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Nach dem Essen hatte ich David darum gebeten, mich zu Finn zu fahren. Trotz der vorangeschrittenen Uhrzeit durfte ich zu Finn. Ich war versehentlich die ganze Nacht an Finns Krankenbett gewesen, da ich dort eingeschlafen bin. Am nächsten Morgen hatte ich sofort zuhause angerufen. Zu meiner Überraschung hatte ich keinen Ärger bekommen. Ganz im Gegenteil! Ich hatte erfahren, dass ich heute nicht in die Schule musste. Stattdessen hatte ich die Erlaubnis bekommen hier bei Finn im Krankenhaus zu bleiben. Mir kam es nicht in den Sinn zu widersprechen. Ich war mehr als erleichtert, hier bleiben zu dürfen. Man hätte mich von Finns Krankenbett gewaltsam entfernen müssen! Doch es spielte keine Rolle, denn ich durfte bleiben und konnte auf Finn aufpassen, auch wenn ich nicht viel tun konnte.

Den ganzen Tag lang saß ich an Finns Seite und sprach mit ihm, als könne er mir jeden Moment antworten. Ich erzählte ihm von der Schule, von meiner ersten Begegnung mit der Polizei, von Isabelles filmreifen Auftritt auf der Wache und unserer Reise nach Gomera. Finn rührte sich nicht. Die einzige Bewegung von Finns Körper war die sich hebende und senkende Brust, während er atmete. Der Geruch meines unangetasteten Essens stieg mir in die Nase. Doch es weckte weder mein Interesse noch das meines Magens. Das hatte sich mit dem Frühstück genauso verhalten! Ich hatte die Schwester der Frühschicht gebeten mein Essen jemand anderem zu Verfügung zu stellen. Das Gleiche würde ich mit meinem Abendessen machen. Hinter mir öffnete sich die Tür. Ich drehte mich nicht um. Wahrscheinlich war es wieder jemand vom Krankenhauspersonal! "Schläft Finn immer noch?" Momentmal! Grace? Nun wandte ich mich doch zur Seite. Und tatsächlich! Das kleine, blonde Mädchen tapste eifrig auf mich zu. "Hallo Rose! Wie geht es Finn? Schläft er?", erkundigte sie sich. Auffordernd streckte die Fünfjährige die Arme aus. Ich verstand sofort, ließ Finns Hand los und hob Grace auf meinen Schoss. "Es geht ihm gut! Er schläft sehr viel, damit er bald wieder nach Hause kann." "Hast du ihn gefunden?", wollte Grace wissen, während sie sanft mit ihren Fingern auf dem Arm ihres Bruders trommelte. Ihre Augen ließen nicht einen Moment aus den Augen. "Ja! Gemeinsam mit unseren Freunden habe ich ihn gefunden." "Dankeschön!", hauchte sie. Dann krabbelte Grace auf das Bett. Sie umarmte Finn, küsste ganz vorsichtig seine Stirn. "Ich hab dich vermisst, Finny!", erklärte Grace ihrem großen Bruder ernst. "Ich bin gekommen, weil ich dir Gute Nacht sagen will. Aber jetzt muss ich wieder nach Hause! Aber du kommst auch bald wieder." "Ja, Grace! Wir bringen Finn bald nach Hause.", meldete sich Luca auf einmal. "Aber jetzt muss ich dich nach Hause bringen." Traurig schaute Grace Luz an. "Okay! Ich möchte morgen wieder kommen.", forderte sie. "Wir gehen direkt nach meiner Schule.", versprach Luca dem jungen Mädchen. Das schien sie zu beruhigen, denn sie verließ freiwillig das Zimmer. "Es tut mir leid, Finny!", platzte es aus mir heraus, kaum das Luz und Grace das Krankenzimmer verlassen hatten. Tränen überfluteten meine erhitzten Wangen. Ich konnte es nicht mehr zurückhalten. Mir war in den letzten zwei Tagen, die Sache über den Kopf gewachsen und jetzt brach alles aus mir heraus! "Ich wünschte, ich könnte mit dir tauschen! Natürlich kann ich das nicht, aber du wurdest fälschlicherweise in einen Krieg hinein gezogen, an dem du keine Teilhabe haben solltest. Es ist nicht dein Kampf sondern meiner! Es tut mir unendlich leid. Das ist alles meine Schuld!" Verzweifelt schluchzend legte ich meinen Kopf auf die Matratze, die ich mit meinen Tränen durchnässte. Meine Finger umklammerten weiterhin Finns Hand. Ich hatte sie sowieso den ganzen Tag kaum losgelassen. Nur wenn das medizinische Personal seine Arbeit tat. Ansonsten hielt ich sie unweigerlich. Gegessen hatte ich ohnehin nicht, deswegen bestand kein Grund Finn loszulassen außer für seine Untersuchungen und Versorgung. "Ich bitte dich vielmals um Verzeihung, dass ich dich in einen Machtkampf gezogen habe, in dem du nichts zu tun hast. Jetzt liegst du hier und ich kann dir nicht einmal helfen!" "Du musst aufhören dir die Schuld dafür zu geben!" Ich zuckte zusammen. Vor Schreck schlug ich meine Hand gegen den Beistelltisch neben dem Krankenbett. Luca lehnte im Türrahmen. "Was machst du hier? Du wolltest doch Grace nach Hause fahren.", wollte ich wissen und rieb mein schmerzendes Handgelenk. Ich war so ein Tollpatsch! "Nate kam vorbei und hat was für Finn ausgefüllt. Er hat sie mitgenommen! Er weiß ja, dass niemand an seinen Bruder rankommt, weil du auf ihn aufpasst." Es könnte Ironie dahinter stecken! Ich war mir nicht sicher, deswegen sagte ich nichts. "Dir ist doch hoffentlich klar, dass das nicht deine Schuld ist, was Finn passiert ist. Es wird auch nie deine Schuld sein!" "Wäre ich nicht hier aufgetaucht..." "Wäre Finn nach wie vor ein absolutes Problemkind mit schlechten Noten, tausend Frauengeschichten und möglicherweise im Gefängnis wegen der Geschichte mit Rico und Carter. Wegen dir ist er endlich aufgewacht! Er kümmert sich endlich um sich und achtet auch auf sich. Das hat er seit mindestens drei Jahren nicht mehr gemacht. Er hat sogar mit dem Rauchen aufgehört! Dabei hat ihn niemand darum gebeten! Ihm ist nur aufgefallen, dass du die Nase rümpfst, wenn jemand Zigaretten auspackt und hustet sobald der Rauch dich erreicht. Ich kann dir gar nicht genug danken! Wärst du nicht hier, wäre unsere Gruppe abgerutscht und auseinander gebrochen. Außerdem!", merkte Luz noch an. "Wenn könnten wir die gleichen Argumente bringen!" "Wegen was?", hakte ich nach. Mir wollte beim besten Willen nicht einfallen, was Luca damit andeutete. "Carter und Rico! Du wurdest entführt, bedroht und belästigt, weil wir dich in unsere Probleme verstrickt haben. Finn hat schrecklich darunter gelitten. Er hat genauso geredet wie du jetzt!" "Rico und Carter tragen die ganze Schuld und nicht ihr!", entgegnete ich. "Genauso wenig wie du! Diego ist für seine Handlungen selbst verantwortlich.", hielt Luca dagegen. Es folgte ein stummes Duell der Blicke, aus dem kein Sieger hervor ging, denn wir senkten gleichzeitig die Augen und seufzten. "Lass uns eine Runde draußen spazieren gehen! Du musst mal aus diesem Zimmer raus. Ich geh nur kurz auf Toilette und dann gehen wir!" Lucas Stimme ließ keine Widerrede zu. Deshalb nickte ich. Zufrieden verließ er das Zimmer. Ich wollte ihm folgen, jedoch brauchte mich etwas zum Innehalten. "Scheiße, warum ist es hier so hell? Wer soll denn da was sehen?!", fluchte eine raue, verärgerte Stimme hinter mir. Ruckartig drehte mich um. "Finn!" Ich fiel ihm erfüllt von Erleichterung um den Hals. "Langsam, Prinzessin! Ich bin hart im Nehmen, aber ich nehme heute eine sanft Umarmung.", gluckste Finn leise in mein Ohr. Sofort löste ich mich von ihm und richtete mich auf. "Entschuldige! Ich wollte dir nicht weh tun. Aber ich bin nur so froh dich wach zu sehen!" Doch mein Freund zog die Augenbrauen missbilligend zusammen. "Ey! Ich sagte sanft und nicht gar nicht. Beweg deinen hübschen Hintern wieder zu mir!" "Ich kann nicht! Ich muss Luca holen.", rief ich und sprintete auf den Flur.

California's BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt