Kapitel 94

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Siwon und ich haben uns ins Wohnzimmer gesetzt und werden von den anderen pausenlos angestarrt. Die zwei Brüder nehmen etwas Abstand zu Myunghee, die im Türrahmen steht und mich feindselig mustert. Jedoch schaut Jin sie mit solcher Wut in den Augen an, dass ich befürchte, dass er gleich auf sie losgehen wird. Namjoon steht mit verschränkten Armen hinter Jimin, der mich und seinen Vater beobachtet. Dieser sitzt gegenüber von mir und stützt seine Ellbogen auf seinen Knien ab, während er über irgendetwas nachdenkt. Irgendwann seufzt er dann laut auf und schaut mir ins Gesicht, bevor er beginnt zu lachen.

"Wisst ihr, ich war gerade bei Jungkook und der hat mir erzählt, dass du Yunai und Sungjin umgebracht haben sollst. Irgendwie kann ich das nicht glauben. Jungkook hat dir bestimmt auch erzählt, dass er Sungjin sehr gerne hat. Nach deinem emotionalen Ausbruch bin ich mir ziemlich sicher, dass du das auch nicht wolltest", erzählt er uns und grinst mich schief an.

"Warum sollte ich Jungkook mit Absicht verletzen? Ich habe für ihn meine Sehnsucht nach Rache aufgegeben, damit er mich niemals verlässt. Ihm ging es bei mir gut und mir ging es gut, wenn er bei mir war. Wieso sollte ich das freiwillig aufgeben wollen?", erwidere ich und bestätige nur seine Aussage.

"Das habe ich mir schon gedacht. Ich bin dir auch wirklich dankbar, dass du deinen Groll zurückgestellt hast. Es tut mir furchtbar leid, was mit deinen Eltern passiert ist. Aber ich habe ihnen nichts angetan und insgeheim solltest du das auch wissen", sagt er und sieht mich vollkommen ernst an.

Still betrachte ich sein Gesicht und bringe nichts über meine Lippen. Jungkooks Worte haben mich zum Nachdenken gebracht und nach einer langen Zeit habe ich mich mal zurückerinnert, wie es war, mit meinen Eltern zusammen zu wohnen. Mein Vater war nie Zuhause und falls er mal da war, hat er sich ständig mit meiner Mutter gestritten. Ich kann mich ganz genau daran erinnern, dass er mich eine kranke Missgeburt nannte und immer wiederholte, dass er es keine fünf Minuten mit mir aushielt. Siwon legt seinen Kopf nach wenigen Sekunden schief und wartet auf eine Antwort, jedoch muss ich erstmal meine Gedanken fassen. Zwar weiß ich nicht mehr so genau, was damals geschah. Aber tief in mir drin, ist mir bewusst, dass mein Vater der Grund war, warum sie sterben mussten. Die einzige Frage, die ich an Siwon hätte, wäre, wieso er meiner Mutter nicht geholfen hat. Er stand von Anfang bis Ende nur da und ging nicht dazwischen.

"Du hast meinen Eltern nichts getan. Das stimmt. Aber du dachtest nicht mal daran meiner Mutter irgendwie zu helfen! Wie konntest du nur dabei zuschauen? Hattest du kein Mitleid mit mir?", frage ich ihn und werde erst jetzt etwas wütender.

"Natürlich hatte ich Mitleid mit dir. Du warst immerhin ein Kind! Dein Vater hat dich an mich verkauft und du wurdest von ihm misshandelt. Ich habe doch versucht zwischen die Beiden zu gehen, aber dein Vater hatte ein Messer in der Hand und ich wollte nicht abgestochen werden, wenn Jungkook im Auto auf mich wartet. Eigentlich hat er auf uns gewartet, doch das tut nichts zur Sache. Ich war an diesem Abend nur da, um dich abzuholen, nichts weiter", erwidert er aufgebracht und schaut mich so an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

"Moment mal... Wenn du mich damals mitgenommen hättest, dann wäre ich ein Teil dieser 'Familie' geworden?", kommt es verwirrt aus mir.

"So stand es im Vertrag. Ich nehme Kinder und Jugendliche auf, die niemals eine Chance haben werden, ein normales Leben zu führen. Sie arbeiten für mich und werden somit für ihr ganzes Leben lang versorgt. Ganz einfach. Ich wollte dir nie etwas Böses, Taehyung", erklärt er mir und sieht mir durchgehend ernst in die Augen.

"Das macht alles überhaupt keinen Sinn. Wieso warst du dann so dagegen, dass Jungkook Kontakt zu mir aufnimmt, nachdem er mich jahrelang gestalkt hat? Du wolltest mich doch sowieso in deiner Familie haben", möchte ich nun wissen und bin immer noch extrem unentschlossen und verwirrt.

Revenge | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt