Kapitel 78

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Taehyungs Sicht:

Nach langem Zögern hat mir Jungkook widerwillig den Weg zu Yunais Haus beschrieben und steht nun völlig angespannt vor seinem Auto, während ich mir das große Einfamilienhaus anschaue. In dieser Gegend ist es relativ ruhig, da hier haufenweise Familien wohnen, die etwas mehr Geld in der Tasche haben.

"Okay, ich fahr jetzt weg. Ich komme in einer Stunde wieder und... lass sie bitte am Leben", teilt mir Jungkook mit und legt seine Hand auf meine Schulter.

Ich drehe mich in seine Richtung und runzle die Stirn, als er sich nervös umschaut. Sanft nehme ich sein Kinn zwischen meine Finger und zwinge ihn mich anzuschauen. Er beißt sich auf die Unterlippe und sieht mich beinahe flehend an. Warum weiß ich nie, was in seinem Kopf vorgeht? Fürchtet er sich vor seinem Vater? Will er nicht mit mir vor ihrem Haus gesehen werden? Traut er mir nicht?

"Mach dir keine Sorgen, Süßer. Ich werde ihr nur etwas Angst bereiten", meine ich und lächle ihn schief an, bevor ich ihm einen kurzen Kuss auf die Wange drücke und anschließend von ihm ablasse.

Als ich mich wegdrehen möchte, packt er ruckartig mit beiden Händen meinen linken Arm und zieht mich zurück. Diesmal sieht er mir ausdruckslos in die Augen und bohrt seine Finger unbewusst in meine Haut.

"Schwör mir, dass du die Fotze am Leben lässt, Taehyung!", verlangt er auch noch von mir, was mich die Augen verdrehen lässt.

"Na gut! Ich schwöre, dass ich sie am Leben lasse. Bist du jetzt zufrieden?", schwöre ich und sehe ihn abschätzig an.

Jungkook nickt langsam und zieht seine Krallen zurück. Jedoch starrt er mich an und möchte mir noch etwas sagen. Abwartend bleibe ich stehen und betrachte sein schönes Gesicht still. Er hat dunkle Augenringe und ist etwas blass um die Nase.

"Sungjins Fenster ist immer offen. Du musst über den Zaun klettern und nach hinten in den Garten laufen. Du wirst dann schon wissen, welches Fenster du aufstoßen musst. Pass auf, dass sie dich nicht direkt sieht. Bis später", sagt er mir zerknirscht und öffnet nebenbei die Autotür, um sich ans Steuer zu setzen.

Danach startet er auch schon den Motor und fährt ohne auf eine Antwort zu warten los. Nachdenklich sehe ihm hinter her und verstehe ihn einfach nicht. Vor einer Stunde hat er noch gesagt, dass er Kinder nicht ausstehen kann, aber für seinen Halbbruder hat er einen schwachen Punkt. Sonst würde er nicht darauf bestehen, dass ich Yunai nicht umbringe. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass seine Mutter ihn verlassen hat und er nicht möchte, dass Sungjin das Gleiche erleben muss. Es macht einfach alles keinen Sinn mehr für mich. Jungkook scheint auch ein Opfer seines Vaters bzw. seiner ganzen Familie zu sein. Aber er nimmt sie trotzdem alle in Schutz und will mir wirklich verklickern, dass sein Vater nichts mit dem Mord an meinen Eltern zu tun hat. Wenn sein Vater meine Eltern wirklich nicht umgebracht hat, wieso war er dann in dieser Nacht bei uns Zuhause und wollte mich angreifen? Ich werde es irgendwie noch herausbekommen, aber erstmal muss ich mich um diese Schlampe kümmern.

Automatisch bildet sich ein fieses Grinsen auf meinen Lippen und ich laufe zu dem großen, weißen Haus, um über den Zaun zu klettern. Ich lande auf weichen Rasen und muss beinahe auflachen, weil sie wirklich das perfekte Leben mit ihrem Sohn führt. Woher haben sie dieses ganze Geld? Irritiert gehe ich ein paar Schritte weiter, bevor er ich mich an die Hauswand drücke und einen Blick in den riesigen Garten erhasche. Zu meinem Pech sitzt Sungjin auf dem Rasen und weint vor sich hin. Sein ganzer Körper bebt und er wischt sich immer wieder über die Augen.

"Mama ist so fies! Wieso darf ich Jungkook nicht mehr sehen?!", schluchzt er und schnappt hektisch nach Luft.

Armes Kind, aber ich bin nicht hier, um mich um heulende Kinder zu kümmern. Jungkook ist der Einzige, den ich immer trösten würde. Er ist auch so süß, wenn er weint... Darüber kann ich später nachdenken. Erstmal muss ich unbemerkt ins Haus kommen. Langsam schleiche ich mich in den Garten und suche nach dem offenen Fenster, jedoch sind alle geschlossen. Sungjin sitzt auch draußen und führt hier seinen Heulkrampf aus. Jetzt muss ich doch mit ihm reden. Genervt lege ich den Kopf in den Nacken und verkneife es mir zu seufzen. Schließlich laufe ich zu Sungjin und setze mich zu ihm auf den Rasen. Dieser presst seine Hände auf seine Augen und bemerkt mich überhaupt nicht. Urgh, ich hasse Kinder.

Revenge | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt