Kapitel 1

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Es ist spät in der Nacht. Die genaue Zeit weiß ich nicht, doch der Mond steht hoch am Himmel und erfüllt mein dunkles Zimmer mit etwas Licht. Zitternd sitze ich in meinem Schrank mit meinem Baseballschläger fest in meinen Händen. Zum ersten Mal war ich meinem Vater dankbar, ihn mir geschenkt zu haben, obwohl ich Baseball noch nie mochte.

Durch die kleinen Schlitze in meinem Schrank schaue ich in mein Zimmer und höre die immer lauter werdenden Schritte aus dem Flur. Die Zimmertür ist genau gegenüber meinem Schrank, sodass ich es sofort sehe, falls er hier reinkommt. Mir treten Tränen in die Augen und mein Atem beschleunigt sich. Was soll ich tun, wenn er herein kommt? Wird der Baseballschläger reichen, um mich schützen zu können?

Plötzlich kratzt es an meiner Zimmertür. Ich halte die Luft an und nehme meine weit aufgerissen Augen nicht von der Türklinke. Die Angst bohrt sich in meine Knochen und ich muss es mir verkneifen, ein verängstigtes Geräusch von mir zu geben.

"Taehyung..", ertönt eine tiefe männliche Stimme hinter der Tür und lässt mich erzittern.

Woher weiß er, dass ich hier bin? Was will er noch von mir? Er drückt langsam die Türklinke runter und macht genauso langsam die Tür auf. Ein in Schwarz gekleideter großer Mann betritt mein Zimmer und schaut sich in meinem Zimmer um. Ich versuche nicht so laut zu atmen und beiße mir angespannt auf die Lippen.

"Verdammte Scheiße.. Er ist abgehauen!", flucht der Mann wütend und stampft zu meinem Fenster.

Ein Glück habe ich meine Bettwäsche zu einem Seil zusammen geknotet und an mein Bett gebunden, damit es so aussah, als wäre ich aus dem Fenster geflohen. Der Mann hält Ausschau nach mir und scheint sein Umfeld vollkommen vergessen zu haben.

Da er abgelenkt ist, öffne ich so leise wie möglich meinen Schrank und klettere heraus. Nun stehe ich hinter ihm und hole mit dem Baseballschläger aus. Der Mann flucht leise vor sich hin und bemerkt mich nicht. Ich sammle meinen ganzen Mut zusammen, atme leise tief ein und schlage ihm schließlich mit voller Kraft gegen das Knie.

Wie erhofft, fällt er überrumpelt vom Schlag zu Boden und hält sich stöhnend das Bein. Er schaut mich mit schmerzverzerrten Gesicht an und weitet seine Augen, als ich nochmal aushole und ihm ein weiteres Mal einen Schlag gegen die Schläfe verpasse. Er fällt bewusstlos auf den Boden und lässt ein blutverschmiertes Messer aus der Hand fallen.

Schwer atmend entferne ich mich von dem nun bewusstlosen Mann und starre ihn mit aufgerissen Augen an. Ich kenne diesen Mann. Er war ein Bekannter von meinen Eltern. Wieso hat er das getan?! Was haben meine Eltern ihm angetan, dass er es ihnen so heimzahlen musste? Tränen fließen mir aus den Augen und ich spüre die Wut in mir aufkochen. Warum sind es meine Eltern, die zu seinen Opfer werden mussten?

Mit schnellen Schritten laufe ich aus meinem Zimmer und stolpere die Treppen runter. Mein Atem geht stockend und mir fällt es unglaublich schwer durchzuatmen. Mit wackligen Beinen renne ich ins Wohnzimmer und bleibe abrupt vor meinen Eltern stehen. Der pure Horror macht sich in mir breit und in meiner Brust beginnt es höllisch zu schmerzen. Ich schluchze unkontrolliert auf und lasse mich vor ihnen in die dunkelrote Pfütze, in der sie liegen, fallen. Ihre Körper sind von der dunklen Flüssigkeit überströmt und sie regen sich nicht. Sie regen sich kein bisschen. Überfordert lasse ich meine Hände über den leblosen Körper meiner Mutter schweben und kann mich nicht überwinden, sie zu berühren. Ich erkenne sie kaum wieder. Sind das wirklich meine Eltern, die hier vor mir liegen?

Ihre Augen sind weit aufgerissen und ihre Wangen sind von ihren Tränen der Verzweiflung durchnässt. Man kann in ihren Augen noch ablesen, was für eine Angst sie hatten. Sie haben sich die Seele aus dem Leib geweint und geschrien. Ich höre ihre Schreie genau in meinen Ohren. Wieso mussten sie so sterben? Was haben sie getan, um so bestraft zu werden? Sie waren doch so liebevolle Menschen, verdammt! Schließlich umschließe ich das Gesicht meiner Mutter und drehe ihren Kopf in meine Richtung.

Sie ist noch warm und fühlt sich so an, als würde sie nur mit offenen Augen schlafen. Ich streichle ihr weinend die Haare von der Stirn und schließe ihre Augenlider. Meine Brust brennt unbeschreiblich sehr und mein ganzer Körper ist unerträglichen Schmerzen ausgesetzt.

"Ich liebe dich, Eomma", hauche ich ihr noch zu und krabble zu meinem Vater.

Auch sein Gesicht nehme ich in meine Hände und streichle über seine nassen Wangen, bevor ich ebenfalls seine Augenlider schließe. Er ist deutlich kühler als meine Mutter und hat mehrere Wunden an seinem Körper. Ich breche zusammen und weine noch mehr. Meine Lippen lege ich auf seine kühle Stirn und gebe ihm einen letzten Kuss, während ich sein Gesicht behutsam streichle.

"Ihr wart so gute Eltern. Ich bin euch so dankbar, dass ihr mich so sehr geliebt habt, wie ich euch geliebt habe. Ich liebe euch so sehr.. Ich werden euren Tod niemals so einfach hinnehmen können. Was auch immer mit mir geschehen sollte, ich werde mich an ihm rächen. Ich werde seine Familie und sein Leben zerstören", flüstere ich ihnen leise zu.

Danach erhebe ich mich langsam und greife nach meinem Baseballschläger. Ich laufe wieder die Treppen nach oben in mein Zimmer, doch der Mann liegt nicht mehr bewusstlos auf dem Boden. Wütend schaue ich aus meinem Fenster und sehe ihn tatsächlich da unten stehen.

"DU WIRST ES BEREUEN, DAS MEINEN ELTERN UND MIR ANGETAN ZU HABEN! ICH WERDE DICH UMBRINGEN", schreie ich ihm hasserfüllt zu.

Er schaut amüsiert zu mir nach oben und schüttelt den Kopf.

"Versuche erstmal zu überleben, Junge", lacht er gehässig los.

Plötzlich fährt ein Van vor unser Haus und die Türen öffnen sich. Doyoung winkt mir ein letztes Mal zu, bevor er zu einem kleinen Jungen in das Auto steigt, der mich mit großen unschuldigen Augen anschaut. Mir fließen Tränen über die Wangen und ich schaue dabei zu, wie die Türen wieder geschlossen werden und diese Leute einfach weg fahren - mich mit meinen toten Eltern alleine lassen.

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Willkommen zu meiner alten, aber neu geschriebenen, Geschichte "Revenge"

Revenge | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt