Ich glaube, das würde mir sehr helfen.", meinte ich. "Das hoffe ich. Natürlich könnte ich dich für ein paar Wochen auch begleiten, je nachdem wie schnell du eine Wohnung findest. Ich könnte dir beim Renovieren helfen und auf dich aufpassen. Als Freund, meine ich. Ich bin wirklich gerne dein Freund, weißt du?" Sofort spürte ich, was Alexander damit eigentlich meinte und wie es ihn selbst verunsicherte, was er gesagt hatte. Es war offensichtlich, dass er sich verplappert hatte.

"Das weiß ich.", meinte ich nun. "Aber so weit voraus planen ist nicht richtig. Vielleicht könnten wir einfach erstmal für ein paar Tage dorthin fahren, um zu schauen, wie es sich entwickelt hat. Ich war lange nicht mehr dort.", versuchte ich vom eigentlichen Thema etwas abzulenken, sodass er sich nicht mehr ganz so doof vorkam. Ich schätzte Alexanders Mühen sehr, nur war ich für mehr als nur Freundschaft mit ihm im Moment einfach nicht bereit. Ob ich das jemals sein würde, nach dem, was ich mit Stephan durchgemacht hatte, konnte ich nicht sagen. Es war einfach noch zu früh, um überhaupt in diese Richtung nachdenken zu können.

Nachdem wir eine Runde im Park gedreht hatten, liefen wir zurück zum Auto. Alexander beschloss, gleich noch bei sich in der Arbeit vorbei zu schauen, um alles mit seinem Chef abklären zu können, sodass er spontan ein paar Tage frei bekam. Ich wiederum musste, bevor wir unsere Reise antreten konnten, bei meinem Arzt im Klinikum vorbeischauen, um meine Krankschreibung zu verlängern und um sicherzugehen, dass mit dem Baby alles in Ordnung war. Vielleicht war es auch an der Zeit, in das Beschäftigungsverbot zu wechseln, sodass ich bis zum Ende meiner Schwangerschaft zu Hause bleiben konnte. Das würde mir genügend Zeit verschaffen, um zu überlegen, wie genau ich weiter verfahren sollte.

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