-27-

57 4 1
                                    

Schlagartig flogen die Eingangstore auf. Eine Schar an Soldaten stürmten das Foyer, in dem ich ungeduldig Platz genommen hatte, seitdem meine Freunde mit der Garde aufgebrochen waren. Es war etwas passiert! Woher ich das wusste? Die Mimik der reinkommenden Leute, die mein Leben lang kannte, war eindeutig. Trotz der Pokerfaces gab es Details, die mir verrieten, dass ich Grund zur Sorge hatte. Nach jahrelanger Übung las ich problemlos die Gesichter der königlichen Garde. Ihre Mimik war mehr als eindeutig! Jemanden war etwas passiert! Bitte, bitte, bitte nicht Finn! Lass es nicht Finn sein! Nachdem ich meine Stoßgebete losgeschickt hatte, betraten Luca, Taylor und Kenny das Schloss. Mein Blick fiel vor Taylor, der rückwärts lief. Zwischen Luca und Taylor hing Finn! Regungslos. „NEIN!" Mir stockte der Atem. Ich sprang von meinem Wachposten auf den Treppenstufen auf und stolperte auf meine Freunde zu. Unkontrollierte Tränen strömten ununterbrochen über meine Wangen. Das konnte nicht sein! Es konnte einfach nicht wahr sein! Wir konnten nicht zu spät gekommen sein! Oh Gott, bitte lass es nicht wahr sein. „Nein! Nein! Nein! Sagt mir, dass das nicht wahr ist. Ich flehe euch an! Bitte sagt mir, dass ich falsch liege.", weinte ich und schaute den Jungen nacheinander verzweifelt ins Gesicht. Doch ich bekam keine Antwort, denn, wie aus dem Boden gestampft, stand Marco plötzlich neben mir. „Taylor, Luca, folgt mir! Der Arzt, der Finn transportfähig machen soll, ist bereits da. Ich führe euch zu ihm!", teilte er den zwei Jungen mit. Ernst nickten beide und dackelten wortlos mit Finn in ihren Armen hinter meinem besten Freund her. Ich hatte vor ihnen zu folgen. Doch kaum hatte ich den ersten Schritt getan, hielt Kenny mich fest. „Du solltest dir das nicht antun, Rose!", warnte er mich eindringlich. Er lockerte seinen Griff um meinen Oberkörper nicht. „Er lebt!" Ich gab meinen Widerstand sofort auf. Finn lebte! Finn lebte. „Ihm geht es den Umständen entsprechend gut, er ist nur bewusstlos. Aber sein Körper ist übersäht mit heftigen Wunden! Das möchtest du wirklich nicht sehen." Krampfhaft hielt ich mich an Kennys Unterarmen fest. Mir war schlecht und meine Beine wurden schwach! „Lass uns lieber unsere Rucksäcke in den Flieger packen!", schlug Kenny mit sanfter Stimme vor. Nach wie vor hielt er mich fest. Nun war ich ziemlich froh, dass er hielt, denn ich war mir sicher, dass ich nicht allein stehen konnte. „Señor Castillo meinte, dass wir, sobald Finns Zustand absolut stabil ist und er transportfähig ist, nach Hause fliegen! Er hat gesagt, dass das nicht lange dauern dürfte, obwohl Finn bewusstlos ist." Ich rührte mich nicht. „Na komm! Wir gehen schonmal und bereiten den Flieger vor." Schweigend ließ ich mich von Kenny nach draußen führen. Meine Gedanken hingen Finn nach, dennoch packte ich mit Kenny alles zusammen. Bald waren wir wieder zuhause!

„Rose Garcia!" Hatte ich noch die Möglichkeit mich zu verstecken? Kaum waren die Jungen und ich gelandet, empfing mich eine vorwurfsvolle Stimme. Dazu gehörte ein mindestens genauso vorwurfsvoller Blick. Daneben entdeckte ich ein besorgt dreiblickendes Augenpaar. Das milderte die Strenge von dem ersten Paar Augen ab! Hinter David und Isabelle standen vier, mir unbekannte Personen. Alle in grauen Anzügen! Irgendwie wirkte es einschüchternd. „Bitte nehmen Sie Finn Harries in Empfang und bringen Sie ihn ins Angel Memorial! In dieser Akte finden sie alle wichtigen, medizinischen Unterlagen und eine List mit erlaubten Besuchern samt Lichtbildern. Die Eltern, die Geschwister, seine Freundin und sein bester Freund dürfen zu ihm. Je nach Zustand des Jungen werden David oder ich, niemand anderes, die Besucherliste ändern!", teilte Isabelle den Personen ernst mit. Nicht einen Augenblick nahm sie ihre Augen von uns. Nicht einer von uns Vieren traute sich, sich von der Stelle zu rühren oder auch nur mit einem einzelnen Muskel zu zucken! „Und jetzt zu euch!", wandte Tante Isabelle sich meinen Freunden und mir zu, als die Männer und Frauen mit dem auf einer Trage liegenden Finn verschwanden. Nach dem Verschwinden der Fremden entdeckte ich zwei bedröppelt aussehende Mädchen. Lina und Lydia starrten, wie hypnotisiert, den dreckigen Flughafenboden an. Ich hatte das Gefühl, dass die Staranwältin Isabelle Adams den Willen meiner Freundinnen gebrochen hatte und sie ganz genau wusste, wo wir gewesen waren, warum wir dort gewesen waren und wozu wir gewesen waren. Ich war mich sicher, dass Kenny, Taylor, Luca und ich dran waren, wie Lina es formulieren würde! „Ihr habt klamm heimlich das Land verlassen, habt euch in Gefahr gebracht und kommt dann mir nichts dir nicht wieder! Das wird Konsequenzen haben, Freunde der Nacht. Damit kommt ihr nicht einfach davon!" Danach glättete sich die Zornesfalte auf Isabelles Stirn. Nach ihrem wuterfüllten Monolog seufzte meine Adoptivmutter. In der zwischen Zeit war ich einen halben Meter geschrumpft! Zumindest fühlte ich mich unglaublich klein nach dieser Tirade. „Jetzt kommt schon her, ihr Vier!", meinte sie schlussendlich und nahm uns in den Arm. „Ich bewundere euch für euren Mut, euren Zusammenhalt und eure Loyalität und bin stolz auf euch, auch wenn die Idee mehr als nur bescheuert war! Kommt nächstes Mal zu uns, wenn ihr was rausgefunden habt. Eine Anwältin Slash Agentin und ein Agent haben auch was auf dem Kasten und ein paar nützliche Ressourcen, die von großem Nutzen für euch gewesen wären." Am Ende lachte Isabelle. Nervös stiegen wir in ihr Lachen mit ein. In den Gesichtern meine Freunde konnte ich sehen, dass Isabelles Ansprache auch bei ihnen einen gewissen Eindruck hinterlassen hate. „Es tut uns leid, Tante Isabelle!", entschuldigte ich mich bedrückt. „Wir wollten Finn schnellstmöglich retten und haben nicht viel nachgedacht, als wir in den Flieger gestiegen sind.", fügte Luz verlegen hinzu. „Das wissen wir doch, Kinder!", meldete sich nun auch David zu Wort, der bisher geschwiegen hatte. „Trotzdem haben wir uns Sorgen um euch gemacht! Aber erst einmal Schwamm drüber. Lasst uns gehen! Ihr müsst, nach allem was wir gehört haben, am Verhungern sein. Wir laden euch zum Essen ein!" Taylor, Luca und Kenny nickten. Doch mir widerstrebte dieser Gedanke! Ich konnte jetzt nicht ruhigen Gewissens zu Abendessen, wenn Finn bewusstlos auf der Krankenstation eines Krankenhauses lag und nur weil ich in seinem Leben aufgetaucht war. „Ich möchte bitte zu Finn!", äußerte ich und schaute unsicher meine amerikanischen Eltern an. „Schatz, geh doch schon einmal mit den Kindern vor! Rose und ich kommen gleich nach.", meinte David und ging mit mir ein paar Schritte zur Seite.

California's BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt