Kapitel 5

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Nach ein paar Minuten kehrte Stephan mit einem Tablett mit zwei Tassen und zwei Tellern mit je einem Stück Kuchen zurück. "Kamillentee.", meinte er und stellte mir eine Tasse hin, nachdem er das Tablett abgestellt und sich hingesetzt hatte. "Und ein Stück Schokoladenkuchen. Jede Frau mag Schokolade, deshalb dachte ich mit dem Kuchen kann ich gar nichts falsch machen.", er klang vollkommen überzeugt.
"Und wenn der Bauchbewohner ein Junge wird und Schokolade nicht mag?", fragte ich belustigt. "Dann hab ich Pech gehabt.", antwortete Stephan ebenfalls amüsiert. "Ich hoffe es schmeckt ihnen beiden.", meinte Stephan und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. "Und ich wünschte mir ich könnte mich an meinen Namen erinnern, weil dann könnte ich ihnen das 'Du' anbieten." Dieses Gesieze passte inzwischen gar nicht mehr. "Dann geben wir ihnen einfach einen neuen Namen, bis sie sich an ihren erinnern.", schlug er vor. "Das klingt nach einem Plan.", erwiderte ich. "Und sie dürfen als mein Ehemann einen aussuchen.", scherzte ich. Stephan nahm das allerdings erst und begann verschiedene Namen auf zu zählen. Zunächst nur scherzhaft. Da kamen die komischsten Namen heraus und wir waren nur am lachen.
Dann jedoch überlegte er länger und schaute mich dabei ununterbrochen an. "Wie wär's mit Jane?", fragte er mich kurz darauf. "Jane?", fragte ich. "Ja, Jane. Wie Jane Porter aus dem Film Tarzan, dem Kinderfilm." Ich konnte mich selbst daran nicht erinnern, aber ich fand es dennoch süß das er mich nach einer Filmfigur benennen wollte. "Wie kommen sie darauf?", wollte ich wissen. "Naja.. Tarzan und Jane lernen sich im Dschungel kennen. Nachdem wir uns im Wald kennengelernt haben und sie mich an sie erinnern, dachte ich das würde passen.", erklärte er mir. "Das ist albern, ich weiß.", gab Stephan anschließend noch von sich. "Nein.", antwortete ich. "Jane ist super, wirklich.", antwortete ich ehrlich. "Mir gefällt es."
Stephan lächelte nun und ich hielt ihm meine Hand über den Tisch hin. "Jane.", stellte ich mich nun vor. Ob ich diesen Namen behalten würde oder nicht stand noch nicht fest. Aber wenn ja, würde ich es nicht schlimm finden. Im Gegenteil, es würde mich immer an ihn erinnern. "Stephan, freut mich dich kennenzulernen.", antwortete der Polizist und wir lachten erneut. Allgemein lachten wir in den zwei Stunden, die wir insgesamt noch in der Cafeteria saßen, eigentlich pausenlos.
Während ich mit Stephan zusammen war vergaß ich die Probleme außen herum. Gegen 19 Uhr brachte Stephan mich dann zurück auf mein Zimmer, wo die Frau noch immer in ihrem Bett saß und gerade von einer Schwester einen neuen Zugang gelegt bekam. "Ich glaub ja nicht wirklich, dass die zwei verheiratet sind!", sagte sie zur Schwester, die verblüfft zu uns schaute. Stephan half mir beim Aufstehen und beim Laufen zum Bett. Dort legte ich mich hinein.
"Können sie ruhig glauben.", meinte Stephan unbeeindruckt. Und was nun passierte, damit hätte ich niemals gerechnet. Denn Stephan beugte sich zu mir hinunter, nahm mein Gesicht in seine Hände und legte seine Lippen ganz behutsam auf meine. Vor Überraschung riss ich erst die Augen weit auf, doch dann lies ich mich darauf ein. Ich erwiderte den Kuss zaghaft. Es war ein eher oberflächlicher Kuss, aber dennoch zärtlich und es fühlte sich toll an. Irgendwie richtig. Auch wenn ich in meinem Zustand nicht so richtig wissen konnte was richtig oder falsch war. Trotzdem wünschte ich mir, dass dieser Kuss nicht endete. Aber es war so schnell vorbei wie es angefangen hatte. Als Stephan sich von mir gelöst hatte, sahen wir uns tief in die Augen. Er schien selbst über das erschrocken zu sein, was er gerade getan hatte. Doch als ich lächelte, lächelte er zurück. "Ich komme Morgen wieder.", es klang fast wie ein Versprechen. Stephan strich mir nochmal über die Wange, bevor er mich los ließ. "Bis Morgen, Jane.", sagte er. "Bis Morgen.", antwortete ich und dann ging er.
Der Frau war der Mund offen stehen geblieben, dennoch sagte sie nichts mehr. Die Krankenschwester grinste nur und beendete ihre Arbeit. Anschließend ging die Frau ins Bad und die Schwester kam zu mir. "Sind die Schmerzen erträglich?", fragte sie mich. "Ja.", antwortete ich und lächelte noch immer und sie begann meinen Puls zu messen. "Ziemlich hoch.", stellte sie fest. "Liegt wohl am gutaussehenden Polizisten-Ehemann.", meinte die Krankenschwester. "Er ist nicht..", setzte ich an, um wenigstens ihr die Wahrheit zu sagen. Aber die wusste sie bereits. "Ich weiß.", sagte sie. "Er war schon öfter hier, ich kenne ihn und außerdem hab ich gesehen wie erschrocken sie erst waren. Aber diese Frau hat es nicht anders gewollt und verdient hat sie es. Sie macht die gesamte Belegschaft wahnsinnig!" Wir mussten lachen. "Ist Jane ihr echter Name?", wollte sie anschließend von mir erfahren. "Nein. Oder.. ich weiß es nicht. Aber er hat ihn mir gegeben, bis ich mich wieder an meinen erinnern kann. Und wenn nicht, dann ist Jane wohl mein neuer Name für den Rest meines neuen Lebens.", erklärte ich. "Ich finde den Namen sehr schön.", meinte die Pflegerin. "Ich auch.", antwortete ich und war irgendwie total glücklich. "Ich hab da noch was für sie.", sagte die junge Frau nun und ging kurz nach draußen. Sie kam mit einer Plastiktüte wieder. "Ihre persönlichen Sachen." Sie gab mir die Tüte und ging dann endgültig hinaus. Meine Zimmergenossin war noch immer im Bad, dort konnte sie von mir aus auch noch länger bleiben. Ich war ziemlich erschöpft, weshalb ich die Tüte beiseite legte und einschlief.
Am nächsten Morgen wurde ich vom Frühdienst geweckt und zu ein paar Untersuchungen gebracht. Anschließend durfte ich frühstücken. Ich freute mich bereits jetzt schon auf Stephans Besuch, sofern er sein Versprechen wieder zu kommen einhalten würde. Ich widmete meine Aufmerksamkeit nun der Tüte, um mir die Zeit zu vertreiben. Darin befanden sich unter anderem meine dreckigen Klamotten von gestern. In einem kleineren Tütchen, das ich fand, entdeckte ich einen Ring.
Ich nahm ihn heraus. Er war silber und sehr schlicht. Ich sah ihn mir ganz genau an. Wieder und wieder schaute ich ihn mir an. Dann entdeckte ich auf der Innenseite einen Schriftzug. Im Ring waren zwei Namen eingraviert, die mir fremd waren. Aber ich musste sie kennen, schließlich war das offenbar mein Ring. 'Kai & Elena' war auf der Innenseite eingraviert, daneben ein Datum. "Kai und Elena?", flüsterte ich. 'Bin ich verheiratet?', fragte ich mich. 'Verheiratet mit einem Kai und lautete mein richtiger Name Elena?' Lauter Fragen kamen mir gleichzeitig in den Sinn. Aber so sehr ich mich anstrengte, ich konnte mich immer noch nicht erinnern. An überhaupt nichts.
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Stephan und Paul hatten bereits seit sieben Uhr Dienst. Gerade hatten sie einen Einsatz hinter sich gebracht und waren nun auf dem Weg in die Klinik. Stephan hatte die ganze Zeit noch nicht viel geredet. Er dachte an Jane. Seitdem sie einen Namen hatte musste er nur noch öfter als gestern an sie denken. Und daran, dass sie ein Kind von jemandem erwartete. Und an den Kuss. 'Der Kuss!', schoss es ihm durch den Kopf. 'Ich hätte das nicht tun dürfen!'
Paul riss Stephan aber plötzlich aus seinen Gedanken. "Stephan, was ist los mit dir?", wollte der Beamte von seinem Kollegen wissen. "Du redest seit Schichtbeginn kaum was und wenn nur das Nötigste. Also sag schon was los ist.", forderte Paul ihn auf. "Warst du gestern wirklich noch bei ihr, ist es das was dich so beschäftigt? Die namenlose Schönheit?", witzelte Paul. "Jane.", sagte Stephan. "Was?", fragte Paul. "Ihr Name ist Jane.", meinte Stephan etwas ausführlicher. "Zumindest ist das ihr Name, bis sie ihren richtigen wieder weiß. Sie hat mich gebeten ihr einen Namen zu geben." Paul war verwirrt. "Und deshalb bist du so still heute? Was war da noch?" Stephan wusste nicht, ob er seinem Freund von der anderen Sache erzählen sollte. Aber dann platzte es regelrecht aus ihm heraus.
"Ich hab sie geküsst!", rief er aufgebracht, da ihn die Neugier von Paul total nervte. Aber jetzt, da er es ausgesprochen hatte, konnte er es jetzt erst selbst wirklich glauben. "Ich hab sie geküsst, ok?! Bist du jetzt zufrieden?! Jetzt weißt du es!" Es war eigentlich kein Kuss aus Liebe gewesen. Nach ein paar Stunden Bekanntschaft konnte man davon wohl kaum sprechen. Jedoch machte es Stephan nun zu schaffen und zwar ziemlich. Er konnte an nichts mehr anderes denken als an diese blauen, strahlenden Augen und dieses wunderschöne Lächeln. Diese Frau hatte ihm doch tatsächlich in der kurzen Zeit den Kopf verdreht.
"Du hast sie geküsst?!", rief Paul beinahe hysterisch. "So richtig?! Auf.. Auf den Mund?!" Paul konnte das nicht so wirklich fassen. "Jap.", antwortete Stephan. "Eigentlich nur als Alibi sozusagen.", fügte er eilig hinzu. "Alibi?!", wiederholte Paul irritiert. "Du hast schon richtig gehört, bitte hör auf alles zu wiederholen was ich sage!", bat Stephan seinen Kollegen. "Entschuldigung, aber du erzählst mir hier gerade das du eine Fremde getauft und abgeknutscht hast! Da muss ich das ein oder andere wiederholen um es glauben zu können!", erwiderte Paul aufgebracht.
"Ich habe sie geküsst, weil ihre blöde Zimmernachbarin versucht hat sie fertig zu machen! Da ist es mit mir durchgegangen, als die geglaubt hat ich wäre ihr Freund und dann.. Dann hab ich gemeint ich wäre ihr Ehemann und das hat die nicht geglaubt deshalb hab ich Jane eben geküsst!", erklärte Stephan fast alles auf einmal. "Und jetzt kriegst du sie nicht mehr aus dem Gedächtnis.", schlussfolgerte Paul. "Nein, ich muss die ganze Zeit an sie denken.", gab Stephan zu. "Ich glaub zwar eigentlich nicht an so was, aber jetzt kann ich es wirklich nicht leugnen. Du hast dich verknallt, Liebe auf den ersten Blick, wie romantisch!", schwärmte Paul spielerisch überheblich.
"Ich bin nicht verknallt!", leugnete Stephan. "Oh, doch und ob du das bist!", widersprach Paul. "Ihr kennt euch zwar.. ich sag jetzt mal nur drei oder vier Stunden und du weißt nichts über sie, genauso wie sie über dich. Aber hey, darauf kann man aufbauen! Schnapp sie dir!" Stephan schüttelte nur den Kopf. "Das geht nicht so einfach.", meinte er. "In Filmen kriegen die Helden auch immer die Schönheiten ab. Du bist ihr Held, immerhin hast du sie ja gerettet. Sei nicht so pessimistisch!" Doch Stephan seufzte. "Was ist?", fragte Paul gleich. "Sie ist vergeben.", sagte Stephan. "Sie weiß doch nichts mehr, also woher willst du wissen ob sie.."
Stephan redete dazwischen. "Sie ist schwanger.", offenbarte Stephan seinem Kollegen nun. "Sie bekommt ein Baby von jemandem." Paul fiel der enttäuschte Unterton in der Stimme seines Freundes sofort auf. "Das ändert die Sache.", meinte Paul. "Aber wir wissen ja nicht wer sie so zugerichtet hat. Meistens sind es die Partner, die ihre Frauen so misshandeln." Stephan nickte nur. "Wir warten jetzt einfach mal ab ob sie sich wieder erinnern kann und ob sich jemand bei uns meldet." Was Stephan irgendwie nicht hoffte, obwohl das egoistisch von ihm war. Aber er wollte Jane besser kennenlernen, er fühlte sich verantwortlich für sie.
"Küsst sie denn gut?", wollte Paul nun wissen. "Es war nur ein oberflächlicher Kuss.", antwortete Stephan darauf. "Ist doch egal.", meinte Paul grinsend. "War der gut oder nicht?" Stephan erinnerte sich noch ganz genau daran wie er gewesen war und das sah Paul an seinem Gesichtsausdruck. "Er war gut.", schlussfolgerte Paul daraufhin. "Trotzdem hätte ich das nicht tun sollen!", stellte Stephan klar. "Jetzt ist es passiert.", erwiderte Paul. Sie waren nun angekommen, stiegen aus und gingen hinein. Während Paul nochmal schnell für kleine Polizisten wohin musste, wollte Stephan gleich zu Jane.
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Ich hatte mir den Ring noch mehrmals angesehen, aber es hatte nichts gebracht. Die Frau, mit der ich mir mein Zimmer geteilt hatte, war nun nicht mehr da. Sie hatte darauf bestanden ein Einzelzimmer zu bekommen, da sie ja schließlich Privatpatientin war. Daher rührte wohl auch ihr Verhalten mir gegenüber. Sie hielt sich für etwas besseres. Aber jetzt war sie weg, ich war erstmal alleine im Zimmer und konnte in Ruhe nachdenken. Auch wenn es nichts brachte.
Es klopfte an der Tür. "Herein.", sagte ich und legte den Ring beiseite. Als ich sah wer herein kam musste ich sofort anfangen zu lächeln. "Hallo, Ehemann.", sagte ich scherzhaft. "Hallo, Ehefrau.", erwiderte Stephan. "Wie ich sehe ist da kein zweites Bett mehr.", stellte er fest. "Ja, sie hat sich verlegen lassen. Wollte nicht länger mit einer schwangeren Irren in einem Zimmer liegen, was bedeutet wir können uns scheiden lassen.", meinte ich.
Stefan setzte sich zu mir aufs Bett. "Das war dann aber keine langwierige Ehe.", meinte er und wir sahen uns tief in die Augen. In meinem Bauch kribbelte es. "Nein, leider nicht.", antwortete ich und kaute auf meiner Unterlippe herum. Stephan schmunzelte. "Wir könnten es ja auch noch ein bisschen hinaus zögern, was meinst du?", fragte er mich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Jane Sindera klingt doch gar nicht so schlecht." Seine Berührungen waren so sanft, aber dennoch schienen sie auf meiner Haut eine Explosion auszulösen. Seine Hand kam auf meiner Wange zum Liegen und ich schmiegte mich an sie. Zusätzlich legte ich meine Hand auf seine. Ich wollte nicht das er sie weg nahm. Anstatt das die Verletzungen im Gesicht sich bemerkbar machten, schien er die Schmerzen die von ihnen ausgingen zu lindern. Ich konnte meinen Blick nicht von seinen Augen abwenden. Irgendetwas war da zwischen uns, etwas unerklärliches, aber etwas wunderschönes zugleich. Und ich wollte nochmal so etwas wie gestern erleben, wollte nur noch seine Lippen auf meinen spüren. Und das schien er zu merken. Unsere Gesichter kamen sich immer näher und kurz bevor es soweit war, zuckte Stephan zurück.
"Was ist?", fragte ich verunsichert. "Ich.. Mein Handy klingelt!", antwortete er und sprang regelrecht auf. "Ich habe nichts klingeln gehört.", meinte ich. "Vibrationsalarm. Du entschuldigst mich, Jane.", antwortete Stephan, holte geschäftig sein Handy heraus und verließ daraufhin einfach das Zimmer. Er hatte gelogen, dessen war ich mir sicher. Sein Handy hatte keinen Mucks gemacht. Und aus irgendeinem Grund war ich enttäuscht, sogar sehr. Obwohl wir uns ja kaum kannten.
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Stephan zog die Tür hinter sich zu und steckte das Handy wieder weg. Dann atmete er erstmal tief durch. Er hätte es gerade beinahe wieder getan, hatte im letzten Moment jedoch noch die Notbremse ziehen können. Wirklich im allerletzten Augenblick. Paul war nun ebenfalls auf der Station angekommen und sah seinen Kollegen vor der Zimmertür stehen.
"Traust du dich doch nicht rein?", fragte Paul grinsend. "Ich war schon drin.", antwortete Stephan. "Und warum stehst du jetzt wieder hier draußen?" Stephan antwortete nicht sofort. "Jetzt sag schon.", meinte Paul ungeduldig. "Ich hätte sie fast wieder.." Stephan konnte es nicht aussprechen. "Oh, schon kapiert.", meinte Paul. "Aber fast bedeutet ja, dass du es nicht getan hast.", schlussfolgerte Paul. "Nein, aber beinahe reicht schon!", maulte Stephan seinen Kumpel an. "Sorry.", sagte er gleich darauf. "Kein Thema. Warum hast du es denn nicht getan?", wollte Paul wissen. "Weil.." Stephan musste seine Lautstärke zügeln. "Aus den bereits vorhin genannten Gründen. Das funktioniert nicht, Paul! Ich kenne sie nicht, sie kennt mich nicht. Ich weiß nicht mal ihren richtigen Namen, sie weiß ihn ja selber nicht mal mehr! Ich weiß nicht ob da noch jemand ist mit dem sie zusammen ist, ich weiß es deshalb auch nicht! Ich hab keine Ahnung was mit mir los ist.. sie macht mich verrückt und das obwohl sie nichts weiter ist als jemand dem wir geholfen haben. Was schließlich unsere Pflicht ist."
All das platzte einfach aus Stephan heraus. "Jetzt komm mal wieder runter.", versuchte Paul seinen Freund zu beruhigen. "Du hattest schon immer etwas für Frauen in Not übrig, bei Melanie war es genauso.", erinnerte Paul Stephan. Melanie war Stephans Ex-Freundin. Sie hatten sich kennengelernt, als Melanie damals eine Anzeige aufgegeben hatte. Vor ungefähr vier Monaten hatten sie sich dann getrennt, da Stephan Melanie mit einem anderen Mann im Bett erwischt hatte. Das war noch gar nicht so lange her. Stephan war am Boden zerstört gewesen und war es auch jetzt noch. "Melanie.", murmelte Stephan. "Stimmt, da war was.", fügte er hinzu. "Ja, da war was. Und ich hab manchmal so das Gefühl, dass du besonders an Frauen interessiert bist die einen Beschützer brauchen. Das liegt irgendwie in deiner Natur.", meinte Paul. Stephan seufzte. "Das ist Schwachsinn.", meinte er. "Wenn du meinst.", antwortete Paul, der es aber trotzdem besser wusste.
"Gehen wir jetzt rein und nehmen ihre Aussage auf?", fragte Paul gleich darauf. "Geh du besser alleine.", antwortete Stephan. "Nein, du kommst mit.", stellte Paul klar. "Keine Widerrede!" Stephan hatte also keine Wahl.
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Nun war ich wieder allein. Zu wissen, dass er gelogen hatte tat mir wirklich weh. Obwohl ich von ihm nichts fordern oder verlangen durfte, obwohl ich ihm das nicht übel nehmen durfte. Schließlich waren wir eigentlich zwei Fremde. Aber er hatte damit angefangen. Er hatte mich vor dieser Frau als seine Frau bezeichnet und mich dann freiwillig geküsst. Warum hatte er sich jetzt so komisch benommen? Hatte ich mir alles nur eingebildet und zwischen uns war gar nichts? Ich wusste es nicht.
Erneut klopfte es an der Tür und diesmal kam Stephans Kollege herein. Ich hatte ihn gestern gesehen. Stephan folgte ihm herein und schloss die Tür. "Hallo, Paul Richter mein Name.", stellte er sich vor. "Meinen Kollegen kennen sie ja bereits.", sagte Paul voller Überzeugung und mit einem breiten Grinsen im Gesicht und gab mir die Hand. "Jane.", erwiderte ich nur, ohne auf die Andeutungen des Beamten zu reagieren. "Ich weiß.", antwortete Paul lächelnd. "Wir sind hier um ihnen ein paar Fragen zu stellen, wenn es in Ordnung ist." Ich zuckte mit den Schultern. "Versuchen können sie es. Aber ich erinnere mich immer noch nicht an das was passiert ist." Dennoch stellte Paul mir ein paar Fragen, die ich allesamt nur schwammig beantworten konnte.
Stephan schwieg die ganze Zeit über. Aber immer wieder trafen sich unsere Blicke und ich konzentrierte mich mehr auf ihn als auf seinen Kollegen. Er sah wirklich gut aus in seiner Uniform, aber das war mir bereits gestern aufgefallen.
Während des Gesprächs klopfte es einmal mehr an die Zimmertür. Eine Schwester kam herein, die von gestern. Mit ihr war ich inzwischen ebenfalls per du, ihr Name war Linda. "Jane, ich bringe dir gleich deine neue Zimmernachbarin.", meinte sie. "Ist gut.", antwortete ich. "Die Herren, ich möchte sie bitten kurz das Zimmer zu verlassen." Stephan und Paul gingen daraufhin hinaus.
"Das Mädchen, das ich dir gleich bringe, ist gerade erst 16 Jahre alt geworden. Auf der Kindertagestation ist im Moment kein Platz frei und ich dachte bei dir ist sie am besten aufgehoben." Ich lächelte über dieses unterschwellige Kompliment. Kurz danach schob Linda ein Bett herein. Tatsächlich saß ein Mädchen um die 16 Jahre darin. "Eine Ärztin kommt gleich und nimmt dir Blut ab.", informierte Linda sie und ging dann.
"Hallo.", sagte ich zu dem Mädchen, das ziemlich verängstigt wirkte. "Hi.", erwiderte sie zögerlich. "Ich bin Jane und du?", fragte ich sie. Stephan und Paul kamen nun wieder herein, aber ich wollte mich weiter mit dem Mädchen unterhalten. "Marie.", antwortete sie. "Warum bist du hier?", fragte ich weiter. "Bauchschmerzen.", sagte Marie. "Aber die glauben alle ich würde lügen wegen einer Klassenarbeit die wir heute schreiben!", erklärte das Mädchen mir traurig.
Erneut klopfte es und eine junge Frau kam herein. "Hallo.", sagte sie in die Runde und stellte sich als Assistenzärztin vor. Sie wollte Marie Blut abnehmen, schaffte es aber nicht auf Anhieb die Nadel einzuführen. Das tat dem Mädchen sichtlich weh. Mir kam das, was die Ärztin dort machte, sehr bekannt vor. Beim dritten  Versuch hatte sie es immer noch nicht geschafft, weshalb ich auf stand und zu ihnen ging.
"Kann ich ihnen vielleicht helfen?", fragte ich die Ärztin, die mich verwirrt ansah. "Sie?", fragte sie mich. "Ich glaube ich habe das schon mal gemacht.", meinte ich. Ich erklärte ihr dann wie sie die Nadel einführen musste, damit es klappte und tatsächlich funktionierte es. Die Ärztin war erleichtert und verließ kurz darauf das Zimmer. Ich sah wie Paul und Stephan sich Blicke zu warfen, ignorierte das allerdings. "Können sie uns vielleicht noch irgendwas erzählen? Jedes Detail könnte helfen.", meinte Paul. Doch ich schüttelte den Kopf, da ich nichts wusste.
Plötzlich hörten wir ein leises Schluchzen. Marie hatte sich im Bett zusammen gekauert und weinte. Ich hatte mich noch nicht wieder hingelegt, weshalb ich diesmal ein wenig schneller auf den Beinen war und wieder langsam zurück zu Maries Bett ging. "Marie?", sprach ich sie an und strich ihr durchs Haar. Mir fiel hier bereits auf, dass sie ziemlich schwitzte. "Marie, was ist los?", fragte ich besorgt. "Es tut so weh!", schluchzte sie und ich erkannte das sie sich den Bauch hielt. "Ist es so schlimm?", fragte ich und sie nickte leicht. "Darf ich mir das mal anschauen?" Ich konnte nicht sagen warum, aber ich hatte plötzlich einen Verdacht. Und irgendwie wusste ich genau was zu tun war. "Dreh dich mal auf den Rücken.", bat ich sie. "Ich tu dir nichts, ich möchte nur etwas ausprobieren."
Marie drehte sich ganz langsam zurück auf den Rücken, ich half ihr dabei und legte ihr zunächst eine Hand auf die Stirn. Sie war verdächtig heiß. "Du hast Fieber.", stellte ich alarmiert fest. "Vertraust du mir?", fragte ich sie dann und sie wimmerte leise als zustimmende Antwort. Daraufhin schob ich ihr T-Shirt ein wenig hoch. "Sind die Schmerzen ungefähr hier?" Ich fuhr vorsichtig mit einem Finger um eine Stelle auf der rechten Seite des Unterbauchs herum und Marie nickte. "Ich werde jetzt hier auf der linken Seite einmal kurz drücken.", warnte ich sie vor. "Wenn ich wieder los lasse und es  dann noch mehr weh tut, dann weiß ich wahrscheinlich was dir fehlt." Marie nickte leicht und ich drückte mit der Hand einmal auf die linke Seite in ihren Unterbauch. Als hätte ich das irgendwann mal gelernt wandte ich nun einfach bestimmte Handgriffe an. Als ich los ließ, schluchzte Marie laut auf. "Aua!", jammerte sie und weinte nun noch lauter. Meine Vermutung hatte sich bewahrheitet.
"Appendizitis!", murmelte ich und drehte mich zu den zwei Polizisten um. "Holen sie bitte die Schwester und am besten gleich einen Arzt!", befahl ich ihnen und Paul war derjenige der ging. Stephan kam zu mir und Marie. "Kann ich irgendetwas tun?", fragte er mich. "Nein.", antwortete ich knapp. "Hab ich was schlimmes?", fragte Marie weinend. "So wie es aussieht hast du eine Blinddarmentzündung. Das kann man gut behandeln, wenn man es frühzeitig erkennt.", erklärte ich ihr. "Sind sie Ärztin?", fragte Marie mich nun. "Ich..", begann ich und plötzlich flimmerten Bilder durch meinen Kopf. Eindeutige Bilder, woraufhin ich nur nicken konnte. "Ja bin ich.", bestätigte ich ihr nun und sah im Augenwinkel Stephans überraschten Blick.
Aber ja, ich war Ärztin. Plötzlich konnte ich mich daran erinnern. Und auch an alles andere. Schlagartig waren die Erinnerung zurück und überwältigen mich regelrecht. "Jane?", fragte Stephan besorgt. "Nicht Jane.", flüsterte ich. Paul kehrte endlich mit der Schwester und einem Arzt zurück. Ich erklärte ihnen was ich vermutete. "Warum sollte ich ihnen glauben?", fragte der Arzt mich. "Weil ich selbst Ärztin bin.", antwortete ich und er entschloss sich dazu Marie sofort für weitere Untersuchungen mitzunehmen. Ich setzte mich zurück auf mein Bett.
"Du kannst dich erinnern.", meinte Stephan nach ein paar Minuten des Schweigens. "An alles.", flüsterte ich und Tränen liefen mir über die Wangen. Ich begann zu weinen, diesmal weil mich diese Erinnerungen und die Ängste überwältigten. "Oh Gott!", schluchzte ich. "Er wollte mich umbringen!" Ich bekam totale Panik und war plötzlich total außer mir. "Er wollte mich umbringen!", schrie ich erneut. "Jane, hey!" Stephan kam zu mir und versuchte mich fest zu halten. "Nein!", rief ich und wollte mich sogar gegen ihn wehren. Zwecklos, da er stärker war und mich packen konnte. Er zog mich in seine Arme. "Er wollte.. wollte.." Ich bekam kein vernünftiges Wort mehr heraus. "Ganz ruhig, dir tut keiner etwas.", redete Stephan auf mich ein. "Er.. wollte.. wollte mich erschießen!", stotterte ich kraftlos. Ich bemerkte nicht, wie Paul und Stephan sich mit Blicken ab sprachen. Ich bekam nur mit, wie Paul das Zimmer verließ.
"Stephan!", schluchzte ich und klammerte mich regelrecht an ihm fest. "Ist schon gut.", sagte er. "Ich bin bei dir, keiner wird dir nochmal weh tun." Eine Weile saßen wir noch so da, bis Stephan vorsichtig das Gespräch mit mir suchte. "Erzähl mir was passiert ist.", bat er mich. Nach kurzem Zögern erzählte ich ihm alles. Von unserem Umzug hierher, bis zum Abend vor zwei Tagen. Es war alles wieder da. "Ich verspreche dir, dass wir den Typen finden und einsperren werden.", meinte Stephan, der mich immer noch fest hielt. Seine Nähe tat erneut einfach nur gut. "Sag mir wie er heißt und wo er wohnt, dann fahren wir sofort dahin." Es war das einzig richtige.
"Kai.", sagte ich und wusste nun wieder das der Ring tatsächlich mir gehörte. "Kai Bergmann." Stephan ließ mich los und holte einen kleinen Block hervor, wo er den Namen und die Adresse die ich ihm anschließend noch nannte notierte. "Wir fahren jetzt da hin und regeln das.", meinte Stephan entschlossen. "Ich komme mit!", stellte ich klar und wollte aufstehen. Aber Stephan zog mich gleich wieder zurück aufs Bett. "Du bleibst hier.", sagte er bestimmt. "Aber.." Er ließ mich nicht ausreden. "Kein Aber, Jane. Ich will nicht das dir noch irgendwas passiert und hier bist du sicher." Ich sah ihm an, dass ihm das wirklich wichtig war. "Denk an dein Baby, zu viel Aufregung ist nicht gut." Ich musste einsehen, dass es stimmte was er sagte. "Pass du aber auch auf dich auf. Er hat eine Waffe, ich will nicht das irgendjemandem wegen mir etwas passiert!" Stephan lächelte. "Keine Sorge. Das ist mein Job und bis jetzt ist noch nie etwas ernsthaftes passiert." Er stand auf. "Ich komme danach wieder hierher. Ich verspreche es dir, Jane."
Nun fiel mir auf, dass ich eine Sache vergessen hatte zu erwähnen. "Elena.", sagte ich und Stephan sah fragend an. "Mein richtiger Name ist Elena Novak." Stephan lächelte. "Egal ob Jane oder Elena, eins ist sicher.", begann er. "Was denn?", fragte ich. "Dieses Arschloch wird nie wieder eine so wunderschöne Frau wie dich finden." Ich glaubte mich verhört zu haben, aber er hatte es wirklich gesagt. "Ruh dich aus, wir erledigen den Rest." Er strich mir ein ein weiteres Mal über die Wange und ich bekam eine Gänsehaut. Dann beugte er sich vor und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich schloss die Augen, um dieses Gefühl vollkommen genießen zu können. Jetzt, wo ich mich an alles erinnern konnte, wusste ich nicht wann jemand das letzte Mal so zärtlich mit mir umgegangen war. Und dann war es jemand, den ich gerade mal um die 48 Stunden kannte. Aber das war mir egal.
"Komm unversehrt zurück!", bat ich ihn erneut. "Wir sehen uns später.", versprach er mir abermals, stand auf und ging. An der Tür blickte er nochmal kurz zurück und lächelte erneut, als ob er mir sagen wollte das alles gut werden würde. Dann ging er und ich legte mich ins Bett. Jetzt musste ich abwarten.

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