Kapitel 7

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Stephan und Paul warteten im Gang, während Elena gleich ihre nächste Untersuchung hatte. Paul saß da und beobachtete Stephan dabei, wie er auf und ab lief. "Stephan, du machst mich ganz kirre mit dem hin und her Gewatschel!", meinte Paul ungehalten. "Ich kann verstehen, dass du wissen willst wie es ihr geht. Aber selbst wenn du hier eine Furche in den Boden läufst, geht's auch nicht schneller. Setz dich hin und atme mal durch."
Stephan setzte sich widerwillig neben seinen Kollegen. "Ich hab was beschlossen.", offenbarte Stephan Paul nun. "Was denn?", fragte Paul. "Sollte sie rein theoretisch nach Hause dürfen, nehme ich sie erstmal mit zu mir. Den Anblick von dem Chaos bei ihr im Haus muss man ihr heute nicht auch noch zumuten.", antwortete Stephan entschlossen. Paul war etwas skeptisch was das betraf. "Sie sollte besser gleich hier bleiben und wenn sie soweit ist nach Hause gehen. Du kannst nicht für jeden den guten Samariter spielen, Stephan.", sagte Paul ehrlich. "Für sie schon.", antwortete Stephan unbeeindruckt, war nun aber doch verunsichert.
"Du hältst das für keine gute Idee?", fragte er Paul. "So nett sie auch sein mag.. Stephan, überleg dir das. Elena ist sozusagen Arbeit, verstehst du? Wir dürfen nicht emotional involviert sein, aber das bist du. Du nimmst dir deine Arbeit mit Heim.", gab Paul seinem Freund zu bedenken. "Elena ist keine Arbeit!", erwiderte Stephan bissiger als beabsichtigt. "Das war metaphorisch gemeint.", antwortete Paul ruhig. "Ich will nur nicht, dass du in irgendwas mit rein gezogen wirst. Noch wissen wir nicht alles über sie." Stephan seufzte. "Ich weiß inzwischen wie sie heißt, wo sie wohnt und noch ein paar andere Sachen. Sie wird weder Mitglied einer Sekte oder er Mafia sein. Sie ist eine Frau die Hilfe braucht und ich werde ihr helfen.", stellte Stephan klar.
"Weil du in sie verknallt bist.", meinte Paul. "Nicht schon wieder diese Debatte!", bat Stephan Paul sofort. "Dann hör einfach auf es zu leugnen.", antwortete dieser grinsend. "Wenn du meinst es ist das Beste sie mitzunehmen will ich dich nicht aufhalten. Aber ich möchte rechtzeitig eine Einladung zu eurer Hochzeit!", stellte Paul klar und Stephan verdrehte die Augen. "Oh man, Paul!", sagte Stephan nur lachend und stand auf.
"Ich geh mal nach ihr sehen.", gab Stephan seinem Kumpel Bescheid. "Tu das. Elena Sindera hört sich aber wirklich nicht schlecht an, musst du zugeben!", rief Paul seinem Freund hinterher, der bereits im Zimmer verschwunden war und die Tür fast geschlossen hatte. Er fand Elena schlafend auf der Liege vor. Kein Wunder das sie müde war, nach all den Strapazen und Stephan beschloss sie nicht zu wecken. Der Arzt war sowieso noch nicht da. Stephan fand eine Decke, die er Elena über den Körper legte. Dann setzte er sich auf einen Stuhl.
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Ich öffnete die Augen. War ich eingeschlafen? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass das Zimmer ein wenig anders aussah. Aber wahrscheinlich war das nur Einbildung. Ich setzte mich auf und sah auf die Uhr an der Wand. Noch immer war niemand hier, ich war allein. Ich stand auf und lief unruhig auf und ab, bis es plötzlich klopfte und Stephan herein kam. "Stephan!" Ich fiel ihm um den Hals. "Ich halt das nicht mehr aus, diese Warterei macht mich wahnsinnig!", schluchzte ich. "Schon gut, der Arzt kommt sicher gleich. Die Schwester hat mir auch gesagt, es kann nicht mehr lange dauern." Er hatte sich wohl informiert.
Stephan drückte mich ganz fest an sich. "Mir tut alles so weh!", schluchzte ich. "Bald ist das alles überstanden.", prophezeite Stephan mir und ich löste mich ein wenig von ihm, um in seine Augen sehen zu können. "Kann ich irgendetwas für dich tun?", fragte er und strich mir über die Wange. "Einfach hier bleiben.", flüsterte ich. "Mir würde nie einfallen zu gehen.", erwiderte Stephan glaubwürdig. "Danke für alles!" Stephan lächelte. "Keine Ursache." Wir blickten uns tief in die Augen und mein Herz schlug wie wild. Als ob es ahnte was gleich passieren würde, denn Stephan zog mich wieder näher an sich und küsste mich.
Es fühlte sich so gut an und ich wollte mich gar nicht mehr lösen. Aber plötzlich auftretende Schmerzen im Unterbauch ließen den Kuss nicht weiter zu. "Au!", klagte ich und hielt mir mit beiden Armen den Bauch. "Was hast du?", fragte Stephan erschrocken. Er hielt mich fest, da ich mich vor Schmerzen kaum auf den Beinen halten konnte. "Mein Bauch!", brachte ich mühevoll hervor. Weiter reden konnte ich nicht, da ich einen noch stärkeren, stechenden Schmerz im Unterleib verspürte und daraufhin lief etwas warmes an meinen Beinen entlang. Als ich hinunter sah, war meine Jeans blutrot gefärbt. 'Mein Baby!', dachte ich panisch und schrie vor Entsetzen.
Dadurch schreckte ich aus dem Schlaf hoch. Es war ein Traum gewesen. Aber das realisierte ich erstmal nicht. Irritiert blickte ich mich um, ich befand mich noch im Behandlungszimmer und saß auf der Liege. Man hatte mir eine Decke übergelegt, die ich schnell von meinen Beinen zog und sie auf den Boden fallen ließ. Ich blutete nicht, meine Hose war sauber und ich fuhr mir durch die schweißnassen Haare. "Elena, alles klar bei dir?"
Erschrocken sah ich auf und entdeckte Stephan, der gerade von einem Stuhl in der Ecke aufstand. "Da war Blut.. ich habe geblutet!", stammelte ich und überprüfte nochmals, ob nicht doch etwas von der roten Flüssigkeit an mir klebte. "Beruhige dich, du hast offenbar nur schlecht geträumt. Hier ist nirgendwo Blut, es war nicht real.", versuchte er mich zu beruhigen. "Es wirkte aber so verdammt real.. mein Baby.. Was, wenn es tot ist?!" Erschöpft lehnte ich mich an Stephan, der nun neben der Liege stand und einen Arm um mich gelegt hatte. "Im Traum ist genau das passiert!", schluchzte ich. "Daran darfst du nicht denken!"
Ich spürte, wie er mir sanft über den Rücken streichelte. "Ich verstehe sowieso nicht, wie ich einfach einschlafen konnte." Stephan lachte leicht und hob die Decke auf, um sie mir über die Schultern zu legen. "Du hast einiges durch gemacht. Du bist während du gewartet hast eingeschlafen, das passiert und im Schlaf verarbeitet man Geschehenes.", meinte Stephan. "Verrückt. Ich war wirklich überzeugt davon, dass ich gerade eine Fehlgeburt hatte." Mir war eiskalt und ich kuschelte mich richtig in die dünne Decke ein. Stephan holte sich den Stuhl und setzte sich neben die Liege, um mich durch Reden ein bisschen abzulenken.
Der Arzt kam ungefähr zehn Minuten später. Ein neuer, fremder Gynäkologe. Er entschuldigte sich für meine Wartezeit, aber er war noch zu einem Notfall gerufen worden. "Dann beginnen wir am Besten gleich.", meinte er und ich nickte. "Ich warte draußen.", sagte Stephan und wollte bereits gehen. "Warte.", sagte ich schnell und er drehte sich verwundert um. "Bleib hier.", bat ich ihn und der Arzt mischte sich nun ein. "Ja, sie dürfen gerne hier bleiben. Das wird ihrer Frau sehr helfen.", meinte der Arzt lächelnd. Stephan und ich warfen uns irritierte Blicke zu. "Wir.. also ich.. bin nicht seine Frau.", klärte ich ihn auf.
'Leider.', fügte mein Gehirn einfach still hinzu, aber ich verwarf diese Gedanken gleich. "Oh, Entschuldigung. Aber es sah mir einfach danach aus.", antwortete der Arzt. "Was nicht ist kann ja noch werden.", meinte Stephan gelassen und stellte sich an das Kopfende der Liege. "Dann bitte einmal den Bauch frei machen, wir machen gleich mal einen Ultraschall." Ich kam der Aufforderung nach. Mein ganzer Bauch war ebenfalls mit Kratzern und Blutergüssen übersät. Deshalb war es nicht gerade angenehm, als der Gynäkologe mit der Sonde über meinen Bauch fuhr. Jedoch konnte er kurze Zeit später Entwarnung geben, dem Würmchen in mir ging es prächtig. Es war ein Kämpfer, zweifellos. Der Arzt verabschiedete sich danach und ging, bat mich aber bei jeder kleinen Auffälligkeit die ich bemerken sollte wieder zu kommen. Ich durfte nach Hause.
Stephan hatte versprochen mich dorthin zu bringen, weshalb ich erst mit ihm und Paul zur Polizeizentrale fuhr. Anschließend stieg ich in sein Auto mit ein. Ich dachte die ganze Zeit über das was passiert war nach und schwieg. Ich merkte gar nicht, dass Stephan eine komplett andere Richtung eingeschlagen hatte und nicht zu mir nach Hause fuhr. "Stephan, wohin fahren wir?" Ein wenig Panik lag in meiner Stimme. "Vertrau mir einfach.", bat er mich. Aber gerade war mir ein bisschen mulmig zumute. Obwohl ich nicht glaubte, dass er mir etwas an tun würde. Dennoch hatten meine Erlebnisse Spuren hinterlassen, die wohl nicht so schnell aus meinen Gedanken verschwinden würden. Spuren von Misstrauen, Angst und noch andere negative Gefühle.
Stephan hielt irgendwann vor einem Haus an, in einer ländlicheren Gegend. Er stellte den Motor ab. Es war mittlerweile schon dunkel, aber im Haus brannte noch Licht. "Wo sind wir hier?", wollte ich wissen. "Bei mir zu Hause.", antwortete Stephan. "Bei dir sieht es nicht gerade ordentlich aus und ich will nicht, dass du dich heute noch mehr aufregst. Deshalb wirst du erstmal hier bleiben. Ich wohne seit der Trennung von meiner Freundin wieder bei meiner Familie, vorübergehend natürlich." Stephan stieg aus, lief vorne um das Auto herum und öffnete meine Tür.
"Bei.. deiner Familie?", fragte ich nach. "Sie sind alle eigentlich ganz nett, keine Angst.", meinte Stephan. "Das bezweifle ich nicht. Aber.. ich kann doch nicht hier bleiben, das kann ich nicht annehmen!" Doch Stephan hielt mir einfach sie Hand hin. "Doch, kannst du. Steig aus, na komm." Sein Lächeln beruhigte mich und ich legte meine Hand in seine, so half er mir beim Aussteigen. Das Haus sah groß aus, einladend und freundlich. Es war von grünen Wiesen umgeben, ein kompletter Kontrast zu dem was man sich eigentlich unter Köln vorstellte. Direkte Nachbarschaft gab es auch nicht.
"Hier wohnst du?", fragte ich überwältigt. "Ja und du darfst hier bleiben so lange du möchtest." Stephan führte mich an der Hand mit zur Tür und schloss sie auf. Er ließ mir den Vortritt. "Stephan?", hörte man jemanden rufen. Gleich darauf kam eine Frau um die 50 aus einem der Räume und umarmte ihn sofort. "Ich hab mir solche Sorgen gemacht!", sagte sie vorwurfsvoll. "Mama, ganz ruhig. Ich werde dir alles erklären, aber zuerst muss ich dich was fragen. Hättest du etwas dagegen, wenn Elena für ein paar Tage hier bleibt?" Sie war also seine Mutter.
"Elena?" Erst jetzt wurde die Frau auf mich aufmerksam. "Ach Gott.. Wie schaut sie denn aus?! Natürlich darf sie bleiben, aber du bist mir eine Erklärung schuldig. Kommt mit in die Küche, ich mach Tee." Kaum hatte sie ausgesprochen, ging sie schon voraus und wir folgten ihr. "Für mich keinen Tee, Mama. Ich nehm ein Bier.", sagte Stephan und öffnete den Kühlschrank, um sich eins heraus zu holen. "Setz dich lieber. So blass wie du bist, kippst du mir ansonsten gleich noch um." Stephan ging zu einem Tisch, um den Holzstühle standen und zog einen davon ein Stück zurück. "Mir geht's gut.", beteuerte ich, aber in Wahrheit war mir wirklich etwas schwummrig. Also setzte ich mich und Stephan tat es mir gleich. Frau Sindera, so vermutete ich war ihr Name, hatte inzwischen zwei Tassen Tee gemacht, die sie mit an den Tisch nahm und eine davon vor mir abstellte. "Danke.", sagte ich und lächelte, sie erwiderte das. "Das ist Kamille, beruhigt die Nerven.", erklärte sie mir und das konnte ich gerade ziemlich gut gebrauchen. Da der Tee noch ziehen musste, wärmte ich lediglich meine kalten und zitternden Hände an der heißen Tasse.
Während Stephan seiner Mutter alles erzählte, kämpfte ich erneut mit den Tränen. Ich hörte hauptsächlich zu, trank meinen Tee und beruhigte mich zunehmend. Eigentlich konnte ich Kamillentee nicht ausstehen. Aber dieser schmeckte mir und als ich die erste Tasse ausgetrunken hatte, machte Frau Sindera mir sofort einen neuen, als ob es selbstverständlich wäre. Sie behandelte mich gar nicht wie eine Fremde und so viel Fürsorge war ich echt nicht mehr gewohnt. "Ich werde dir mal das Gästezimmer herrichten.", meinte Stephan, stand auf und verließ die Küche.
"Danke, Frau Sindera. Dass ich bei ihnen bleiben darf, meine ich. Dafür werde ich mich wahrscheinlich nie revanchieren können." Sie lächelte nur, legte ihre Hand auf meinen Arm und drückte ihn sanft. "Das ist auch gar nicht nötig. Und ich bin übrigens die Sabine." Ich war etwas überrascht, dass sie mir so plötzlich das 'Du' anbot, aber fühlte mich damit gleich noch viel wohler. "Elena, freut mich.", entgegnete ich und wir reichten uns die Hand. Im gleichen Moment kam Stephan wieder und blieb in der Küchentür stehen. "Wenn du willst, zeig ich dir wo du schlafen kannst." Das ließ ich mir bestimmt nicht zweimal sagen und stand auf, denn ich war richtig müde und erledigt. "Gute Nacht und nochmal vielen Dank, Sabine." Sie war ebenfalls aufgestanden, um die schmutzigen Tassen in die Spüle zu stellen. "Keine Ursache, gute Nacht und schlaf schön."
Ich ging mit Stephan nach oben. "Ihr nennt euch schon beim Vornamen, hab ich was verpasst?", fragte er amüsiert. "Nicht sonderlich viel, aber deine Mutter ist wirklich sehr freundlich.", erwiderte ich. "Sie ist die Gutmütigkeit in Person und ich bin froh sie zu haben.", meinte er daraufhin und öffnete eine Tür. "Das glaube ich dir sofort." Stephan schaltete das Licht an. "Unser Gästezimmer, ich hoffe es gefällt dir.", meinte mein Gastgeber. "Es ist sehr schön.", antwortete ich und mir gefiel das Zimmer wirklich total. "Dort habe ich dir ein paar Sachen hingelegt. Die sollten dir passen.", er deutete aufs Bett. "Dann lasse ich dich jetzt mal in Ruhe, du wirst sicher gleich schlafen wollen.", meinte Stephan überzeugt. "So müde wie ich bin, wird das wohl so sein. Nur irgendwie habe ich Angst, dass ich wieder schlecht träume und das ganze Haus zusammen schreie."
Auch wenn sich das jetzt lustig anhörte, so war es überhaupt nicht gemeint. "Dann bekomme ich es wenigstens mit und bin schneller da, als du schauen kannst.", antwortete Stephan. "Wobei.. wenn du nichts dagegen hast und dich wohler fühlst, könnte ich auch auf dem Boden schlafen. Dann wärst du nicht alleine." Den Vorschlag fand ich zwar nicht schlecht, aber wollte ihn trotzdem davon abbringen. "Bestimmt nicht! Du schläfst wegen mir ganz sicher nicht auf dem Fußboden.", stellte ich klar. "Das macht mir überhaupt nichts aus. Ich hole mir noch mein Bettzeug, bis gleich."
Er verließ einfach den Raum. Ich zog mich derweil um. Dann legte ich mich ins Bett und obwohl ich eigentlich noch auf Stephan warten wollte um ihn doch noch irgendwie umzustimmen, schlief ich einfach ein.
Die Nacht verlief weitestgehend ruhig, zumindest bis ich erneut von einem Albtraum geplagt aufwachte. Ich hatte Kai vor mir gesehen, wie er mich wieder einmal misshandelt hatte und meine ehemalige beste Freundin war einfach nur lachend daneben gestanden und hatte zugesehen.
Schweißgebadet saß ich im Bett und glücklicherweise hatte ich nicht geschrien. Ansonsten hätte ich, wie ich es Stephan schon prophezeit hatte, wirklich das ganze Haus aufgeweckt. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Ich beschloss duschen zu gehen, da bestimmt noch keiner außer mir wach war und ich später nicht das Bad blockieren wollte. Ich setzte mich auf die Bettkante und gähnte ausgiebig, bevor ich aufstand und nach zwei Schritten an etwas hängen blieb. Mir fiel ein, dass Stephan hier auf dem Boden hatte campieren wollen und das hatte er tatsächlich getan. Ich schaffte es schließlich mich aus dem Zimmer zu schleichen und fand nach kurzer Suche das Badezimmer. Ich schloss mich dort ein und stellte mich erstmal unter die Dusche.
Die Wunden brannten dadurch höllisch, aber es tat auch sehr gut und deshalb blieb ich länger als nötig unter dem heißen Wasser stehen. Als ich fertig war, hüllte ich meinen geschundenen Körper in ein großes Handtuch und machte mir mit einem kleineren wie immer einen Turban auf dem Kopf. Nun machte ich mich auf die Suche nach irgendeiner Salbe, mit der ich meine Verletzungen versorgen konnte. Und ich war gerade fündig geworden, als es plötzlich an der Badezimmertür klopfte. Ich beschloss erstmal nicht zu reagieren, aber das Klopfen wurde immer lauter und die Person vor der Tür gab nicht nach.
"Luisa?! Bist du da drin? Hör mal, ich muss gleich los!" Die Person war auf jeden Fall männlich und nicht besonders gut gelaunt. Deshalb musste ich jetzt einfach aufmachen, wenn auch nur mit einem Handtuch bekleidet. Also ging ich zur Tür und schloss auf, vor mir stand ein sichtlich verwirrter Mann. "Guten Morgen.", sagte ich schüchtern. "Morgen.", erwiderte der Mann knapp. "Ich.. also ich hab nur schnell geduscht und wäre auch gleich fertig.", erklärte ich ihm und glücklicherweise stieß Stephan auf einmal hinzu.
"Guten Morgen, ihr Beiden. Gibt's hier ein Problem?", fragte er den Mann direkt. "Ich muss ins Bad.", antwortete dieser ungeduldig. "Da kannst du auch rein, wenn Elena fertig ist. Du brauchst doch sicher nicht mehr lange, oder?" Sofort schüttelte ich den Kopf. "Höchstens noch fünf Minuten, ich beeil mich!", versicherte ich ihnen. "Und auch wenn es sechs Minuten dauert, ist das nicht schlimm. Komm dann einfach nach draußen, dort frühstücken wir."
Er zog den Mann einfach mit sich und ich schloss mich wieder im Bad ein, dort erledigte ich nun alles im Eiltempo. Ich trocknete mich richtig ab, schlüpfte in meine Klamotten, beziehungsweise in die geliehenen und kämmte mir meine mittlerweile halbwegs trockenen Haare durch. Dann versuchte ich alle wieder so her zu richten, als wäre ich nie hier drin gewesen. Gerade als ich aus der Tür trat, kam mir ein Mädchen entgegen, ich schätzte sie auf ungefähr zehn Jahre.
"Jetzt kann ich ja rein!", meinte sie fröhlich und war gleich darauf im Badezimmer verschwunden. Auch der Mann kam wieder und guckte ziemlich sauer, als er feststellte, dass er nochmal warten musste. Ich machte mich schnell aus dem Staub und ging wie Stephan es mir gesagt hatte nach draußen. Gleich entdeckte ich den Platz, der wohl sie wohl regelmäßig frühstückten. Sabine und Stephan saßen schon am Tisch.
"Guten Morgen. Wie geht's dir?", fragte Sabine. "Guten Morgen. Schon viel besser, Danke.", antwortete ich ihr. "Das freut mich. Setz dich ruhig hin und nimm dir was du magst, die anderen sollten auch gleich kommen." Da ich Hunger hatte, nahm ich mir auch gleich ein Brötchen. Kurze Zeit später kam der Mann aus dem Haus und setzte sich an den Tisch, er sah immer noch sehr genervt aus. "Guten Morgen. Was ist denn mit dir los?", fragte seine Sabine ihn. "Ständig ist das Bad belegt, jetzt is Luisa drin! Ich geh nachher rein, wenn ich was gegessen hab.", antwortete er und schenkte sich Kaffee ein. "Tut mir leid, ich hab unter der Dusche die Zeit vergessen.", entschuldigte ich mich. "Dann sollte man vorher mal nachfragen!", pampte er mich an. Mir war das wirklich unangenehm, aber alle hatten noch geschlafen. Deshalb hatte ich geglaubt es würde niemanden stören.
"Es reicht jetzt! Nur weil du anscheinend schlecht geschlafen hast, musst du deine schlechte Laune nicht an uns auslassen und vor allem nicht an unseren Gästen!", wies ihn Sabine nun zurecht. "Da hat die Mama recht, Elena  kennt den Tagesablauf hier schließlich nicht.", pflichtete Stephan seiner Mutter bei. "Jetzt weiß ich es ja und es wird nicht mehr vorkommen.", mischte ich mich nun wieder ein. "Soll das heißen, dass du vorhast länger bei uns zu bleiben?", wollte der Mann wissen. "Sie kann bleiben, so lange sie möchte." Ich war froh, dass Sabine geantwortet hatte und damit war das Thema erstmal erledigt.
"Könntest du mir bitte die Kaffeekanne geben?", fragte ich den Mann und er übergab sie mir ohne Kommentar. "Danke." Ich hatte gerade den Deckel etwas aufgedreht, als Stephan mir die Kanne aus den Händen nahm. "Ähm.. was soll das?" Stephan drehte die Kanne wieder zu und stellte sie weiter weg. "Du bist schwanger.", erinnerte er mich und ich seufzte.
"Wer ist schwanger?", fragte der mir noch fremde Mann. "Ich.", klärte ich ihn auf. "Und da kann man früh ruhig eine Tasse Kaffee trinken, das schadet überhaupt nichts.", fügte ich noch hinzu und bedeutete Stephan, mir die Kanne doch wieder zu geben und das tat er auch. "Das wird ja immer besser!", murmelte der Mann und stand auf.
Das Mädchen von vorhin kam nämlich gerade aus dem Haus und er hatte schon fertig gefrühstückt, also konnte er endlich ins Bad. "Ich möchte jetzt ganz ehrlich nicht wissen, was er denkt.", teilte ich Stephan hinter vorgehaltener Hand mit. "Soll er denken was er will. Nur weil er wieder Stress mit seiner Freundin hat, ist er so unausstehlich. Der beruhigt sich irgendwann schon wieder. Das war übrigens Manuel, mein Bruder.", stellte Stephan den Mann nun stellvertretend vor. Ich fragte nicht weiter nach und gab noch Milch und Zucker in meinen Kaffee, rührte diesen um und sah das Stephan mich dabei kritisch beobachtete. "Nur diese eine Tasse, mehr werde ich nicht trinken.", schwor ich ihm und er nickte nur leicht.
Dann fasste er sich in den Nacken und verzog das Gesicht, als ob er Schmerzen hätte. "Der Boden war wohl doch nicht so bequem, mh?", fragte ich und grinste. "Ne, nicht wirklich.", gab Stephan zu. "Ich hab gesagt du sollst in deinem Bett schlafen, aber wer nicht hören will muss fühlen." Ich wusste, dass ich ihn damit ärgerte. "Werden wir etwa frech, junge Frau?" Sofort schüttelte ich den Kopf. "Nein, niemals!", erwiderte ich und nahm einen Schluck aus meiner Tasse. Das Mädchen war inzwischen bei uns angekommen und setzte sich, nachdem sie sich noch kurz mit Manuel unterhalten hatte. "Morgen. Papa hat ja mal wieder eine Laune." Stephan und Sabine versuchten ihr zu erklären, woran das liegen konnte. "Der ist momentan nur noch schlecht drauf. Wer ist sie denn eigentlich, Oma?", wollte die Kleine nun wissen. "Das ist Elena und sie wird ein paar Tage bei uns wohnen.", entgegnete Lisbeth. "Achso. Weil Papa hat sich auch aufgeregt, dass ja jetzt noch eine Frau im Haus ist, die früh das Bad blockiert. Bist du die neue Freundin von Onkel Stephan?"
Das sie mich das so direkt fragte, machte mich beinahe sprachlos. "Nein.. also ich bin sozusagen eine Freundin von ihm, ja. Aber nicht seine feste Freundin, so wie du gerade denkst.", stellte ich die Sache richtig und damit war sie auch zufrieden.
Stephan grinste nur und warf dann einen Blick auf seine Armbanduhr. "Wir müssen bald los, du musst noch deine Aussage machen.", meinte er dann. Zwei Stunden später waren wir bereits bei der Polizeizentrale angekommen und eine weitere Stunde später hatte ich meine Aussage bereits gemacht. Mein Ex würde ins Gefängnis kommen, das hatte man mir mehr oder weniger versichert. Leider hatte Stephan die Befragung nicht durchführen können, da er selbst noch einen Bericht hatte schreiben müssen. Sein Kollege Paul hatte das übernommen und nun saß ich im Gang und wartete. Stephan wollte mich wieder zurück zu sich fahren und das, obwohl er eigentlich arbeiten musste. Er war einfach so fürsorglich.
Während ich so da saß, begann ich nachzudenken. Über alles, was geschehen war. Es spielte sich wieder und wieder vor meinen Augen ab, als würde es gerade in diesem Augenblick nochmal passieren. Ich merkte gar nicht, dass jemand sich näherte und mich an sprach. Erst als jemand meine Hände packte bemerkte ich, dass Stephan vor mir kniete.
"Elena!", sagte er streng und hielt mich an den Handgelenken fest. "Was ist?", fragte ich erschrocken, da ich sah wie er mich an schaute. "Was tust du da, warum.." Ich musste den Satz nicht beenden, da ich nun entdeckte warum er mich wohl fest hielt. Zusätzlich zu den eigentlichen Verletzungen, befanden sich auf meinem linken Unterarm nun noch andere Kratzer. "Au.", flüsterte ich, da es ziemlich brannte. "Das warst du.", meinte Stephan. "Das hast du dir selber zugefügt, das hab ich gesehen. Hast du das nicht gemerkt?" Ich schüttelte den Kopf. "Die Psyche.", sagte Stephan daraufhin und klang total verständnisvoll. "Ein bisschen Ablenkung wird jetzt gewiss nicht schaden. Hast du Lust ein Eis essen zu gehen?", wollte Stephan wissen. "Du musst doch arbeiten, oder?", fragte ich. "Nein, ich habe mir ein paar Tage frei genommen. Also wenn du Lust hast können wir gerne was unternehmen." Ich nickte. "Das klingt gut.", antwortete ich. "Dann los.", meinte Stephan, nahm mich an die Hand und führte mich nach draußen zum Auto.
Ich ließ Stephan einfach fahren. Wohin, das würde ich dann schon herausfinden. Aber ich vertraute ihm inzwischen voll und ganz, schließlich hatte er mich gestern einfach mit zu sich nach Hause genommen, da war ich ihm das schuldig. Ich schaute aus dem Fenster und beobachtete die Häuser, wie sie an uns vorbei zogen. Inzwischen war es fast zwölf Uhr, also gar nicht mehr so früh, weshalb wir ruhig ein Eis essen gehen konnten. Stephan parkte irgendwann. In dieser Gegend war ich auch nochnicht gewesen, genau wie in so vielen anderen Gegenden hier auch.
"Ich hab so vieles hier noch nicht gesehen.", sagte ich bedrückt. "Ich könnte dir ja ein bisschen was zeigen, wenn wir hier fertig sind.", meinte Stephan lächelnd und stieg aus. "Diese Eisdiele hat das beste Eis weit und breit.", erklärte er mir, ergriff wieder meine Hand und ging mit mir zur Eisdiele. Wir setzten uns an einen Tisch draußen auf der kleinen Terrasse. Während ich in der Karte nach einem Eis suchte, fiel mir etwas ein. "Ich hab immer noch kein Geld.", erinnerte ich mich und legte die Karte weg. Stephan ging zunächst nicht darauf ein und suchte sich selbst etwas aus. Als die Bedienung kam, begrüßten die beiden Männer sich wie zwei Freunde.
"Das übliche?", wollte der Mann von Stephan wissen. "Für mich das übliche, ja.", bestätigte Stephan. "Und für die schöne Begleitung?", fragte der Kellner anschließend. "Für mich nichts, Danke.", sagte ich peinlich berührt. "Für sie bitte das allerbeste was du hast.", sagte Stephan einfach und der Mann ging davon. Ich wollte schon anfangen zu schimpfen, aber das ließ Stephan nicht zu. "Ich bezahle das.", meinte er. "Du brauchst das, glaub mir. Nach nervenaufreibenden Situationen gibt's nichts besseres als einen großen Eisbecher und vor allem dein Kleines wird es dir danken.", stellte Stephan klar und ich merkte, dass er nein nicht akzeptieren würde. Aber letztendlich war ich doch froh, dass er mir etwas mitbestellt hatte. Das Eis schmeckte wirklich sehr gut und die Gespräche mit Stephan wirkten Wunder. Mir ging es von Minute zu Minute besser.
Nachdem er bezahlt hatte, verließen wir die Eisdiele. "Ich fahre gleich wieder zu mir nach Hause, damit du dich ein wenig ausruhen kannst. Du siehst fertig aus.", meinte Stephan kurz nachdem er losgefahren war. "Könntest du mich vielleicht auch zu mir nach Hause bringen?", fragte ich. "Elena, ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist.", antwortete Stephan unsicher. "Irgendwann muss ich dorthin, schließlich befindet sich dort mein ganzer Besitz. Bitte, Stephan.", bat ich ihn und er seufzte. "Ich war gestern dort.", offenbarte er mir nun. "Dort sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.", erklärte Stephan mir. "Trotzdem möchte ich dorthin.", beharrte ich. "In Ordnung, ich bringe dich nach Hause.", gab Stephan schließlich nach und wendete ein paar Meter weiter an einer geeigneten Stelle.
Er wusste noch wo es lang ging, weshalb wir die meiste Zeit über schwiegen. Als er vor dem Haus parkte, dass für mich monatelang wie ein Gefängnis gewesen war, konnte ich erst nicht aus dem Auto aussteigen. "Geht's dir gut?", fragte Stephan besorgt. "Ich brauch nur einen Moment.", flüsterte ich. "Wir müssen das heute nicht machen.", antwortete er. "Doch, ich muss. Je länger ich damit warte, desto schwerer wird es mir fallen und irgendwann werde ich mich gar nicht mehr überwinden können." Ich stieg daraufhin aus und ging langsam auf die Haustür zu.
Bevor ich das Haus betrat, blickte ich Stephan an und griff nach seiner Hand. Ganz automatisch. "Ich bin direkt neben dir.", versicherte er mir. Das zu wissen machte es mir einfacher den ersten Schritt zu machen und ins Haus zu gehen. Bereits im Flur war das Chaos nicht zu übersehen. "Oh Gott!", flüsterte ich und ging ganz langsam voraus. "Jetzt kannst du dir denken, warum ich dich nicht her bringen wollte.", meinte Stephan, aber ich antwortete nicht.
Auf meinem Weg ins Wohnzimmer stieg ich über Scherben und anderes hinweg. Es war das reinste Durcheinander, geschaffen von meinem ehemaligen Freund. "Ich muss das aufräumen.", sagte ich, als ich mitten im Wohnzimmer stand und mich umsah. "Du solltest dich lieber schonen." Stephan stand in der Tür. "Ich muss das aufräumen!", beharrte ich und kniete mich gleich hinunter auf den Boden. Ich wusste nicht wirklich wo ich anfangen sollte, weshalb ich begann ein paar Scherben aufzusammeln. Ich schluchzte auf, wegen dem Chaos hier aber auch wegen der Schmerzen. "Elena." Stephan kniete nun neben mir und nahm mir die Scherben einfach aus der Hand. "Du wirst dich noch schneiden.", meinte er. "Komm hoch.", sagte er anschließend und half mir beim Aufstehen. Dann führte er mich zur Couch, die zum Glück von allem verschont geblieben war und wir setzten uns hin. Er nahm mich wie so oft seit unserem Kennenlernen in den Arm und ich heulte einfach drauf los. Ich weinte so sehr, dass ich bald merkte wie mir die Luft weg blieb.
"Elena, hey! Beruhige dich!" Stephan merkte gleich, dass etwas nicht in Ordnung war. "Ich.. ich krieg keine Luft!", presste ich hervor. "Ich.. ich brauche.." Weiter kam ich erstmal nicht. "Was brauchst du?!", fragte Stephan mich panisch. "Asthma.. Mein Asthma-Spray.. in meiner Tasche.. auf der Kommode im.. Flur!" Stephan rannte sofort hinaus und holte meine Handtasche, die er durch wühlte. "Hier ist kein Spray!", stellte er aufgeregt fest. Aber es musste da drin sein, außer Kai hatte es entwendet. Und das traute ich ihm tatsächlich zu. Er wusste, dass meine Anfälle sehr schlimm sein konnten. Selten, aber dafür ziemlich heftig. Er musste es versteckt haben, aber glücklicherweise hatte ich vorgesorgt. "Arbeitszimmer.. Bücherregal.. hinter den.. Medizinbüchern irgendwo liegt noch eins!"
Stephan rannte erneut los und ich hörte ihn aus dem Arbeitszimmer fluchen, während er nach dem suchte was ich so dringend brauchte. Ich konnte kaum noch atmen und wurde immer panischer. Das war einer der schlimmsten Anfälle, die ich in meinem Leben je gehabt hatte und das waren schon so einige.
"Steph.. Stephan!", rief ich kraftlos und glaubte, gleich das Bewusstsein zu verlieren. "Ich hab's!", hörte ich Stephan rufen. "Ich hab's!", wiederholte er, als er den Raum betrat und zu mir eilte. "Hier!" Er hatte das Asthma-Spray tatsächlich gefunden und ich nahm gleich eine Dosis davon. Sofort wurde es wieder besser, dennoch wiederholte ich die Prozedur ein zweites Mal. Erschöpft lehnte ich mich zurück und konzentrierte mich auf meinen Atem, der sich allmählich beruhigte.
Stephan setze sich neben mich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Müde schloss ich die Augen. "Soll ich zur Sicherheit einen Krankenwagen rufen?", wollte er wissen und ich schüttelte den Kopf. "Ich muss mich nur ganz kurz ausruhen, das reicht.", erwiderte ich und sah ihn an. "Ich hab dich wohl ziemlich geschockt, mh." Das war eine Feststellung, da er wirklich ziemlich besorgt drein blickte. "Allerdings.", meinte er. "Magst du was trinken?", wollte er wissen. "Wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee.", antwortete ich und Stephan stand auf, um in die Küche zu gehen. Kurz darauf kam er mit einem Glas Wasser wieder. Es wunderte mich, dass er überhaupt noch eins gefunden hatte was von Kai nicht zerstört worden war.
"Hast du das öfter?", fragte Stephan mich, während ich ein paar Schlückchen aus dem Glas nahm. "Ja leider.", antwortete ich stellte das Glas auf dem Tisch ab. "Kai hat das Spray hundertprozentig aus der Tasche genommen, als ich das letzte Mal nachgeschaut habe war es noch da gewesen.", meinte ich nachdenklich. Er hätte sich niemals um mich gekümmert, hätte ich in seiner Gegenwart wieder einen Anfall erlitten. Ich konnte von Glück reden, dass er jetzt in U-Haft saß und Stephan hier gewesen war. Als es mir wieder besser ging, begannen Stephan und ich gemeinsam das Haus ein wenig aufzuräumen. Anschließend packte ich ein paar Sachen zusammen, da Stephan darauf bestand, dass ich wieder mit ihm kam.
"Stephan, ich könnte hier auch alleine bleiben.", meinte ich, als wir zu seinem Auto gingen. Er hatte mir auch meinen Koffer abgenommen, der laut ihm angeblich zu schwer für mich war. "Das hab ich gesehen.", antwortete Stephan und verstaute  den Koffer im Wagen. "Mir geht's gut!", beharrte ich. "Steig ein.", sagte Stephan bestimmt. "Stephan..", setzte ich an. "Ich möchte wirklich nicht mit dir diskutieren.", stellte Stephan klar und legte beide Hände auf meine Schultern. So konnte er mich eindringlich ansehen. "Ich hatte da drin gerade dezente Panik, dass du mir erstickst. Meinst du wirklich, ich lasse dich nach so einem Erlebnis hier allein? Das kannst du nicht von mir verlangen." Ich sah ihm die Sorge an.
"Was ich nicht von dir erwarten kann ist, dass du mich wieder mit nach Hause nimmst. Du hast eine tolle Familie und ich will euch nicht zur Last fallen. Wir kennen uns doch kaum und du hast dafür schon viel zu viel für mich getan." Stephan lächelte. "Wir könnten uns besser kennenlernen, wenn du mitkommst. Und ich meine für eine kurze Zeit war ich dein Ehemann und wir haben uns geküsst, ich glaube näher kommen können wir uns erstmal nicht. Komm bitte einfach mit mir, ansonsten habe ich keine ruhige Minute mehr." Er versuchte mich weiterhin zu überzeugen. "Und wenn du mit mir hier bleibst?", fragte ich und Stephan seufzte. "Wie gesagt habe ich gesehen wie gut es dir hier geht. Du hast das Chaos gesehen und einen Anfall bekommen. Ich glaube wirklich, dass ein paar Tage mehr woanders sinnvoll wären."
Ich merkte, dass ihm das wirklich wichtig war. Also willigte ich ein, wieder mit zu ihm zu fahren. Wenig später kamen wir wieder bei Stephan zu Hause an. Inzwischen war es Nachmittag und alle waren da. Stephans Mutter, seine Nichte und sein Bruder. Sabine freute sich, dass ich wieder mitgenommen war und offenbar noch ein paar Tage blieb. Auch ihrer Enkelin schien es so zu gehen, nur Stephans Bruder wirkte nicht sehr begeistert.
Stephan und ich gingen nach oben, um meine Sachen ins Gästezimmer zu bringen. "Du kannst dich jetzt ein bisschen ausruhen, ich gehe einkaufen. Essen gibt's bei uns immer so um sieben.", erklärte Stephan mir. "Ich kann auch mitkommen.", antwortete ich und wollte schon wieder aufstehen, denn ich hatte mich aufs Bett gesetzt. "Nein, ist schon gut. Bleib hier und ruh dich aus, das war genug Stress für heute. Denk an dein Baby." Ich musste einsehen, dass er erneut recht hatte. "Hast gewonnen.", sagte ich deshalb und Stephan lachte. "Freut mich, dass du das einsiehst.", meinte er und kam zu mir. "Wir sehen uns später.", sagte Stephan und gab mir einen Kuss auf den Scheitel. Mein Herz machte einen Sprung. Wir kannten uns kaum eine Woche, die Tage konnte man noch an einer Hand abzählen und doch behandelte er mich wie jemanden den er schon ewig kannte. Wie, als wäre ich seine Schwester oder vielleicht sogar seine Freundin. Als würde ich tatsächlich zu ihm gehören.
"Schlaf ein bisschen, wird euch gut tun.", meinte Stephan. "Ich bin nicht müde.", widersprach ich. "Dann beschäftige dich anderweitig, aber mit etwas das keine Anstrengung erfordert.", antwortete Stephan und ging zur Tür. "Bis dann.", sagte ich lächelnd, als er kurz davor war das Zimmer zu verlassen. "Bis dann.", erwiderte Stephan und lächelte ebenfalls. Anschließend ging er und schloss die Tür hinter sich. Ich legte mich hin und schaute an die Decke. Das Grinsen wollte nicht aus meinem Gesicht weichen und obwohl ich behauptet hatte nicht müde zu sein, wurden meine Augen plötzlich ganz schwer und ich schlief trotz den Erlebnissen heute glücklich ein.

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