„Jetzt lassen Sie mich endlich in Ruhe! Ich hab keinen Nerv für diesen Schwachsinn." Ich warf Finn einen warnenden Blick zu. Unablässig fuhr er die Ersthelfer, die Pflegekräfte und die Assistenzärzte an. „Könnten wir-" „Absolut!", entfuhr es der verschreckten Pflegeschülerin und zog die Krankenschwester aus dem Behandlungszimmer. Geräuschvoll atmete ich aus. Ich umfasste Finns Gesicht. „Jetzt hör mir bitte zu!", forderte ich ihn auf. Meine Augen erfassten das zornige Blau von Finn. Er sagte nichts und ich interpretierte es als Signal zum Weitersprechen. „Wir müssen uns behandeln lassen, anders kommen wir nicht hier weg, um uns nach Luca zu erkundigen. Sie werden dich nicht vorher gehen lassen. Tu mir bitte den Gefallen und lass es über dich ergehen! Können wir uns darauf einigen?" Sichtlich widerwillig nickte mein Freund. „Wärst du auch so freundlich die Mitarbeiter dieses Krankenhauses nicht einzuschüchtern? Das ist nicht förderlich.", bat ich ihn. Wieder nickte er. Ich küsste Finns Stirn, bevor ich die Pflegekräfte ins Zimmer zurückholte. Einsilbig ließ mein Freund erst die Fragen und dann die Blutabnahme über sich ergehen. Danach durften wir endlich gehen. Mich brauchten sie nicht, da ich die Prozedur bereits hinter mich gebracht hatte. Seit dem Abtransport aus dem Waldgebiet arbeitete ich ausschließlich daraufhin, dass ich nach Luca erkundigen und zu meinen Freunden konnte!
Kaum erreichten wir das Wartezimmer der Notaufnahme, entdeckte ich meine Freunde. Doch Claire fehlte! Vermutlich war sie nach Hause gegangen. Ich hatte größtes Verständnis dafür, denn die ganze Sache war nicht einfach. Das musste man erst einmal verarbeiten. Plötzlich rannte Lina auf uns zu. Wut durchflutete ihre Miene! „DU.", schrie sie. „Lina, wir sind einem Wartezimmer. Bitte mäßige deine Stimme! Wir wollen die-" Grob stieß sie mich zur Seite. Einige Schritte stolperte ich nach hinten. Zum Glück fingen Kenny und Taylor mich auf! „DU bist an allem Schuld! Wärst du nicht gewesen, dann müsste Luca nicht operiert werden! Weil du bis vor einem Jahr alles gefickt hast, was du gefunden hast, hat Carter sich gerächt. Nur wegen dir! Er ist auf die schiefe Bahn geraten wegen dir. Er hat Rico und Carter kennengelernt wegen dir. Seine Noten sind schlechter geworden wegen dir. Er ist angeschossen worden wegen dir. Er. Wird. Sterben. Nur wegen dir!" „Du hast recht.", murmelte Finn. Er schaute Lina nicht in die Augen. Wie ein begossener Pudel stand er vor ihr. Lina drehte sich auf dem Absatz um und rannte mit wehenden Haaren raus. Regungslos starrte Finn ihr hinterher. Auf einmal hörte ich ein leises Japsen. Im nächsten Moment wirbelte Finn herum. Auch er flüchtete ins Freie! Doch Finn verließ das Gebäude in die entgegengesetzte Richtung. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass Finn mich brauchte. Nach einem kurzen Blickwechsel mit Lydia, Kenny und Taylor folgte ich ihm. Draußen fand ich einen knienden Finn vor, der panisch um Luft rang. Panikattacke! Finn hatte eine Panikattacke, aber ich wusste, wie ich ihm helfen konnte. Marco hatte früher viele Panikattacken und ich hatte Recherche dazu betrieben. Ich lief um ihn herum. Dann setzte ich mich im Schneidersetz auf den Asphalt. „Hey, hey, hey! Finny, sieh mich bitte an. Bitte, schau mich an." Tränen strömten seine blassen Wangen hinab. Seine Finger strichen über seinen Hals. Sein Mund war geöffnet und versuchte er stoßweise einen Atemzug zu nehmen. Ein leises, pfeifendes Geräusch begleitete seinen japsenden Atem. „Sehr gut! Ich helfe dir. Möchtest du dich setzen?" Ohne mir zu antworten, setzte Finn sich mir gegenüber und verschränkte die Beine. „Darf ich deine Hände nehmen?" Sofort nahm Finn sie von seinem Hals und streckte sie mir entgegen. Vorsichtig nahm ich seine Hände in meine. Seine kalten Finger umfassten meine Handflächen. Seine Augen fixierten erneut den Boden. „Hey Finny! Hier bin ich! Schau dir meine Augen an. An was erinnert dich die Farbe?" „Wälder!", stieß er hervor. „Wälder sind schön! Ruhig, kühl und vor allem angenehm. Erinnerst du dich, als wir das erste Mal in einem Wald waren? Du hast dich mir geöffnet. Erinnerst du dich?" Finn nickte heftig. „Ja!", keuchte er. Es war hörbar, dass er besser Luft bekam. „Du warst unglaublich. Obwohl du verletzt warst, hast du herausgebracht! Wonder Woman kann einpacken, wenn sie dich trifft." Ich grinste ihn an. „So würde ich es nicht sagen, aber eine Superheldin zu sein, finde ich gar nicht so schlecht! Wobei ich, soweit ich ihn kenne, mehr für Peter Parker und sein Alter Ego übrighabe.", meinte ich. Die Atemzüge gingen noch schwer, aber sie hatten einen normalen Klang angenommen. Die Erleichterung, die mich erfasste, war unbeschreiblich! Das Schlimmste hatten wir geschafft, jedoch konnte man eine Panikattacke nicht auf die leichte Schulter nehmen. Man musste die Person auch noch, nach dem Gröbsten und Schlimmsten durch die bestehende Panik helfen, sie festigen und vollends in den jetzigen Moment zurückholen. Zumindest sagte mir das meine unprofessionelle Erfahrung! „Finn?" „Ja?" „Du weißt, dass du keine Schuld an dieser Situation trägst. Das hätte jedem passieren können! Linas Vergangenheit ist genauso beschrieben wie deine. Aber ihr habt ein neues Kapitel aufgeschlagen und neue Entscheidungen getroffen. Carter und Rico haben auch ihre Entscheidungen getroffen, was uns hierhin geführt hat. Aber glaub nicht eine Sekunde daran, dass du schuld bist! Finn, du hast nicht auf Luca gezielt. Du hast den Schuss nicht injiziert. Du hast den Schuss nicht abgegeben! Sind wir uns da einig?" Finn nickte. Sorge stieg in mir auf, denn sein Atem ging wieder schneller. „Siehst du! Lina hat nur Stuss geredet." „Ich hab nicht so viel Sex gehabt, wie alle sagen.", erklärte Finn sich leise. Sanft drückte ich seine Hände. „Das glaube ich dir.", versicherte ich ihm. „Wirklich?" Erstaunt weiteten sich seine Augen. Meine rechte Hand schmiegte sich an Finns Wange. „Natürlich, Finny! Warum solltest du mich anlügen?" „Ich hab mit ein paar Mädchen geschlafen, aber es waren nicht viele! Und ich hab immer ganz klar gemacht, dass es eine einmalige Sache ist und ich hab auch immer nach dem Einverständnis gefragt. Ich wollte sichergehen, dass ich niemand vergewaltige. Ich will niemandem etwas antun!" Wieder nahm ich beide Hände Finns in meine. „Jeder weiß, dass du niemandem etwas tun willst oder es tun würdest, mein Schatz! Es ist alles in Ordnung und mit Luca wird auch alles in Ordnung, aber jetzt musst du atmen. Wenn du möchtest, atmen wir zusammen." „Lass mich nicht allein!", bettelte Finn. „Keine Sorge, Liebster! Ich bin bei dir, solange du mich brauchst."
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California's Badboy
ChickLitUnsere lieben Freunde Lina, Luca, Finn, Rose, Lydia, Kenny und Taylor haben im letzten Schuljahr schon einiges erlebt und jetzt gehen sie auf ihr allerletztes Schuljahr zu! Wenn da schon nicht aufregend genug ist, dann bekommt die Truppe noch zu wa...