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"Luca, mach bitte eine Pause! Nur eine ganz kleine. Leg dich nur zehn Minuten hin! Du machst seit fünf Stunden nichts anderes als diese Whiteboard zu beschriften, die Dinge darauf neu zu ordnen oder du starrst es stumm an." Vorsichtig entwendete ich ihm den Marker und führte ihn zu der letzten freien Couch. „Ich kann nicht aufhören! Finn...", nuschelte Luca schlaftrunken vor sich hin. Ich war mir nicht mal sicher, wie viel er noch mitbekam! Lucas Erschöpfung saß tief und war ihm anzusehen. Obwohl er nach wie vor verbal wehrte, ließ Luca sich dennoch von mir auf das Sofa drücken. Ohne mein Zutun legte Luz sich und ließ zu, dass ich ihn anschließend zudeckte. „Entspann dich! Es gibt keine große Sorge. Ich vervollständige die Tafel für dich, Luz. Aber bitte ruh dich nur einen kleinen Moment aus!" „Okay...", murmelte Luca in die Decke hinein. Dann hörte ich, wie sein Atem sich zunehmend veränderte. Er wurde ruhig und gleichmäßig. Er war eingeschlafen! Das Wissen, dass Luca endlich zur Ruhe gekommen war, wirkte auf eine seltsame Art und Weise beruhigend. Es sorgte dafür, dass auch ich mich ein wenig entspannte. Ich atmete tief ein und aus. Na dann! Auf an die Arbeit. Schließlich brauchte Finn uns! Wie ich es Luz versprochen hatte, ging ich an das Whiteboard, dass Luca vorhin gewaltsam versucht hatte, hier runter zu bringen, während ich damit beschäftigt gewesen war, Nick die Nummer von Finn zu diktieren. Luca glaubte, dass es hilfreich bei der Suche nach Finn sein könnte, seine Schritte möglichst detailliert zu rekonstruieren und direkt vor Augen zu haben. Er meinte, es könnte einen Hinweis auftun! Doch bisher hatte es ihn ausschließlich zur Weißglut getrieben, was auch sichtbar an dem chaotischen, nicht nachvollziehbaren Bild war, dass das Board gab. Also machte ich mich daran, das Chaos zu ordnen. Ich hing die Briefe ab, tippte die Daten in mein Handy ein, bevor ich die Tafel wischte. Es kostete mich viel Arbeit und Geduld, die Tafel makellos sauber zu bekommen und danach unsere Informationen strukturiert anzuschreiben. Nachdem ich glaubte, fertig zu sein, trat ich ein paar Schritte nach hinten, um meine Arbeit genau zu betrachten. Ich hatte mit den Briefen begonnen und Finns zweiten Anruf auf Lucas Handy aufgehört. Momentmal! Ich hatte den Zeitpunkt des Unfalls, den die Polizei uns freundlicherweise mitgeteilt hatte, vergessen zu notieren. Schnell fügte ich ihn noch hinzu. Wieder entfernte ich mich ein paar Schritte und starrte auf den Zeitstrahl. Hatte Luca Recht und wir würden dadurch einer Lösungen näher kommen? Bis jetzt entdeckte ich nichts, was uns helfen könnte, was meine Frustrationslevel nur ansteigen ließ. Doch ich durfte nicht aufhören an zu arbeiten, denn ich wusste, dass ich sonst nicht mehr Herr meines Verstandes werden würde vor lauter Sorge um meinen verschollenen Freund.

Nach wie vor klammerte ich mich den hoffnungsversprechenden Halm der Schrittrekonstruktion, wie Lucas es vor zwei Stunden noch getan hatte. Es war sein Plan B gewesen, falls die Handyortung nicht die erhofften Erfolge zeigen würde. Aber daran wollte ich nicht denken! Ich hielt mich weiterhin wacker an dieser Idee fest. Meine Sorge um Finn wuchs mit jeder verstreichenden Minute und langsam begann sie meinen Verstand zu übermannen. Ohne einen funktionierenden Verstand wäre ich wertlos! Ich hätte nichts Sinnvolles mehr, was ich dann noch zu Finns Rettung beitragen könnte. Das wollte ich um jeden Preis verhindern! Erneut nahm ich den Stift in die Hand. Vielleicht würde ich dadurch auf neue Ideen kommen. Doch auch das war eine Fehlanzeige genauso wie diese blöde Tafel, die anfing mich höhnisch auszulachen. Okay! Nochmal auf Anfang. Stift zu, Rücken zur Tafel, einatmen, ausatmen und ruhig bleiben. Keiner würde einen Nutzen daraus ziehen, wenn ich jetzt die Nerven verlieren würde! Mir blieb keine andere Wahl, als einen kühlen Kopf zu bewahren wie Lydia, Kenny und Taylor, die hinter mir auf den Sofas verteilt lagen und schliefen. Irrationales Verhalten war dieser Situation keinesfalls zuträglich! Auch wenn mir danach war, hielt ich meine Emotionen weitest gehen in mir. „Rose, richtig?" Erschrocken zuckte ich zusammen. Ich hatte einiges erwartet, aber nicht, dass Nick mich ansprechen würde. „Ja! Das ist korrekt." Auf Nicks Lippen erschien ein breites Grinsen. „Schön dich mal kennenzulernen! Es ist interessant mal zu sehen, wer hinter dem grünen Punkt von vor ein paar Monaten gesteckt hat." Nick hatte mich wohl auch mal orten müss- Oh mein Gott! Verlegen erwiderte ich das Lächeln. „Ich kann mir vorstellen, wo du mich gefunden hast.", antwortete ich zögerlich. „Spanien.", fügte der junge Mann hinzu, woraufhin ich nickte. „Das habe ich mir schon gedacht." Ich wollte noch etwas sagen, aber das Piepsen meines Handys unterbrach mich. Überrascht warf ich einen Blick auf das Display. Wer schickte mir in den frühen Morgenstunden eine Nachricht? Meine Augen erfassten den Absender. Mein Gehirn verarbeitete die Information. Am Ende dieses Prozesses stockte mir der Atem. „Rose, was ist los? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen!", holte Nicks Stimme mich aus meiner Schockstarre. „Finn- Finn hat mir geschrieben...", ächzte ich perplex. Das konnte nicht wahr sein... „Öffne die SMS! Na los! Das könnte die Ortung beschleunigen.", forderte Nick. Keine Sekunde später klackerte die Computertastatur, über die Nicks Finger flog. „Prinzessin, nicht Carter & Rico! Finny.", las ich halblaut vor. Was hatte das zu bedeuten? Doch in diesem Moment kam mir des Rätsels Lösung! „Wenn es nicht Carter und Rico waren, dann...Finn ist auf Gomera!" Den letzte Satz sagten Nick und ich wie aus einem Mund. „Was habt ihr beide den mit dieser Insel?", kam es noch von Nick, doch ich schenkte ihm nicht sonderlich viel Beachtung, denn diese Frage war momentan nicht von Bedeutung. Die Idee mit dem kühlen Kopf hatte ich nach der Nachricht endgültig verworfen. Nicht irgendjemand hatte Finn entführt. Diego hatte meinen Finn in seiner Gewalt! Finn, der nichts mit diesem politischen Konflikt etwas zu tun hatte und jetzt wegen mir in eine ihm fremde Sache hineingezogen wurde. Ich bekam bestimmt den Oskar für die Freundin des Jahres! Das Mädchen, dass für die Entführung ihres unschuldigen Freundes Schuld ist. Mit Sicherheit ging ich für dieses Ereignis in die Geschichte eine! Mein Hass gegen mich wuchs in Sekundenschnelle. Flink wie ein Wiesel huschte ich durch den Kellerraum, packte die Dinge meiner Freunde und meine eigenen zusammen und weckte diese nebenbei. „Was ist passiert, Rose?" Verschlafen rieb Luca sich die Augen. Ich schenkte ihm keine Beachtung. Zeit für Fragen hatten wir nicht! Finn schwebte in Lebensgefahr und das nur meinetwegen. Zwischen Ohr und Schulter klemmte mein Smartphone, dass gerade wählte. „Ola?", meldete sich Marco. Die Verwirrung in ihm war hörbar. Das lag an meiner Tageszeit! Er hatte mir gesagt, dass er sich auf seinem Handy die Uhrzeit für Los Angeles hinzugefügt, damit er immer wusste, wann er mich zu gesitteten Zeiten erreichen konnte. Doch ich konnte jetzt keine Rücksicht auf Marcos Irritation nehmen! Finn schwebte in Lebensgefahr, darauf musste ich mich jetzt konzentrieren. „Marco, ich brauche augenblicklich ein Flugzeug!", forderte ich harsch ein. Das tat mir sofort leid! „Wie soll-" „Halt mich nicht für blöd, Marcolito! Ich weiß, dass wir weltweit Bereitschaftsflugzeuge besitzen und ich brauche jetzt eins von diesen Flugzeugen samt flugtüchtigen Piloten. Es geht um Leben und Tod! Es geht um das Leben von Finn." „In zehn Minuten an dem Flugplatz in eurer Nähe habe ich, was für dich zur Verfügung, wenn ich jetzt dort anrufe.", meinte Marco. Erleichtert seufzte ich. „Ich in dir zu ewigen Dank verpflichten! Wir sehen uns in zwölf Stunden." Mit diesen Worten beendete ich das Gespräch und war mein Handy achtlos in die Tasche. „Rose! Halt doch mal für eine Nanosekunde still. Verdammt nochmal! Du musst uns schon verraten, warum du uns aufweckst und wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend rennst.", fauchte Lina. Sie hasste es geweckt zu werden, doch ihre Wut gegen mich war aktuell mein kleinstes Problem und ich konnte momentan auch sehr gut damit leben, wenn sie deswegen wütend auf mich sein wollte. Wir befanden uns in einem rasanten Spiel gegen die Zeit und ich wollte mir nicht ausmalen, was gesehen würde, wenn wir keine Zeit mehr hatten und auf der Verliererseite standen...

California's BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt