Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich beruhigen konnte. Es war einfach alles zu viel für mich und irgendwie tat es gut, dass ich mich bei Stephan ausweinen konnte. Ich wusste einfach, dass ich das konnte und das ich mich vor ihm für nichts schämen oder rechtfertigen musste.
Während ich weinte, redete Stephan mir ruhig und geduldig zu und hielt mich einfach fest im Arm. Ich fühlte mich sicher und geborgen, ein Gefühl das ich so lange vermisst hatte und das auch nur er mir im Moment vermitteln konnte. Irgendwann fielen mir vor Erschöpfung einfach die Augen zu.
Als ich wieder aufwachte, war Stephan noch immer da. Zunächst begann ich zu blinzeln und mich verwirrt umzusehen. Es dauerte kurz, bis ich realisierte, wo ich war und in wessen Armen ich noch immer lag.
"Na, ausgeschlafen?", fragte Stephan mich, als mein Blick seinen traf. "Ich.. ich weiß nicht.", gab ich zu und setzte mich nun auf. "Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, einzuschlafen.", meinte ich nun. "Du hast es aber anscheinend gebraucht.", antwortete Stephan. "Wie lange hab ich denn geschlafen?", wollte ich nun wissen. "Nicht sonderlich lange, eine Stunde wenn es hoch kommt.", gab Stephan mir die gewünschte Auskunft. "Vielleicht erklärt das, warum ich mich wie von einem Panzer überrollt fühle. Hätte ich länger geschlafen, vielleicht hätte das eher was gebracht.", antwortete ich.
"Du kannst gerne weiterschlafen, wenn du möchtest. Ich hätte nichts dagegen, dir noch ein paar Stunden dabei zuzusehen." Während er das sagte, sah ich, wie Stephan vielsagend lächelte und das brachte mich sofort wieder zum Nachdenken. In meiner Magengegend machte sich ein unangenehmes Gefühl breit und mir wurde bewusst, dass das hier definitiv nicht richtig war.
"Hör auf. ich bitte dich.", bat ich Stephan deshalb und schlug die Bettdecke beiseite, um aufstehen zu können. Ich nahm die Strickjacke, die am unteren Ende des Bettes lag und zog sie an. Mir war nun innerhalb von Sekunden unglaublich kalt geworden, nachdem ich aufgestanden war.
Ich spürte Stephans Blicke auf mir, obwohl ich es vermied ihn anzusehen. Er saß noch im Bett und war offenbar von meiner Reaktion überrascht. "Womit aufhören?", fragte er, als ich schon in Richtung Bad davon gehen wollte. Allerdings hielt ich nun nochmal inne. "Du weißt genau, was ich meine.", gab ich zurück. "Du redest mit mir, als.. als wäre ich deine Freundin und du behandelst mich auch so. Das ist nicht richtig und ich hätte das nicht zu lassen dürfen. Es ist besser, wenn du jetzt gehst. Melanie wird sich bestimmt schon wundern, wo du bleibst."
Stephan stand nun ebenfalls auf und kam auf mich zu. "Elena..", setzte er an, jedoch ließ ich ihn nicht aussprechen. "Nein, bitte komm mit jetzt nicht mit Elena. Du weißt, dass ich Recht habe. Zumindest wüsstest du das, wenn du jetzt ausnahmsweise mal rational und nicht nur an dich denken würdest. Du solltest zu Hause sein, bei deiner schwangeren Freundin und nicht hier mit mir im Bett liegen und mich trösten. Das ist falsch. Tu bitte uns allen einen Gefallen und fahr nach Hause zu Melanie. Sie ist diejenige, der du Aufmerksamkeit schenken solltest und nicht mir. Ich komm klar, auch ohne dich."
Stephan wartete geduldig, bis ich meine Predigt beendet hatte. "Ach, ist das so?", wollte er wissen. "Ja, das ist so. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass du Schwierigkeiten bekommst. Das.. egal was das zwischen uns war, es ist vorbei!", stellte ich klar und es fiel mir unfassbar schwer, das zu sagen.
Jedoch blieb Stephan weiterhin ruhig. "Ich habe dir vorhin schon gesagt, dass ich dich nicht alleine lassen werde.", stellte der Polizist klar. "Und ich habe dir auch gesagt, dass du mir wichtig bist, egal was du glaubst oder sagst. Du kannst noch so oft versuchen mich weg zu schicken, Elena. Ich werde nicht gehen, du bekommst mich nicht mehr los. Das stand in dem Moment fest, als ich dich vor ein paar Wochen in diesem Wald gefunden und dort raus getragen habe. Ich bin dein Freund. Vielleicht nicht dein Lebensgefährte, aber ich bin dein Freund und als solcher werde ich mich auch verhalten und dir ab jetzt beistehen. Und ich bitte dich, das zuzulassen. Das wird es für alle Beteiligten einfacher machen und was Melanie betrifft, lass das mal meine Sorge sein. Sie wird das akzeptieren müssen, wohl oder übel, denn ich werde dich nicht hängen lassen."
Diese Worte von Stephan führten nun wieder dazu, dass mir die Tränen kamen und sofort war er zur Stelle, um mich in den Arm zu nehmen. "Ich weiß nicht, was das zwischen uns ist. Aber was ich weiß ist, dass ich ohne dich nicht mehr leben kann. Also hör auf mich weg zu schubsen und lass mich das tun, was ich für richtig halte. Ich kann dich nicht mehr gehen lassen, das würde mich zerreißen!", erklärte er mir nun und ich schluchzte auf, da es mir ja selbst nicht anders ging. Er war mir so wichtig geworden und selbst wenn wir nicht zusammen sein durften, ihn gänzlich aus meinem Leben streichen, das würde ich einfach nicht schaffen.
"Lass mich für dich da sein, okay? Lass mich dein Freund sein, mehr will ich nicht. Ich will dich nur nicht verlieren, nicht komplett. Das könnte ich nicht ertragen!" Stephan klang so aufrichtig dabei, dass ich ihm einfach glauben musste. "Okay!", flüsterte ich. "Freunde sein, das klingt gut. Dagegen kann keiner etwas haben, das ist schließlich das Normalste der Welt.", fügte ich schluchzend hinzu und bekam mich langsam wieder ein. Ich hörte wie Stephan erleichtert aufatmete.
Es vergingen noch einige Augenblicke, bis wir uns schließlich voneinander lösten. "Wie wär's mit Schokoladenkuchen? Ich hol uns welchen aus der Cafeteria.", meinte Stephan nun und wischte sich mit dem Arm über die Augen, um eindeutig Tränen verschwinden zu lassen. "Klingt gut.", erwiderte ich und ging mir mit der Hand ebenfalls über die Augen und Wangen. "Dann geh du kurz ins Bad, um dich ein Bisschen frisch zu machen und ich geh solange runter.", schlug Stephan vor und ich nickte. "So machen wir's.", bestätigte ich und er lächelte. "Großartig!", meinte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Das geschah so schnell, dass ich gar nicht reagieren konnte.
Jedoch schien er selbst zu merken, dass das schon wieder eine Art von Zuneigung gewesen war, die zwischen uns nicht stattfinden durfte. Jedenfalls wirkte er plötzlich ganz unruhig und verunsichert. "Bis gleich.", sagte er und verließ eilig das Zimmer. Ich selbst blieb ebenso verwirrt und aufgewühlt zurück.
Ich hatte keine Ahnung, wie dieses Freunde-Ding zwischen uns klappen sollte. Aber es war besser, als uns komplett aus den Augen zu verlieren. Wenigstens was das anging, war ich mir inzwischen zweifellos sicher und wir würden das schaffen - irgendwie.