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„Einatmen!", kommandierte ich möglichst weich. „1, 2, 3, 4.", zählte ich mit, während Finn und ich gemeinsam die kalte Nachtluft in unsere Lungen sogen. „Halten! 1, 2, 3, 4. Ausatmen! 1, 2, 3, 4. Halten! 1, 2, 3, 4." Langsam, aber sicher, festigten Finn sich wieder sichtlich. Doch ich wollte mich vergewissern, ob mich mein Eindruck trübte oder nicht! Schließlich ging es um Finns Gesundheit und damit war nicht zu spaßen. „Brauchst du noch einen Atemzug?", erkundigte ich mich. Finn schüttelte den Kopf. „Ich hab noch eine Übung, die einem hilft auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Wenn du möchtest, können wir die auch noch machen." „Klar! Warum nicht?", meinte Finn. „Okay. Bist du bereit?" Gestisch bedeutete mein Freund mir, dass ich anfangen konnte. „Nenn mir bitte fünf Dinge, die du sehen kannst." Finn seufzte. „Ich sehe den Asphalt. Ich sehe einen Busch, Laternen, den Sandkasten und deine smaragdgrünen Augen." Ein sanftes Lächeln verzog meinen Mund. Selbst wenn ihn die Panik erfasste, schaffte er es mich miteinzubeziehen. Dieser Junge war unfassbar! Aber ich musste mich konzentrieren. „Sehr schön! Vier Dinge, die du fühlst." „Die Wärme deiner Hände, mein rasendes Herz, der kühle Zug, der meinen Rachen streift und meine Übelkeit." „Drei Dinge, die du hören kannst." „Das Rauschen des Windes, die ankommenden Krankenwagen, das Zirpen der Grillen." „Zwei Dinge, die du riechen kannst." „Die Nachtluft und dein Escada Parfum! Ist das nicht dieses Summer Festival-Ding?" Ich nickte. „Ja. Du hast dir das gemerkt." „Ich wollte es dir zum Geburtstag schenken. Es passt zu dir!" „Dankeschön..." „Mach weiter!" „Eine Sache, die du schmecken kannst." „So seltsam es auch klingt, aber die Luft! Sie schmeckt, als würde es gleich regnen." Taylor trat zu uns nach draußen. Seine düstere Miene, die ich in dem fahlen Licht gerade so erkennen konnte, ließ auf nichts Gutes schließen. „Die Polizei ist da. Sie wollen uns sehen!" Ich nickte. „Ich kümmere mich darum.", teilte ich ihm mit. „Bleibt ihr hier oder wollt ihr mit reinkommen?" Wortlos deutete Finn auf die Tür, die Taylor mir aufhielt. Gefolgt von den Jungen betrat ich wieder das Wartezimmer. Ich war um ein ruhiges und souveränes Auftreten gegenüber den Beamten bemüht. „Guten Tag! Mein Name ist Rose Garcia." Die Polizistin schüttelte meine Hand, die ich ihr und ihrem Kollegen hinhielt. „Hallo! Wir haben an Sie und Ihre Freundin einige Fragen." Isabelles Worte von vor einigen Monaten schossen mir durch den Kopf und diese befolgte ich. Was Besseres fiel mir, wenn ich ehrlich war, nicht ein! „Meine Mutter ist Anwältin und möchte, dass Sie sie kontaktieren, bevor sie uns Fragen stellen.", erwiderte ich höflich. Hoffentlich machte ich keinen allzu ängstlichen Eindruck! „Der Name Ihrer Mutter?", schnaubte der Polizist verächtlich. Trotzig reckte ich den Kopf hoch. „Isabelle Adams." Der Name sorgte für große Augen. Nach einem wortlosen Abschied verschwanden die beiden Polizeibeamten. Doch ich hatte keine Zeit zum Durchschnaufen! Das nächste Problem folgte auf den Fuß. „JETZT SAGEN SIE MIR WIE ES LUCAS MILLER GEHT! ICH WERDE NICHT NOCH EINMAL FRAGEN. VERSTEHEN SIE MICH, LADY? SIND SIE DER ENGLISCHEN SPRACHE ÜBERHAUPT MÄCHTIG!" Verzweifelt fuhr ich mir durchs Haar. „Beruhigen Sie sich, junger Mann. Und ja! Ich bin durchaus der englischen Sprache mächtig.", hörte ich eine schnippische, weibliche Stimme. Ich musste sofort eingreifen! Deeskalation und Ruhebewahren waren die Schlüsselwörter für die kommende Nacht. Schnellen Schrittes durchquerte ich das Wartezimmer der Notaufnahme dich gefolgt Kenny und Taylor. „ICH WILL INFORMATIONEN ÜBER DEN ZUSTAND VON LUCAS MILLER! UND DAS SOFORT.", brüllte Finn außer sich vor Wut und Verzweiflung. „Wenn Sie nicht-" Mein Stichwort! Ich schob mich zwischen Finn und den Tresen. Ich legte meine Hände auf die Höhe seiner Schlüsselbeine und schob ich zu Kenny und Taylor, die ihn von beiden Seiten an Ort und Stelle fixierten, in dem sie sich unterharkten und ihn nicht gehen ließen. „Entschuldigen Sie bitte sein Verhalten! Wir haben in den letzten Stunden mehr durchgemacht, als Sie wissen. Es tut mir wirklich leid! Aber wäre es möglich eine Information zu Mr Miller zu bekommen? Ich verspreche Ihnen, dass der junge Mann hinter mir Ihnen danach auch keinen Ärger mehr machen wird.", versuchte ich mein Glück. „Nein! Ich kann nicht irgendjemandem Informationen über Patienten geben." Dann wandte die Dame sich an Finn. „Wer sind Sie denn überhaupt?", fragte sie schroff nach. Ich konnte es nachvollziehen! Schließlich hatte Finn nicht gerade durch Höflichkeit und Geduld geglänzt. „Ich bin sein Bruder.", antwortete er todernst. „Haben Sie einen Personalausweis?" Wütend klatschte er seinen Ausweis aus den Tresen, nachdem er ihn aus seinem Portemonnaie gezogen hatte. „Sie sind nicht sein Bruder! Unterschiedliche Nachnamen, Adressen und die Geburtstage liegen im selben Jahr. Rein rechnerisch ist das nicht möglich!", fauchte sie. „Sie sind im Herzen Brüder. Er steht neben sich! Reden Sie bitte mit mir." Nach einem Augenverdreher schaute die Frau endlich wieder zu mir. „Was wollen Sie?", fuhr sie mich an. „KEIFEN SIE MEINE FREUNDIN NICHT AN!" Ich ignorierte Finn. „Der Name von Lucas Mutter ist Liara Miller. Könnten Sie sie nicht anrufen?" „Von mir aus! Nehmen Sie Platz."

Mein Handy klingelte. Ich konnte meine Augen nicht von dem umher tigernden Finn nicht nehmen und ging blind ans Telefon. „Rose, ich hab es gerade erst gehört! Was braucht ihr. Ich bin in Deutschland! Aber ich komme morgen wieder." „Mach dir keine Sorgen! Wir sind alle hier für Luca und wir gehen auch nicht weg. Nur sagt uns niemand, wie es ihm geht." „Ich faxe dem Krankenhaus eine Verfügung! Du und Finn dürft informiert werden und der Rest darf natürlich mithören." „Ich halte dich auf dem Laufenden!", versprach ich ihr dankbar. „Ich danke dir.", flüsterte Liara ins Telefon und legte auf.

Mein Zeitgefühl hatte sich von mir verabschiedet. Stunden verstrichen ohne eine Nachricht aus dem OP! Finn lief umher. Es war ein Wunder, dass sein Weg nicht inzwischen in dem Boden eingeprägt war. Meine Lider fielen immer wieder runter. Aber ich konnte noch nicht schlafen! Wie sollte ich auch?! Luca wurde operiert. Er kämpfte um sein Leben und wir wussten nicht, wie es genau um unseren Freund und Bruder stand. „Rose, du kannst dich hinlegen! Wir wecken dich, wenn irgendetwas passiert.", meinte Kenny. „Du kannst deinen Kopf auf meinen Schoss legen, damit du nicht auf dem Metall liegen musst." Dankbar schenkte ich ihm ein Lächeln. Lydia schlief bereits auf seinem rechten Oberschenkel. „Das ist lieb von dir, aber ich möchte mit euch wach bleib-" Die Worte blieben mir im Hals stecken, als ich einen Arzt im OP-Kittel erblickte. „Verwandte von Lucas Miller?" Sofort sprang ich auf und zeigte dem Doktor die Erlaubnis, die ich von Liara hatte. „Hier sind wir.", erwiderte ich. Der Arzt nickte. „Er hat es gut überstanden, aber er ist noch nicht bei Bewusstsein. Wenn Sie es wünschen, kann einer von Ihnen zu Mr Miller." „Mr Harries!", sagten Kenny, Taylor, Lydia, die von ihrem Freund geweckt worden war und ich wie aus einem Mund. „Wir möchten, dass Mr Finn Harries zu Mr Miller geht. Sie sind praktisch Brüder!", erklärte ich dem überfordert dreinblickendem Arzt. Er nickte und führte Finn zu Lucas Zimmer. 

California's BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt